Brustkrebs kann jede treffen, auch jüngere Frauen, und immer ist Früherkennung das A und O. In Mülheim wurde nun ein ungewöhnliches Modell vorgestellt: blinde Frauen als Medizinische Tastuntersucherinnen (MTU).

Aus einer innovativen Idee wuchs ein neues Berufsbild. Bislang haben elf Frauen diese Ausbildung abgeschlossen. Sie gehen Ärzten in gynäkologischen Praxen oder Kliniken zur Hand, was man wörtlich nehmen darf. Am meisten Erfahrung mit dieser Methode hat der Duisburger Frauenarzt Dr. Frank Hoffmann. Kein Wunder, er hat sie entwickelt.

Denn in langjähriger Berufsausübung habe er festgestellt: „Die Tastuntersuchung findet im Praxisalltag nicht unter optimalen Bedingungen statt. Oft fehlt die Zeit.“ Eine Erkenntnis, die viele Frauen sofort unterschreiben würden. Fatal. Denn das Abtasten der Brust ist die einzige Krebsvorsorgeuntersuchung, die unter 50-Jährigen ohne besondere Indikationen bezahlt wird.

„Dieses Problem kann man nur durch eine Hilfskraft lösen“, befand Hoffmann, und die Tatsache, dass blinde Menschen über ein besonders feines Fingerspitzengefühl verfügen, brachte ihn auf den weiteren Weg. Mittlerweile ist der Ausbildungsgang zur MTU von der Ärztekammer Nordrhein zertifiziert. Er umfasst sechs Monate Theorie, auf die drei praktische Monate folgen.

Auf diesem Wege fand etwa Marie-Luise Voll, gelernte Krankenschwester, die ab 2003 durch eine Krankheit allmählich erblindete, ins Berufsleben zurück. Die 58-Jährige erläutert, wie die gründliche Tastuntersuchung abläuft: gut eine halbe Stunde lang, zunächst im Sitzen, später im Liegen, wobei aufgeklebte, mit Blindenschrift versehen Streifen die Orientierung erleichtern und neben Verhärtungen auch die Wärme des Gewebes auffällig erscheinen kann.

„Keine Frau stirbt an dem Krebs in der Brust“, sagt Dr. Frank Hoffmann, „wenn, dann an Metastasen.“ Darum sei Früherkennung lebenswichtig. Während sehende Menschen einen bösartigen Tumor erst ab 10 mm Durchmesser erspüren könnten, falle er Blinden bereits ab 3 mm auf. Die MTU, ganz wichtig, stellt aber keine Diagnose, sondern gibt nur ihre Ergebnisse an den Gynäkologen weiter. Der Arzt behält die Verantwortung. und leitet bei Bedarf weitere Untersuchungen ein.

Die neue Methode, die Hoffmann unter dem Warenzeichen „discovering hands“ vermarktet, wird bislang erst von zwei Kassen bezahlt. Dazu gehört seit neuestem die Siemens Betriebskrankenkasse (SBK), die nach eigenen Angaben in Mülheim 18000 Mitglieder hat.