Mülheim/Düsseldorf. .

Politisch gesehen gab es in Mülheim 2010 nur einen echten Gewinner: NRWs neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Doch die SPD in Mülheim hat sich in deren Glanz wenig wärmen können. Sie hat ein ungewöhnlich schwieriges Jahr hinter sich.

Politisch gesehen gab es in Mülheim 2010 nur einen echten Gewinner, eine Frau aus Dümpten: Hannelore Kraft. Polit-Professoren trauen ihr inzwischen sogar eine Kanzler-Kandidatur zu. So schnell geht’s bergauf in der Politik – aber auch in die andere Richtung.

Hannelore Kraft führte die SPD zurück an die Landesmacht, verhandelte über Wochen geschickt und mit Erfolg im Land ohne klare Mehrheiten, sie machte sich schnell auch bei den Menschen beliebt, die sie vielleicht nicht gewählt hatten. Doch die SPD in Mülheim hat sich im Glanz der Ministerpräsidentin wenig wärmen können. Sie hat ein ungewöhnlich schwieriges Jahr hinter sich, hat wie nie zuvor erleben müssen, dass sie zwar noch die politische Nummer Eins in der Stadt ist, aber eine Eins ohne Wert. Beim Flughafen, beim Haushalt, bei der Zukunftsschule bestimmten andere eine andere Richtung. Daran werden sich die Genossen gewöhnen müssen. Es fällt ihnen schwer, das ist ihnen anzumerken bis hin zur Oberbürgermeisterin. Politisch gibt es jedenfalls keinen Stillstand in der Stadt, neue Mehrheiten finden sich in diesem bunten Rat schneller, als mancher gedacht hatte.

Unspektakulär

Kurz vor Jahresschluss muss sich die SPD auch noch auf die Suche nach einem neuen Vorsitzenden machen, dem scheidenden Frank Esser gefiel das Gemunkel hinter den Kulissen über seinen Geschäftsführerposten beim Mülheimer Wohnungsbau und gleichzeitigen Parteivorsitz nicht mehr. Das hat Geschmäckle, erst recht in Mülheim, wo die Politiker noch argwöhnischer betrachtet werden als anderswo. Ein neuer Parteichef muss her – es drängt sich keiner auf.

Die Grünen spüren vor Ort nicht jene Euphorie, wie es vielleicht der bundesweite Höhenflug der Partei vermuten lässt. Sie waren durch Krankheit der Fraktionsspitze hart getroffen, gaben dennoch, etwa beim Flughafen, mit den Ton an. Die CDU hat nach ihrem Wahldebakel wieder Fuß gefasst, und die Liberalen lässt der bundesweite Absturz der Partei eher kalt, man gibt sich in der Ratsarbeit sehr selbstbewusst, hat insbesondere beim Haushalt klare Linie gezeigt: Schonung für das Portemonnaie der Bürger und Unternehmer war wie bei der CDU ihr Ziel. Die geplanten hohen Belastungen ließen sich auch wegen ihres Einsatzes nicht in der Stadt durchsetzen. Die Linken schließlich reagieren eher unauffällig, unspektakulär, kein Vergleich mit den Mülheimer Bürgerinitiativen, die bissiger denn je sind, ihren Widerstand verstärken.

Mit Ach und Krach

Ob bei der Schließung von kirchlichen Einrichtungen, bei Belastungen von Anwohnern durch Metallstäube, oder beim Verkauf der Jugendherberge, erst recht beim Gebührenhaushalt zeigen die MBI einen sehr engen Schulterschluss mit vielen Bürgern. Inhaltlich mögen sie dabei nicht immer richtig liegen, doch sie werden mehr und mehr als Kümmerer empfunden – mehr als es den anderen Parteien im Rat Recht ist.

Politische Skandale gab es in diesem Jahr keine, Probleme dafür zahlreiche. Der städtische Haushalt ist eines davon. Mit Ach und Krach wurde ein Doppelhaushalt irgendwie hingebogen, weit entfernt von einem großen Wurf, der nur dem Kämmerer gelang und ohne Mehrheit blieb. Das Kämpfen um Entlastungen für die Städte wird weitergehen müssen.

Eine starke Stimme

Das Bündnis „Raus aus den Schulden“ ist dabei zu einer starken Stimme geworden. Für OB Dagmar Mühlenfeld, die daran wesentlichen Anteil hat, dürfte es der größte Erfolg gewesen sein. Ansonsten war es für sie kein gutes Jahr:

Ihr Traum-Projekt Zukunftsschule wurde ihr nicht im Land, sondern vor Ort entrissen, der Flughafen, für dessen Entwicklung sie stets eingetreten ist, wurde von einer politischen Mehrheit als Auslaufmodell deklariert, mit der Wirtschaft geriet sie in Konflikte über die Gewerbesteuer, bei dem Dauerstreit um Transparenz und Gebühren sieht sie sich einem Strafantrag gegenüber. Sie kritisiert Geheimnisverrat aus nichtöffentlichen Sitzungen und muss beim Gegenschlag feststellen, dass sie auch dafür keine Mehrheit mehr hinter sich hat. Beim Neuvertrag zur Stromkonzession favorisiert sie sofort den bisherigen Partner RWE und wird ebenfalls zurückgepfiffen. Und das noch in der Schlussphase des Wahlkampfes quasi vor ihr aus dem Hut gezauberte Ruhrbanium wandelt sich in diesen Tagen vom Einkaufspalast am Ruhrufer zur Notherberge für die Fachhochschule. Es gab Zeiten, da machte das Amt des Stadtoberhauptes mehr Spaß und hatte mehr Gewicht.

Beifall von einer Seite

Ihr Bestreben, im Sinne der Stadt eine größere Gemeinsamkeit zu entwickeln, ein größeres Wir-Gefühl, hätte dabei durchaus mehr Unterstützung verdient gehabt. Und auch ihre vielleicht etwas schulmeisterlich vorgetragenen Visionen für Mülheim sind durchweg lohnenswerte Ziele: Stärkung des Wirtschaftsstandortes auch mit Hilfe der Hochschule, weitere Verbesserung des Bildungsangebotes, hin zu einer umweltfreundlichen Stadt, die ihre Wohnqualitäten pflegt und ausbaut. Beifall gab es nur von der eigenen Partei.

Dabei liegen gerade darin die zentralen Aufgaben für das kommende Jahr: der überfällige Umbau der Schullandschaft, die Entwicklung der Hochschule, neue Flächen für die Wirtschaft, Verbesserung des Nahverkehrs, Stärkung der Sicherheit – und endlich etwas Sichtbares am Ruhrufer. Hoffnung auf Besserung braucht dort Steine.