Mülheim. .

Der Mülheimer Grünen-Fraktionschef Thomas Behrendt gibt nach elf Jahren Kommunalpolitik sein Amt auf. Grund für den Ausstieg des 50-jährigen: Burn-out. Seinen Posten soll zum Jahresanfang der 30-jährige Sozialwissenschaftler Tim Giesbert übernehmen.

Thomas Behrendt, der Fraktionschef der Grünen, steigt aus. Mit 50 Jahren gibt er nach elf Jahren das Ehrenamt Kommunalpolitik ab – aus gesundheitlichen Gründen.

Eine andere Wahl blieb ihm auch kaum, um wieder richtig ins Leben zurückzukehren. Mit ihm verliert das Stadtparlament einen der Besten. Kaum einer hätte gedacht, dass es ausgerechnet ihn im Politbetrieb treffen könnte.

Burn-out

Burn-out – ausgebrannt. Behrendt geht damit sehr offensiv um, auch weil er weiß und erfahren hat, dass es viele betrifft und trifft, oft schon in jungen Jahren. Seine Botschaft heißt daher auch: Man sollte nicht die Warnsignale des Körpers missachten und stets glauben, dass es irgendwie immer so weiter gehen könnte. Es geht eben nicht.

Beruflich hat er einen anspruchsvollen Job, ist stark engagiert beim Arbeitgeber wie politisch. Ein gefragter Mann ist er, angenehm im Umgang, einer, auf den man gerne baut, weil er es in der Regel sehr gut macht, gewissenhaft. Sich selbst bezeichnet er als jemanden, der es perfekt liebt nach dem Motto: „Ganz oder gar nicht.“ Nein-Sagen sei nicht gerade seine Stärke.

Immer wieder mal habe der Körper ihm signalisiert: Du machst zu viel. Aber das habe er halt weggesteckt, auch, weil er es nicht wahrhaben wollte. Dann im Frühjahr ging es nicht mehr. Kein Privatleben, keinerlei Entspannung. Dafür mal wieder voll gestopft mit Aufgaben, Anforderungen, Termindruck, 120 Termine zusätzlich im Kalender. Das Herz nimmt es ihm übel, und nicht nur das. Es kommt zu Panikattacken, zu depressiven Verstimmungen. Körper und Kopf wollen nicht mehr. Keine Haushaltsprobleme mehr, keine Flughafen-Debatten, keine Fragestunden, keine Koalitionsgespräche, keine morgendlichen Runden in der Verwaltung, keine abendlichen zu all den Krisen dieser Stadt.

Behrendt zieht sich zurück, ist lange krank, macht zwei Monate eine Reha und weiß, dass es zwei Jahre dauern kann, bis er sich von diesem Leiden richtig erholt hat.

Kommunalpolitik ist anstregend

Ist selbst Kommunalpolitik zu anstrengend geworden für Menschen, die noch in Beruf stehen, Familie haben? „Politik in der Stadt“, sagt Behrendt, „ist keineswegs weniger kompliziert und fordernd als die professionelle Politik“, die als Hauptberuf betrieben wird. Die Umsetzung der Gesetze an der Basis sei ein schwieriges Unterfangen, die notwendige Auseinandersetzung mit Bürgern nicht immer einfach. Wer Politik ernst nehme, müsse sich intensiv in Themen einarbeiten, in den Ausschüssen mitarbeiten. Berge von Akten liegen vor den Stadt-Parlamentariern, und ihr Abend gehört eben nicht Frau, Kindern, Sport, sondern Bilanzen, verwaltungstechnischen Entwürfen, Konzepten, die man dreimal lesen muss – und das oft unter einem öffentlichen Druck. Gerade kleinere Fraktionen haben es da schwer, sie können die Arbeit nicht auf viele Schultern verteilen. Und längst nicht immer nimmt eine gut ausgestattete Verwaltung Rücksicht auf das Ehrenamt des Kommunalpolitikers.

Etwas zu ändern im System, sei schwierig, meint Behrendt. Vielleicht müsste auch Kommunalpolitik professioneller betrieben werden, dann aber auch besser ausgestattet sein, etwa mit einem Mitarbeiterstab wie im Landtag oder im Bundestag. Doch wer zahlt das?

Aufgaben anders verteilen

So bleibt den Grünen zunächst einmal nur der Wechsel. Tim Giesbert, 30 Jahre jung, ein Sozialwissenschaftler, der in einer Düsseldorfer Werbeagentur arbeitet, soll Anfang des Jahres den Job von Behrendt übernehmen, als Ratsmitglied rückt Brigitte Erd nach, und sie wollen die Aufgaben anders verteilen, sagen die Grünen.

Giesbert selbst spricht von einer Herausforderung, von großen Fußstapfen, in die er tritt. Er sagt aber auch: „Politik ist für mich bestimmt nicht alles.“