Mülheim. . Kinder sollen künftig durch das Jugendamt intensiver betreut werden: Das hat der Bundestag vor wenigen Tagen beschlossen. In Mülheim freut man sich darüber. Beim Kommunalen Sozialen Dienst muss man sich jetzt auf die neuen Gegebenheiten einstellen.

Die Bundespolitik möchte mehr Kinderschutz in den Kommunen. „Diese Entscheidung ist zu begrüßen. Es geht darum, den Mündeln mehr Zeit zu widmen“, sagt Martina Wilinski, Leiterin des Kommunalen Sozialen Dienstes (KSD), in Mülheim zuständig für Familien und Kinderschutz. Das Parlament hat vergangene Woche das Betreuungsrecht geändert und strengere Auflagen für die Jugendämter beschlossen. Künftig muss jeder Vormund ein von ihm betreutes Kind einmal im Monat besuchen. Damit der Sachbearbeiter das auch schafft, ist er oder sie künftig für maximal 50 Kinder zuständig – bisher dürfen es 120 sein.

Der Entwurf sei schon vorher bekannt gewesen, die politische Entscheidung müsse nun in Mülheim umgesetzt, Personalfragen verwaltungsintern geklärt werden. „Wir müssen uns neu aufstellen“, sagt Wilinski. Für 97 Kinder und Jugendliche gibt es derzeit Vormundschaften beim KSD, die Sachbearbeiter kämen auf eine höhere Quote als 50 Mündel. Die Fachkräfte für den sozialen Dienst seien aber auch nicht ausschließlich für Vormundschaften tätig. Einige hätten nur Teil-Vormundschaften, etwa für die Gesundheitsförderung, das Aufenthaltsbestimmungsrecht, oder Amtsvormundschaften für minderjährige Mütter.

Seit 2006 hat sich einiges entwickelt

Hintergrund der Berliner Entscheidung, strengere Auflagen für die Jugendbehörden zu machen, ist u.a. der Fall des zweijährigen Kevin, der 2006 in Bremen misshandelt und schließlich tot in einem Kühlschrank gefunden wurde. Wenn man die Gesetzgebung betrachtet, habe sich seit 2006 schon einiges in Sachen Kinderschutz entwickelt, meint Martina Wilinski. Sie verweist etwa auf die präventiven „frühen Hilfen“: Familienbesuche schon während der Schwangerschaft.

Der KSD musste im vergangenen Jahr 26 Kinder in Obhut nehmen, also gegen den Willen der Eltern in Pflegefamilien oder eine Einrichtung bringen. 2009 waren es 35 Kinder, doch das sei nicht allein aussagekräftig: Während die KSD-Mitarbeiter 2009 noch 106 Hinweisen nachgingen, waren es 2010 schon 149.

Martina Wilinski sieht das durchaus positiv: „Die Gesellschaft ist sensibler geworden.“ Auch funktioniere das soziale Frühwarnsystem in der Stadt, wenn es um misshandelte oder vernachlässigte Kinder gehe: Die Zusammenarbeit mit Kitas, Schulen, Kinderärzten, der Polizei und der Sozialagentur funktioniere, betont Wilinski. „Wir haben hier gute Grundlagen, auf denen wir mit dem neuen Gesetz aufbauen können.“ Über die Finanzierung müsse man noch reden. „Aber wenn wir nicht in die Kinder investieren, wo dann? Das gibt’s nicht zum Nulltarif.“