Mülheim. .
Dass Migranten mehr Gewicht in politischen Ämtern und Parteien erhalten, ist für Enver Sen eine alte Forderung. „Allerdings“, so Sen, der als einziger Politiker mit Migrationshintergrund für die SPD im Rat sitzt, sollte der Werdegang genauso wie der eines deutschen Politikers ablaufen. Sen, der auch Vorsitzender des Integrationsrates ist, ist quasi ein Zuwanderer der ersten Generation, hat vom Plakatekleben im kleinen Ortsverband an, Schritt für Schritt seinen Weg in den Rat mit allen möglichen Widrigkeiten gemacht.
Und er weiß: „Wenn sich die politischen Strukturen nicht lockern, muss man ernsthaft darüber nachzudenken, wie man Zuwanderer mehr einbindet.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel ging noch weiter und forderte eine 15-Prozent-Migranten-Quote für die Führungsebene. Sen stimmt zu, wenngleich die Gefahr bestehe, als „Quoten-Migrant“ abgestempelt zu werden, der deswegen mit mehr Schwierigkeiten zu kämpfen habe.
Frauenquote als Vorbild?
Mehr Migranten sollten motiviert werden, sich in der Politik zu engagieren. Als Starterleichterung ins politische Leben wäre eine Quote auf jeden Fall dienlich, nur müssten beide Seiten damit umzugehen lernen: „Keinem Migranten wird es gefallen, als Alibi-Mandatsträger dort zu sitzen.“ Es müsse ein grundsätzliches Umdenken stattfinden. Sen nimmt die Frauenquote als Beispiel:, „Wir haben gesehen, dass es nützlich war für die Entwicklung“. Diesen Nutzen könnte man auch auf die Migranten-Frage ummünzen. „Sie müssten aber unter Beweis stellen, dass sie in der Lage sind, sich für die Interessen der Gemeinden und des Landes zu engagieren.“ Am Ende sieht Sen einen Gewinn für die politische Landschaft.
Das sieht der CDU-Fraktionsvorsitzend anders: „Quoten finde ich idiotisch “, sagt Wolfgang Michels, „entweder kommen die Leute von sich aus oder nicht“. Die Christdemokraten würden versuchen, die Integration zu realisieren. Und sich auch darum kümmern, an Migranten heranzukommen. Auf dem letzten Parteitag habe ein türkischstämmiger Bürger geredet, gestern gab es im Ruhrkristall einen Vortrag über Migration. „Die Integration habe wir uns als einen Schwerpunkt auf die Fahne geschrieben.“
"Es klappt mit der Einbindung noch nicht"
Dennoch ist der Anteil in den Parteien gering. Nicht anders bei den Grünen: Gerade einmal zehn Mitglieder haben einen Migrationshintergrund. Dabei ist Grün soeben im Aufschwung. „Es klappt mit der Einbindung noch nicht“, sagt Vorstandssprecherin Ingrid Tews selbstkritisch, den Migranten fehlten die Ansprechpartner und häufig sprachliche Kenntnisse. Dabei gäbe es genug Grüne Themen, für die sich Migranten engagieren könnten: Rechtsradikalismus, Bildung, Wahlrecht zählt sie auf. Geschäftsführerin Eva Weber sieht dagegen nicht nur das Problem für Migranten, sich neben ihrem Alltag noch in die Politik einzubringen, sondern außerdem eine immer noch große Politikverdrossenheit in der Bevölkerung. Eine Migrantenquote hält Tews für „eine gute Idee, bei den Frauen hat sie sich bewährt. Die Quote wäre ein Anreiz für Parteien, sich gezielt für diese Gruppe zu öffnen.“
Gegen einen festgelegten Migranten-Anteil spricht sich allerdings der FDP-Fraktions-Chef aus: „Mit den Quoten haben wir es nicht so“, sagt Peter Beitz. Jeder, der sich bei den Mülheimer Liberalen engagieren wolle, der könne das auch tun – ungeachtet der Nationalität.