Mülheim. .

Neue Runde im Streit um Pflege-Defizite im Mülheimer Pflegezentrum Bonifatius: Nachdem der Betriebsrat schwere Vorwürfe erhoben hatte, meldet sich jetzt die Geschäftsleitung zu Wort. Nichts davon sei wahr – und man prüfe juristische Schritte.

Missstände in der Pflege durch eine personelle Unterbesetzung beklagt der Betriebsrat im Bonifatius-Haus. Die Vorwürfe stimmen nicht, sagt der Vorstandsvorsitzende der Maternus-Kliniken AG, Dietmar Meng. Mehr noch: Die Geschäftsführung prüft juristische Schritte gegen den Betriebsrat. „Wir sind hoch alarmiert, wenn etwa behauptet wird, wir würden durch externe Kräfte die Pflegedokumentationen nachträglich aufarbeiten und verfälschen“, so Meng. Das sei Verleumdung.

Das Bonifatius-Haus am Hingberg, wo knapp über 200 Bewohner leben, gehört zur Maternus AG und die wiederum zur Cura-Gruppe mit 50 Senioreneinrichtungen in ganz Deutschland. Nur in Mülheim gebe es immer wieder „Stunk“ mit dem Betriebsrat, heißt es. Die zuständige Regionaldirektorin Heidelore Neumann wirft ihm ebenfalls vor, die Unwahrheit zu verbreiten. Das eine Pflegekraft für über 20 Bewohner zuständig sei, stimme einfach nicht. Es gebe gerade in den vergangenen Jahren immense Fortschritte in der Pflege.

Unbeeindruckt

Der Betriebsrat zeigt sich unbeeindruckt und bleibt bei seinen Vorwürfen: „Drei Pflegekräfte für 50 Personen, zwei Kräfte für 45 Bewohner, das können wir belegen“, sagt der Vorsitzende Herbert Fischer. Das seien Dienstpläne, da könne sich jeder ausmalen, wie eine Versorgung aussehe. Seine Forderung: „Um eine vernünftige Pflege leisten zu können, die den Menschen im Alter gerecht wird, müssten wir für 50 Bewohner zwei examinierte Fachkräfte und zwei nichtexaminierte sowie eine Hilfe für hauswirtschaftliche Dienste einsetzen können.“ Davon sei man weit entfernt.

Über 1000 Überlastungsanzeigen durch Mitarbeiter weist das Heim in diesem Jahr bereits auf. Auch das, so der Betriebsrat, sei belegbar. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Heimaufsicht habe man auch deshalb gestellt, weil die Aufsicht diese Unterbesetzungen, die zu Mängel in der Pflege führten, toleriere.

Urlaubs- und Weihnachtsgeld

Ein weiterer Streitpunkt im Heim bleibt das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das sich die Beschäftigten vor Gericht erstreiten müssen. Eine feste Vereinbarung für das Weihnachtsgeld will Meng nur eingehen, wenn die Belegschaft festgelegte Leistungen erfülle, ihm schwebt ein Prämiensystem vor. Ziel des Hauses müsse es sein, so Meng, dass es gut und konkurrenzfähig bleibt.

Die hohen Belastungen in den Pflegeberufen erkennt der Vorstandsvorsitzende an. Für ihn ist das ein systemimmanentes Problem. „Die Branche muss viel mehr als bisher auf die Gesundheit ihrer Beschäftigten achten“, betont er. Zu wenig werde bisher getan. Er verweist auf hohe Krankenstände, auch im Haus Bonifatius. „Wir werden uns in Zukunft mehr um die Gesundheit unserer Mitarbeiter kümmern“, verspricht Meng.

Neue Wohnformen und zusätzliche Angebote

Überhaupt müsse die Branche verstärkt darüber nachdenken, wie sie den Beruf attraktiver mache. „In den nächsten Jahren werden bundesweit 70 000 Pflegefachkräfte fehlen.“ Die Frage der Betreuung und Versorgung wird aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden dazu führen müssen, dass man neue Wohnformen und zusätzliche Angebote schafft. Auch die Finanzierung müsse neu beantwortet werden. „Gerade in Ballungsräumen wie das Ruhrgebiet, wo viele ältere Menschen im Alter allein leben, brauchen wir mehr soziale Netze.“