Mülheim. Angelika Thewes und Dr. Markus Jordan pflegen ihre Angehörigen. Beide erzählen ihre unterschiedlichen Geschichten, die doch einiges gemeinsam haben. Fakt ist: Eine Pflege bringt die Familie zwar zusammen, ist aber auch eine große Herausforderung.

„Man muss sehen, dass man selbst noch da ist, sonst geht man unter.“ Dr. Markus Jordan sagt diesen Satz am Ende des Gesprächs, praktisch als Fazit, und Angelika Thewes kann dazu nur nicken. Denn wenn sich die eigene Freizeit praktisch nur noch darum dreht, sich um einen anderen Menschen zu kümmern, kümmert man sich schnell zu wenig um sich selbst. Beide, Angelika Thewes und Markus Jordan, pflegen ein schwerst pflegebedürftiges Elternteil und wissen daher, wovon sie reden.

Es kam ohne Vorwarnung, am einen Tag ging es Angelika Thewes’ Mutter noch gut, am nächsten erkannte sie sie nicht mehr wieder. Eine Gehirnblutung war der Anfang einer Reihe von Erkrankungen, an deren Ende Pflegestufe 3 stand. Und „von heute auf morgen bricht eine Welt zusammen“. Heute kann die 52-Jährige gefasst das Geschehene beschreiben, doch es war ein schweres Jahr, bis sie sich 2010 entschied, ihre Mutter in ein Pflegeheim zu geben.

"Sie ist im Heim gut aufgehoben. Ich mache das für sie Beste"

Jeden Tag besuchte sie die 72-Jährige im Krankenhaus, um zu schauen, wie es ihr ging, weil sie sich „verantwortlich fühlte“. Das blieb auch so, als sie das für sie beste Pflegeheim gefunden hatte: „Ich habe sie vier Mal die Woche besucht, war drei, vier Stunden lang da.“ Nach Feierabend machte sie das, neben ihrer Vollzeitstelle als Sekretärin. Das „schlechte Gewissen“, die Mutter ins Heim gegeben zu haben, trieb sie hin, zwang sie zu schauen, wie es der alten Dame ging, bis sie nach Monaten merkte: „Ich kann so nicht weitermachen.“ Und: „Sie ist im Heim gut aufgehoben. Ich mache das für sie Beste.“ Inzwischen fand sie die Balance und kam zu der Erkenntnis: „Ich kann nichts ändern.“

Markus Jordan pflegt seinen Vater zu Hause. Gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Frau kümmert er sich um den alten Herrn, der nach Durchblutungsstörungen beide Beine verlor, der mehrmals in der Woche zur Dialyse muss, der nicht mehr alleine sitzen kann.

Urlaube, in denen man nicht richtig abschalten kann

Vor Jahren bat Herr Jordan senior seinen Sohn: Bitte steck’ mich nicht ins Heim. „Man sagt dann so lax ja“, erinnert sich Markus Jordan. An diesem Versprechen hält Familie Jordan seit nun fast einem Jahr fest, obwohl der 37-Jährige einräumt, dass es schwer ist, dass man oft einfach nur noch funktioniert: „Es ist zermürbend.“ Und so sagt der Mediziner auch: „Man muss jeden Tag die Lage kritisch prüfen, schauen, geht es noch.“

Es sind unterschiedliche Pflegegeschichten, die die beiden erzählen – und dennoch gibt es viele Gemeinsamkeiten. Von Urlauben berichten sie, in denen man doch nicht abschalten oder entspannen kann. Von einer „Situation, die ohnehin schlecht ist, die man aber für sich bestmöglichst gestalten muss“. Beide sprechen auch von ihrer Familie, die zusammengerückt ist, von Nachbarn und Freunden, die Unterstützung anbieten, die einfach da sind. So macht man dann weiter, Tag für Tag, weil man es ja auch will.