Mülheim.

Die Debatte um die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs wird auch zur Glaubensfrage: Kann beim verlustreichen ÖPNV noch gespart werden, ohne ihn kaputtzusparen? Oder ist nicht in seine Attraktivität zu investieren, damit mehr Bürger auf Bus und Bahn umsteigen und der ÖPNV-Betrieb in der Konsequenz wirtschaftlicher wird?

Im Mai, wohl mit drängendem Hintergedanken, verschickte ein MVG-Sprecher ungefragt „Hintergrundinformationen“ an die Medien. Betreff: „Renaissance der Straßenbahn“. Darunter ein Bericht vom Straßenbahn-Magazin, der in Mülheim das „Stilllegungsgespenst“ umhergehen sieht – und darauf verweist, dass gerade Städte, die wie Köln, Freiburg, Kassel oder Dresden konsequent auf die Schiene gesetzt hätten, immer neue Rekordwerte bei Fahrgastzahlen vermelden könnten. Eine Umstellung von Tram auf Bus, so heißt es, gehe stets mit einer Abwanderung von Fahrgästen einher.

Nicht vom Spardiktat in die Enge treiben lassen

Ausbau statt Abbau. Dies fordern, wie der Fahrgastverband Pro Bahn Ruhr, auch Mülheims Grüne. Deren verkehrspolitischer Sprecher Axel Hercher hatte erst jüngst bei einem Rundgang auf der einst geplanten, aber nie realisierten Straßenbahntrasse zwischen Heuweg (Broich) und Saarner Kuppe seine Position klar gemacht: Stilllegungen seien kein Allheilmittel. Hercher mag sich nicht vom Spardiktat in die Enge treiben lassen, er rät zur Gegenoffensive. Straßenbahn habe Zukunft. Weil mit ihr bequemer und schneller von A nach B zu kommen sei.

Die Grünen wollen die alten Pläne für die Bahn zwischen Broich und Saarn noch einmal geprüft sehen. Ihnen geht es dazu um einen Umbau des kostspieligen Schienennetzes, in dem sechs Linien auf zwei Spur- und gar mit drei Fahrzeugbreiten unterwegs sind. Dieser Umstand macht etwa den Betrieb des 1998 eingeweihten Ruhrtunnels so ungemein teuer.

Nur die 102 und die 901 queren derzeit die Ruhr. Da die 102 auf Meter- und die 901 auf Normalspur fährt, sind drei Schienen notwendig. Nur zehn Bahnen, die stündlich den Tunnel passieren, lassen den Unterhaltungsaufwand nicht in annehmbarer Relation zur geschaffenen ÖPNV-Leistung stehen.

Investitionen in Ruhrtunnel fraglich

Es krankt im System – die Grünen wollen hier heilen, wohl wissend, dass dafür eine Menge Geld in die Hand zu nehmen wäre. Sie wollen die Meterspur, die Linie 102 (Uhlenhorst – Oberdümpten), aus dem Tunnel verbannen. Ihr Gegenentwurf: Die U 18 soll nicht länger am Hauptbahnhof enden, sondern von dort aus den Weg zum Uhlenhorst nehmen. Die aus Duisburg kommende 901 sollte vom Hauptbahnhof weiterfahren und die 102 bis nach Oberdümpten ersetzen.

Vorteil, so Hercher jüngst beim Ortstermin in Broich: Im Ruhrtunnel müsste nur mehr eine Spurbreite vorgehalten werden. Es blieben allerdings vorerst zwei Fahrzeugbreiten, die Stadtbahnwagen der U 18 würden momentan gar nicht an den Bahnsteigen im Tunnel vorbeipassen; so wäre auch hier reichlich zu investieren.

Der weitere Nutzen (außer der Verbannung der Meterspur), so Hercher, könne sich in Absprache mit Duisburg ergeben. In ein paar Jahren seien an der Duisburger Straße die Voraussetzungen geschaffen, dass dort auch breite Stadtbahnwagen rollen könnten. Wenn Duisburg bereit wäre, auf der Strecke auf diese Fahrzeuge umzustellen, könnte die MVG den Tunnelbetrieb auf ein Gleis reduzieren.

Ergebnis: eine Meterspurbahn weniger, ein in der Unterhaltung dauerhaft günstigerer Tunnel. Aber es müsste kräftig investiert werden – schwer vorstellbar, dass sich hierfür eine Ratsmehrheit begeistert.