Mülheim.
Für das letzte Kindergartenjahr vor der Einschulung müssen Eltern nichts mehr zahlen. Das ist neu, das ist Gesetz – aber ist es auch gut so? Stimmen aus einer Kita in Mülheim-Styrum.
Katholischer Kindergarten St. Mariae Rosenkranz: Drei Mütter sitzen am runden Tisch, um über die neue Beitragsfreiheit zu reden, von der sie sofort profitieren – oder auch erst im nächsten Jahr.
So wie Sükran Can, Mutter eines vierjährigen Jungen, die meint: „Es ist ein Fortschritt. Schließlich liest man so oft, dass keine Kinder mehr geboren werden.“ Noch besser findet sie aber das Düsseldorfer Modell, wo der Kindergarten komplett beitragsfrei ist.
„Eine wunderbare Maßnahme"
Dass der Nulltarif nun auch für gut verdienende Eltern gilt, erscheint Sükran Can nicht als ungerecht: „Kindergeld bekommen ja auch alle gleich. Wo will man da anfangen, die Grenze zu ziehen?“
Freudig aufgenommen wird die Beitragsfreiheit auch von Daniela Vogt. Sie sagt: „Eine wunderbare Maßnahme. Gut, dass auch endlich mal an die Familien mit mittlerem Einkommen gedacht wird, die vielleicht 200, 250 Euro Beitrag pro Monat zahlen.“ Und die jetzt spürbar entlastet würden. Allerdings kann Daniela Vogt eines nicht verstehen: „Warum nimmt man das dritte Jahr und nicht das Eintrittsjahr? Es gibt ja immer noch Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita geben.“
Geschwisterregelung gilt weiterhin
Noch eine andere drängendere Frage bewegt Daniela Vogt, die seit kurzem zwei kleine Töchter hier im Kindergarten hat und eigentlich von einer Ermäßigungsregel in der Elternbeitrags-Satzung profitiert: Nur für jeweils ein Kind müssen Familien zahlen. Was aber passiert, wenn das ältere Kind nun per Kibiz gratis betreut wird?
„Die Satzung bleibt bestehen, die Geschwisterregelung gilt also weiterhin“, versichert Anke Degner, stellvertretende Pressesprecherin der Stadt. Gut für Familie Vogt, die nun gleich zwei Kinder kostenlos betreuen lassen kann, günstig auch für Vanessa Weller mit ihrem fünfjährigen Sohn Knuth und der dreijährigen Rieke. Sie sagt allerdings auch: „Ich finde es schon seltsam, dass man jetzt vielleicht mit einem Kind mehr zahlt als mit zweien.“
Eltern wurden schriftlich informiert
Alle Mütter sehen auch, dass Kindergärten, nicht nur dieser, schon jetzt aus knappen Mitteln das Beste machen müssen. Bei St. Mariae Rosenkranz etwa haben Eltern mit viel Eigenarbeit und Spenden den Außenbereich neu gestaltet. Anders wäre es gar nicht gegangen, sagen alle. Vanessa Weller schlägt daher vor: „Man könnte einen Teil des gesparten Geldes direkt an den Kindergarten spenden.“
Diese Möglichkeit bleibt allen unbenommen. Gleichwohl: Das Geschenk, die Beitragsfreiheit, wird wohl keine Familie zurückweisen. Für 1275 Kinder in Mülheim hat am 1. August das letzte Kindergartenjahr begonnen, ihre Eltern wurden schriftlich über die Neuerung informiert, die der NRW-Landestag knapp vorher, am 22. Juli, per Änderung des Kinderbildungsgesetzes beschlossen hatte.
Stadt entgehen Einnahmen von 870.000 Euro
Mülheimer Eltern von Fünfjährigen sparen nun, je nach Einkommen und gebuchter Betreuungszeit (25, 35 oder 45 Wochenstunden) zwischen null und immerhin 420 Euro pro Monat. Gleichzeitig entgehen der Stadt hierdurch Gebühreneinnahmen von rund 870.000 Euro.
Doch die anfängliche große Sorge, auf den Kosten sitzenzubleiben, ist wohl unbegründet. Das Land hat zugesichert, die Lücke aus eigenen Mitteln zu schließen. Sonst wäre die Freude auch sehr getrübt.