Mülheim. .
Die Diskussion um das Alten- und Pflegezentrum Bonifatius in Mülheim geht in eine neue Runde: Jetzt hat die Heimaufsicht das Haus besichtigt – und fand die vom Betriebsrat vorgebrachten Vorwürfe der mangelhaften Pflegesituation so nicht haltbar.
Die städtische Heimaufsicht unternahm am Donnerstag einen Rundgang durch das Bonifatius-Haus und befand: Die Mängel-Vorwürfe sind so nicht haltbar. Der Betriebsrat bleibt dagegen bei seiner Kritik.
Die kontroverse Diskussion um das Alten- und Pflegezentrum Bonifatius an der Hingbergstraße geht weiter. Sowohl SPD als auch CDU greifen die Beschwerden und Vorwürfe des Betriebsrates auf und wollen die Situation des Haus im nächsten Gesundheitsausschuss behandeln. Inzwischen steht jedoch auch der Betriebsrat selbst in der Kritik: Hat er die Unwahrheit verbreitet?
Personell heillos unterbesetzte Wohnbereiche, Defizite in der medikamentösen Versorgung der Heimbewohner, wahllose Verlegungen der Bewohner, nicht ausreichende Versorgung mit Flüssigkeit – der Betriebsrat hatte sich mit seiner massiven Kritik an den zuständigen Landesverband der Pflegekassen und an die Heimaufsicht Mülheim gewandt (WAZ berichtete) mit der Bitte: Tut was!
„Vorwürfe nicht haltbar“
Die Heimaufsicht der Stadt hat umgehend reagiert, gestern war sie mit vier Kräften, darunter die Amtsapothekerin, vor Ort, hat sich auf den Wohnebenen umgesehen, mit Bewohnern und Pflegekräften geredet, Pflegedokumentationen überprüft, aber auch den Ernährungs- und Pflegezustand einzelner Bewohner kontrolliert. Ergebnis: „Die vom Betriebsrat erhobenen Vorwürfe sind in der Form nicht haltbar“, sagt Saskia auf der Heiden von der Heimleitung im Gespräch mit der WAZ. „Wir haben keinen Bewohner gefunden, der durch personelle Engpässe einen körperlichen Schaden erlitten hat.“ Auch die personelle Ausstattung des Hauses insgesamt gebe keinen Anlass zur Kritik. „Wir können allerdings keine Aussagen über die personelle Situation einzelner Abteilungen machen.“
Im Bonifatius-Haus, das zum privaten Träger Maternus GmbH gehört, gab es unterschiedliche Reaktionen auf die Bewertung und das Vorgehen des Betriebsrates. Das Vorgehen wurde im Haus sowohl begrüßt wie auch scharf kritisiert. Es habe wegen mehrerer Krankheitsfälle Engpässe gegeben, hieß es, aber die seien behoben.
Der Betriebsrat hat inzwischen auch das Amt für Arbeitsschutz eingeschaltet. Allein in diesem Jahr, so der Vorsitzende Herbert Fischer, habe es schon rund 1000 so genannte Überlastungsanzeigen gegeben. Diese würden immer dann geschrieben, wenn vom Personal die erforderliche Leistung nicht in der vorgegebenen Zeit erbracht werden könne.
8,50 Euro Stundenlohn
Die WAZ erreichten ebenfalls unterschiedliche Leser-Reaktionen auf die bisherige Berichterstattung: „Mein Vater war über sieben Jahre im Bonifatius-Haus. Die Pflegekräfte und Mitarbeiter haben sich, trotz offensichtlich dünner Personaldecke, sehr aufopferungsvoll und über ihre Pflichten hinaus um meinen Vater gekümmert. Von daher kann ich die beschriebenen Missstände in diesem Falle nicht bestätigen“, berichtet uns ein Mülheimer. Eine Seniorin hingehen unterstreicht die Schilderungen des Betriebsrates: „Weit und breit ist auf den Wohnebenen keine Pflegekraft zu finden. Sie können schellen und schellen – es kommt keiner.“
Beim Betriebsrat macht sich noch eine andere Sorge breit: Fischer fürchtet, dass künftig vermehrt Pflegekräfte über die neue Gesellschaft „Maternus Häuslicher Pflegedienst GmbH Ruhrgebiet“ eingesetzt werden. Erste Verträge, die vorliegen, weisen für einen Pflegeassistenten 8,50 Euro Stundenlohn aus. Fischer: „Deutlich unter Tarif.“
Die Maternus GmbH erklärt dazu: Die Mitarbeiter in der Pflege werden in der Regel deutlich über dem gesetzlich vereinbarten Mindestlohn bezahlt, keiner darunter. Eine eigene Gesellschaft für „Billigpersonal“ gebe es nicht. Die Dienstplanung hält sich strikt an die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Durch Urlaub, Krankheit und Fortbildung habe es jedoch in der Vergangenheit in Ausnahmen Mehrbelastungen für die Beschäftigten gegeben. Eine neue Betriebsvereinbarung soll dies ändern. „Die Versorgung und Betreuung der Bewohner war jedoch stets sichergestellt“, so Matthias Langer, Sprecher von Maternus.