Mülheim. .
Die Gewerkschaft Nahrung – Genuss – Gaststätten (NGG) schlägt Alarm: Dem Gastrogewerbe und den Bäckereien gehe der Nachwuchs aus: Für viele Lehrstellen gebe es wenige Bewerber. Zumindest für Mülheim/Oberhausen kann die Bäckerinnung das nicht bestätigen.
„Wir haben bei den Ausbildungsstellen für Bäcker oder Bäckereifachverkäufer sogar steigende Zahlen“, sagt der Mülheimer Obermeister Klaus Rasfeld. Die Bäckerinnung Rhein-Ruhr zählte Ende März 2011 im gesamten Bereich 166 Auszubildende, fünf mehr als 2010. In Mülheim und Oberhausen lernten zwölf Bäckerlehrlinge im ersten Lehrjahr, 19 im Zweiten und 22 im Dritten. Im Vorjahreszeitraum waren es in jedem Lehrjahr zwölf Azubis. Auch die Zahl der Bäckereifachverkäuferinnen sei angestiegen.
Zehn offene Lehrstellen für Köche
Zehn offene Lehrstellen für Köche, über 20 freie Ausbildungsplätze im Gastrobereich, von der Restaurantfachfrau bis zum Hotelkaufmann, zählte die NGG für Mülheim und Oberhausen bei der Agentur für Arbeit. Deren Pressesprecherin Katja Hübner nannte allein fünf Lehrstellen für Köche in Mülheim. Bei den Kaufleuten im Einzelhandel gab es zum Monatsbeginn sogar 17 freie Ausbildungsstellen – im Lebensmittelbereich.
Es ist kein neues Phänomen: Arbeitszeiten am Wochenende und abends, wenn andere frei haben, sind bei Jugendlichen nicht attraktiv, das wissen Berufsberater der Agentur. Auch sehen sich junge Frauen, die als Verkäuferin arbeiten wollen, sich eben lieber in einem Bekleidungsgeschäft als im Lebensmittelbereich. Und die Jungen wollen lieber Fernseher und PCs verkaufen als Fleisch, Käse und Gemüse.
Als Koch kann man überall auf der Welt arbeiten
Neben den Arbeitszeiten kommt beim Koch ein heißer, lauter Arbeitsplatz dazu. Doch man sollte das Positive sehen, so Katja Hübner: „Ein Koch ist nie lange arbeitslos.“ Das sagt auch Jörg Thon, Wirt im „Ratskeller“: „Der Beruf ist krisenfest.“ Der Vorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Mülheim bestätigt den Rückgang der Ausbildungswilligen in der Gastrobranche. Er geht auch auf die Überstunden ein: „Wenn der Gast da ist, ist er da, dann haben Sie keinen Feierabend.“ Das Positive? Für junge Leute, die nach der dualen Ausbildung in Deutschland – Praxis und Berufsschule – was von der Welt sehen wollten, sei eine Gastronomie-Ausbildung ideal: „Damit kann man überall auf der Welt arbeiten.“
Dachdeckerbetriebe haben häufig Nachwuchssorgen
(Kfz-)Mechatroniker und Zerspanungsmechaniker sind beliebte Ausbildungsberufe bei den jungen Männern. Dachdeckerbetriebe hingegen hätten häufiger Nachwuchssorgen, weiß Barbara Pezzei, die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft.
Die Berater der Arbeitsagentur wissen, dass die Berufswahl der Freunde, der Clique, viel Einfluss auf junge Leute hat. Sie versuchen, ein Umdenken, weg von den klassischen Berufen, zu erreichen. „Es kommt nicht darauf an, was andere machen – es muss d i r Spaß machen“ – versucht man, die Schulabgänger für andere Bereiche zu interessieren, sie aufzuklären. Die Zeit drängt: Am 1. August beginnt das neue Ausbildungsjahr.
Im Juli waren noch 352 Ausbildungsplätze frei
„Wichtig ist, dass die Jugendlichen sich melden – wir haben noch genug freie Ausbildungsplätze“, betont Katja Hübner. 352 Ausbildungsstellen waren im Juli noch frei. „Wir appellieren an die Jugendlichen, flexibel zu sein. Auch, was den Ort der Ausbildung angeht.
Die Mülheimer Bäckerei Rasfeld bildet seit 25 Jahren aus. Die Kritik vieler Ausbildungsbetriebe an der mangelnden Ausbildungsfähigkeit der Bewerber formuliert der Chef vorsichtig: „Häufig ist das Zeugnis nicht so toll. Mit einem guten Hauptschüler, der Zweien und Dreien auf dem Zeugnis hat, wäre ich zufrieden,“ sagt Klaus Rasfeld. Bäckerlehrlinge müssten früh raus und am Samstag falle halt viel Arbeit an „wenn man alles frisch macht.“ Aber wer früh mit der Arbeit anfängt, der hat auch früher Feierabend.