Mülheim. .
„Ich schreibe Euch, Heiliger Vater, aus Verzweiflung an und bitte Euch um Hilfe, Rat und um Gerechtigkeit.“ Vor wenigen Tagen wendete sich Sasa Tudor, der in der Altstadt ein Restaurant betreibt, mit jenen Zeilen an Papst Benedikt – Palazzo Apostolico. Der 33-jährige Gastronom, der aus Kroatien stammt, und seine Familie fühlen sich von der Kath. Gemeinde St. Mariä Geburt getäuscht, ungerecht behandelt, verletzt und gar an den Rand des Ruins getrieben.
Dem Heiligen Vater schreibt er auf sechs Seiten seine Geschichte, macht Rechnungen auf und klagt an. Papst Benedikt ist die höchste, aber auch letzte Instanz, an die sich der Mülheimer wendet. Inzwischen ist auch ein Anwalt eingeschaltet. Die Tudors wollen ein Haus kaufen, das auf dem Kirchenhügel am Muhrenkamp liegt, ein schmucker, aber auch alter Bau mit dem Charme und den Mängeln vergangener Zeiten.
Die Kirche will verkaufen, weil sie Geld braucht. Die Gemeinde ist längst nicht mehr auf Rosen gebettet, muss Kosten reduzieren, Personal abbauen, Angebote kürzen oder streichen. Lange meldete sich keiner auf das Verkaufsangebot. Tudor, selbst gläubiger Katholik, hörte von dem Objekt und befand mit seiner Großfamilie: das ideale Mehrfamilienhaus für drei Generationen unter einem Dach.
"Vom Kirchenvorstand abgesegnet"
Er verhandelte mit der Gemeinde, und man einigte sich auf einen Preis von 275.000 Euro, wobei der hohe Sanierungsaufwand berücksichtigt wurde. „Der Preis wurde vom Kirchenvorstand abgesegnet“, so Tudor. Er bekam die Schlüssel wie andere Interessenten später auch, er besichtigte das Haus mehrfach mit einem Architekten, sie machten Pläne, schrieben Gewerke aus und ließen von Banken die Finanzierung erstellen. Und: Er unterzeichnete mit der Bank Verträge, um nicht in die Phase höherer Zinsen zu kommen. Doch alles noch ohne notariellen Vertrag.
Der Notar Helmut Niehoff, selbst Mitglied im Kirchenvorstand, setzte einen Kaufvertrag mit eben jenen 275 000 Euro schon mal auf. Der Vertrag ging auch zur rechtlichen Prüfung ans Bistums, eine Formalie, wie es dort heißt. Die Entscheidungshoheit über den Verkauf liegt allein beim Eigentümer, der Gemeinde.
Doch der klassische Notartermin mit Unterzeichnung zog sich hin. Wegerechte waren zu klären, Feuerwehrzufahren. Da passiert folgendes: Die Familie, die noch im Erdgeschoss der Villa wohnte, zieht aus. Damit ist nur noch eine Wohnung in dem Dreifamilienhaus belegt, und plötzlich ist das Objekt für weitere Personen interessant geworden. Die Gemeinde erhält neue Angebote. Von gut 100.000 Euro mehr ist letztlich die Rede.
„Darauf mussten wir als Kirchenvorstand reagieren, wir sind gegenüber der Gemeinde, deren Geld wir verwalten, rechtlich verpflichtet dazu“, sagt Markus Püll, Mitglied des Vorstandes. Andere aus dem Vorstand erklären, dass sie sich strafbar machen würden, wenn sie die höheren Angebote außer Acht ließen.
Anstand und Moral
Tudor sollte aber weiterhin erste Wahl bleiben, sofern er den deutlich höheren Kaufpreis mitmacht. „Wir haben aber zu keinem Zeitpunkt ein Versprechen an Tudor abgegeben“, versichert Wolfgang Cukrowski, Verwaltungsleiter von Mariä Geburt. Er sagt aber auch: Die Familie Tudor wäre unsere Wahl gewesen, wenn kein anderer Interessent mehr geboten hätte.
Für den Notar Niehoff ist der Vorgang Alltag: Der erste Entwurf eines Kaufvertrages werde in vielen Fällen nicht nur verändert, sondern häufig auch zerschlagen. Aus dem Entwurf eine Zusage abzuleiten, sei nicht richtig, so Niehoff. Bei Tudor, so der Kirchenvorstand, habe es auch Zweifel an der Finanzierung gegeben. Dabei hatte der Gastronom, wie er nachweist, alle Bankunterlagen der Gemeinde und dem Bistum vorgelegt.
Für Rechtsanwalt Walter Thimm, der Tudor vertritt, war sein Mandant der erste, welcher der Pfarrei ein Angebot unterbreitete, welches letztlich „akzeptiert wurde“. Gerade weil es sich um die Zusage der Kirche handelte, habe sein Mandant „geglaubt und vertraut“. Der Anwalt weist auf Schadensersatzansprüche hin, die sechsstellig sein könnten, eine Regel sagt: Bei Vertragsabbruch muss der Verhandlungspartner wieder so gestellt werden, als hätte es die Verhandlungen nicht gegeben.
"In das Haus geträumt"
Kirchenvorstand wie Bistum bewerten dies völlig anders. Es habe keine endgültige Prüfung eines Verkaufs durch das Bistum gegeben, sagt der Sprecher Ulrich Lota. Und Cukrowski betont, man habe zu keinem Zeitpunkt die Familie ermuntert, Verträge mit Banken zu unterzeichnen. „Die Familie hat sich in das Haus geträumt. Ihre Enttäuschung ist zu verstehen. Die Gemeinde hat aber in dem Fall gar keine andere Wahl.“ Im Bistum entferne man sich von christlichen Anstand und Moral, schreibt Tudor an den Papst.
Aus Rom kam bisher die Bestätigung des Briefeinganges.