Bochum. .

Zeus-Reporter besuchten das Jugendamt Bochum und trafen dort auf Mitarbeiter Peter Kraft. Im Interview spricht er über Fehler der Vergangenheit und den Umgang mit Problemfamilien.

Wie viele Problemfälle gibt es jährlich?

Peter Kraft: Das kann man schwer einschätzen. Also es sind rund tausend Fälle im Jahr, in denen wir Hilfe zur Erziehung einrichten müssen. Das sind dann Fälle, bei denen direkt Unterstützung und Maßnahmen für die Familien eingeleitet werden. Natürlich gibt es dann auch eine unheimlich große Menge an Beratungsfällen, wo in Not geratene Jugendlichen oder Eltern, die Schwierigkeiten haben, beraten werden.

Was war denn der schlimmste Fall, der Ihnen bekannt ist?

Der wirklich schlimmste Fall, der passierte, war im Jahr 2005. Da ist der sieben Monate alte Justin sehr schwer von seinem Stiefvater verletzt worden. Er ist auch deshalb verurteilt worden. Dies war für uns alle ein ganz schlimmer Fall, weil da das Jugendamt bedauerlicherweise zu spät gekommen ist. Deshalb haben wir daraus gelernt, dass wir über verschiedene Notrufe schnell zur Stelle sein können, um zu helfen.

Wann greift das Jugendamt ein?

Der Kinderschutz ist bei uns mit klaren Regelungen organisiert worden. Da guckt man natürlich mit welchem Grad oder in welchem Stadium die Kinder und Eltern sich befinden. Das heißt, man will natürlich so früh wie möglich schon da sein und Hilfe anbieten. Wir haben mit allen Organisatoren, die mit Kindern, Jugendlichen und Familien zu tun haben, Verträge abgeschlossen, damit sie genau wissen, was sie zu tun haben. Es gibt Instrumentarien, beispielsweise ein Einschätzungsbogen für die Risiko-Faktoren, woran man auch ablesen kann, ob Anzeichen von Gefährdung bestehen oder nicht. Mögliche Risiko-Faktoren sind Ernährung, Kleidung, Erziehungsfähigkeit und Verwahrlosung.

Sind die Problemfamilien nur aus armen oder auch aus reichen Familien?

Finanzielle Not hat sicherlich einen Einfluss darauf. Aber man kann nicht grundsätzlich sagen, dass die Anzahl an Fällen von Kindeswohlgefährdung bei einkommensschwachen Familien größer ist als bei denen, die relativ gut abgesichert sind. Es kommt immer darauf an, was die Menschen tun, wie sie sich verhalten und wie sie sich um ihre Kinder kümmern. Manche sagen: „Hier ist dein Essen und der Fernseher, mach was du willst, aber lass mich in Ruhe.“ Das ist natürlich keine gute Erziehungsmethode. Zur Erziehung gehört mehr: Zuneigung, Liebe, Verständnis und dass man mit den Kindern auch gemeinsam etwas unternimmt. Wenn einer nur immer abgewiesen wird und die Eltern keine Zeit haben, um sich mit dem Kind auseinanderzusetzen, dann spricht man auch schon von Kindeswohlgefährdung.

Passiert es oft, dass das Jugendamt die Vormundschaft für Kinder übernimmt?

Es passiert schon oft. Wenn Eltern nicht in der Lage sind, wird das zum Beispiel vom Familiengericht entschieden. Wir hatten im vergangenen Jahr 47 Verfahren vor Gericht. Danach entscheidet man, ob das Jugendamt die Vormundschaft behält oder ob man das Kind an eine Privatperson weitergibt.

Wie verhalten sich da die Eltern?

Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Fälle, da sagen die Eltern: „Ja, ist egal. Interessiert mich nicht.“, aber es gibt auch Fälle, in denen die Eltern ziemlich aggressiv reagieren und die Entscheidung als schweren Eingriff in ihr Leben und ihre Selbstbestimmung empfinden.

Wie lange arbeiten Sie schon hier?

Ich arbeite insgesamt bei der Stadt Bochum schon 26 Jahre und davon 19 Jahre beim Jugendamt. Ich hatte schon immer Spaß an der sozialen Arbeit. Deshalb habe ich ein Praktikum gemacht und festgestellt, dass mir diese Arbeit gefällt. Daraufhin habe ich Sozialarbeit studiert und 1985 bei der Stadt Bochum angefangen.

Wie viele Mitarbeiter sind beim Jugendamt beschäftigt?

Wir haben im Moment 500 Mitarbeiter, davon sind circa 150 Erzieher und Erzieherinnen, die in Kindertageseinrichtungen arbeiten.

Jessica Johnsen, Julia Hintermeyr, Klasse 8b, Schiller-Schule Bochum

(Dieser Artikel wurde erstmals während des Zeus-Projekts im Dezember 2010 veröffentlicht.)