Mülheim. .
„Eigentum verpflichtet“, heißt es - doch nicht jeder Hausbesitzer kommt seinen Verpflichtungen nach: Leerstehende Häuser gibt es in ganz Mülheim. Doch das Recht einzugreifen hat die Stadt nur, wenn von dem Gebäude „Gefahr für Leib und Leben“ ausgeht.
„Eigentum verpflichtet“, behauptet ein Sprichwort. Dass aber nicht jeder Hausbesitzer seinen Verpflichtungen nachkommt, zeigt sich immer wieder: Leerstehende Häuser gibt es in ganz Mülheim. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Möglichkeiten für die Stadt, etwas dagegen zu unternehmen, hingegen sind gering.
Der Plattenladen an der Oststraße scheint wie eingefroren. „B-Side – An- und Verkauf“ steht auf dem Schild, die Kisten voller Vinyl im Verkaufsraum sind mit Schutzplastik abgedeckt. Der Staub darauf lässt ahnen, wie lange sie dort unbewegt stehen. Ebenso die im Schaufenster ausgestellten Alben: „Arme Armee“ von den Lokalmatadoren, Erscheinungsjahr: 1991. 15 Jahre, schätzt ein Nachbar, sei der Laden so. Mehr weiß er nicht.
Bei der Troostschen Weberei streiten sich Erben seit Jahren
Doch die Geschichte des Lädchens interessiere viele: „Ich werde oft gefragt.“ Antworten hat vielleicht der Hauseigentümer, doch der ist die Duisburger Conle Gruppe und deren Mitarbeiter machen gleich dicht: „Anfragen werden nur beantwortet, wenn sie postalisch gestellt werden.“ Punkt.
Reaktionen wie diese kennt Denkmalpfleger Erich Bocklenberg. Eigentum mag verpflichten, aber: „Manchmal ist es schwer, jemanden zu finden, den man verpflichten kann.“ Wenn sich etwa eine Erbengemeinschaft über die Zukunft eines Gebäudes nicht einig wird. Bekanntes Beispiel dafür ist die Troostsche Weberei. Von dem ab 1790 errichteten Gebäudekomplex, einst bedeutend für die industrielle Entwicklung Mülheims, blieben nur drei Gebäude in unterschiedlich gutem oder vielmehr schlechtem Zustand, bedroht von Verfall und Feuchtigkeit.
"Häuser altern in der Regel mit ihren Bewohnern."
„Ein Geziehe und Gezerre“ herrsche da seit Jahren, sagt Bocklenberg. Kaum öffneten sich Lösungstüren, gingen sie wieder zu. „Es gibt viele Beteiligte, die alle in eine unterschiedliche Richtung wollen.“ Bocklenberg selbst könne nur „motivieren“, den Weg zum Erhalt zu wählen.
Doch nicht nur Denkmäler hat Erich Bocklenberg im Blick. Immer wieder rufen Menschen bei ihm an, die auf ein verlassenes Haus in der Nachbarschaft aufmerksam machen. Und ganz oft haben diese Leerstände finanzielle Gründe. Denn: „Häuser altern in der Regel mit ihren Bewohnern.“ Soll heißen: Ältere Menschen renovieren selten ihre Häuser. Ein neues Bad, eine moderne Heizungsanlage empfinden viele als unnötig, besonders wenn es keinen Wohn- und Nutzungsnachfolger gibt.
Die Stadt greift fünf- bis zehnmal im Jahr ein
Und so hinterlassen sie stark sanierungsbedürftige Häuser, die sehr teuer wieder in Schuss zu bringen oder nur schwer zu verkaufen sind. In Saarn, in Styrum kennt Bocklenberg solche Beispiele und weiß, dass die Häuser „vor sich hin gammeln“, teils über Jahre. Noch aussichtsloser sind Motivierungsversuche oft, wenn der Inhaber weit weg wohnt oder, wie im Fall des Plattenladens, ein großes Unternehmen ist.
Das Recht einzugreifen hat die Stadt nur, wenn von dem Haus „Gefahr für Leib und Leben“ ausgeht, wie Stadtsprecher Volker Wiebels erklärt. Herabfallende Gebäudeteile, Einsturzgefahr oder auch Ratten zählt er dazu. Dann ist allerdings das Bauordnungsamt zuständig und sorgt dafür, dass die Gefahrenquellen beseitigt werden – entweder vom Besitzer selbst oder die Stadt schickt ihm eine Rechnung. „Fünf bis zehn Mal im Jahr“, sagt Wiebels, komme das vor.
Doch positive Beispiele gibt es auch: Da ist die Jugendstilhalle, die ehrenamtlich zum Haus der Vereine umgebaut wird und die Villa an der Scheffelstraße. Das Haus am Dichterviertel stand kurz vorm Abriss. Jetzt scheint es, als hätte sich ein Interessent gefunden, der das Denkmal renoviert. Doch bis es vielleicht zu so einem Erfolg kommt, vergehen oft Jahre.