Mülheim. .
Vor genau einem Jahr schloss der Kaufhof an der Schlossstraße nach 78 Jahren für immer seine Pforten. Die meisten der zuletzt 78 Angestellten des Mülheimer Kaufhofs sind jedoch nicht arbeitslos geworden. Die Mehrheit hat unmittelbar nach der Schließung des Traditionshauses einen neuen Job gefunden: beim Kaufhof.
Ein sonniger Nachmittag auf der Leineweberstraße im Cafe Intermezzo. Auch die Stimmung ist prächtig. 35 ehemalige Angestellte des Mülheimer Kaufhofes sehen sich teilweise zum ersten Mal nach einem Jahr wieder. 28 Damen und sieben Herren tauschten stundenlang Erinnerungen und Anekdoten aus. Sie wollen sich hier jetzt immer einmal im Jahr treffen, zum Jahrestag der Schließung.
Mittendrin in der langen Tischreihe sitzen Rüdiger Vogt aus Holthausen (57), Heike Lomberg aus Speldorf (48) und Monika Kirchesch aus Duisburg-Homberg (60). Alle drei kennen sich schon lange, seit Jahrzehnten. Vogt fing beim Mülheimer Kaufhof bereits 1968 an, Monika Kirchesch 1972 und Heike Lomberg 1987. Die beiden Damen haben in Mülheim immer eng zusammengearbeitet, die gleichen Positionen durchlaufen: Personalbüro, Hauptkasse, Poolbüro, Telefonzentrale, Vorzimmer, Chefzimmer. Heike Lomberg: „Verwaltungsmäßig sind wir beide da überall durchschleust worden.“
Schließung war Schock
Rüdiger Vogt arbeitete 42 Jahre als Hausinspektor des Mülheimer Kaufhofes. Er war das „Mädchen für alles“. Vogt: „Ich war mehr im Kaufhof als zu Hause. Die Schließung war ein ganz schöner Schock.“
Die drei haben – wie die meisten der Angestellten hier - Glück gehabt: Das Trio wechselte im Juni 2010 geschlossen zum Kaufhof im Oberhausener Centro und arbeitet dort bis heute in den gleichen, gewohnten Funktionen, fast zu den gleichen Konditionen.
Feierabend im Kaufhof
Trotzdem ist etwas Wehmut zurück geblieben: „Es war eine sehr schöne Zeit. Wir waren hier wie eine große Familie“, berichtet Monika Kirchesch, die lange in Mülheim wohnte, bevor sie vor 15 Jahren in den Westen Duisburg umzog. „Je länger man im Kaufhof zusammen arbeitete, desto schöner war es. Es ist mir sehr schwer gefallen, woanders hinzugehen. Ich bin zwar jetzt immer noch beim Kaufhof. Und man wird in Oberhausen gut aufgenommen. Es ist auch eine schöne Arbeit. Aber diese Mülheimer Familie fehlt mir.“ Eine Einschätzung, die alle, die sich hier an diesem Tag treffen, teilen.
Arbeitsdruck war früher nicht so groß
Der langjährige Betriebsrat Rüdiger Vogt erinnerte sich: „Als wir beim Kaufhof in Mülheim Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre anfingen, waren in Spitzenzeiten, zum Beispiel im Weihnachtsgeschäft, bis zu 1300 Frauen und Männer angestellt. Früher war der Arbeitsdruck nicht so groß wie heute.“ Später habe es jahrelang viele Umstrukturierungen im Haus gegeben: „Alte Abteilungen wurden zugemacht, neue aufgemacht. Dieser Wechsel war völlig normal.“ Außerdem seien zahlreiche Aufgaben des Kaufhauses zunehmend ausgelagert worden, um die Personalkosten zu senken: „Zum Beispiel der Warendurchlauf und die Preisauszeichnung.“ So sei das Personal beim Kaufhof immer weiter abgebaut worden.
„Es hat aber nie große Entlassungswellen gegeben“, so Vogt. „Die meisten Kollegen sind in andere Filialen umgesetzt worden oder sind durch Vorruhestand oder Altersteilzeit ausgeschieden.“ Kaufhof hätte vor einem Jahr fast allen Mitarbeitern ein Übernahmeangebot gemacht. Dafür habe sich der zweite Geschäftsführer Wolfgang Knösel stets eingesetzt.
Vogt: „Es gab nur wenige, die dieses Angebot nicht angenommen haben, meist aus persönlichen Gründen.“ Tatsächlich wechselten die meisten Mülheimer Angestellten zu den umliegenden Kaufhof-Filialen nach Duisburg an der Düsseldorfer Straße, nach Oberhausen zur Marktstraße und ins Centro oder in das Kaufhaus in der Essener City. Einige müssen aber seit zwölf Monaten weit längere Fahrtzeiten in Kauf nehmen, denn sie arbeiten jetzt in den Zweigstellen in Witten, Gelsenkirchen oder Düsseldorf.
Wie gut das Betriebsklima im Mülheimer Kaufhof war, bewies der Besuch einer ehemaligen Kollegin. Ruth Danzer, inzwischen im Ruhestand, reiste aus Billerbeck im Münsterland zum „Familientreffen“ an der Leineweberstraße an. Es soll nicht das letzte Mal gewesen sein. . . .