Mülheim. .

Schlangenzüchter Michael Lenz kritisiert das Vorgehen der Behörden bei der Suche nach der Monokel-Kobra, die in Mülheim aus ihrem Terrarium entkam. Die Entkernung der Wohnung sei der Jagd abträglich gewesen, da Schlangen stark auf Vibrationen reagieren.

Michael Lenz hat alle Medienberichte über die entwichene Kobra verfolgt. Nicht nur, weil auch er, wie der 19-jährige Kobrahalter, in der Heimaterde wohnt, sondern weil er selbst Giftschlangen gezüchtet hat. Der 52-Jährige kritisiert das anfängliche Vorgehen der Stadt.

Lenz kritisiert den Beginn der Kobra-Suche, als mehrere Feuerwehrmänner in der Wohnung nach der Schlange suchten, die Räume später entkernten. Mehr Fachwissen über das Verhalten von Schlangen hätte zum Erfolg geführt, schätzt er: „Schlangen reagieren stark auf Vibrationen. Die Kobra wird sich zurückgezogen haben, hat eventuell längst einen Ausgang gefunden.“ Kobras sind, weiß Lenz, „Ausbruchsexperten – die finden jeden Schlitz und jedes Loch.“ Kobras schöben sogar Terrarium-Türen auf, wenn diese nicht extra gesichert seien.

Wärme hätte helfen können

Diese Schlangenart fühle sich im feuchtwarmen Klima ihrer ostasiatischen Heimat wohl. „Man hätte die Wohnung nur stark aufheizen müssen, um ein sehr trockenes Klima zu erzeugen“, so sein Vorschlag. „Trockene Wärme mögen Kobras nicht.“ Wenn dann eine Schlupfbox, gefüllt mit feuchtem Moos, aufgestellt worden wäre, hätten sich seiner Meinung nach die Chancen, das Tier dort einzufangen, erhöht. „Feucht und dunkel – da geht sie rein, wenn sie überhaupt noch in der Wohnung ist.“ Die anfängliche Überlegung, die Wohnung zu kühlen, hätte gar nichts gebracht. „Schlangen können ihren Stoffwechsel total runterfahren.“ Und aushungern? Michael Lenz hat selber junge Kobras gezüchtet, von denen einige drei Monate nicht fressen wollten. „Die waren noch topfit.“ Selbst ein halbes Jahr ohne Futter könnten Schlangen überleben.

Draußen könnte die Babykobra selbst gefressen werden: von Igeln oder Katzen. Und das Gift? „Natürlich sind Monokelkobras gefährlich“, so der Schlangenfreund. Das Giftpotential sei vergleichbar mit dem des erwachsenen Tiers. „Aber ihre Giftzähne sind extrem klein.“ Selbst ausgewachsene Monokelkobras würden nicht durch eine feste Jeans beißen können.

In der Einrichtung versteckt?

Ob die Kobra, die sich sehr klein machen könne, längst mit der Wohnungs-Einrichtung oder der Kleidung des 19-Jährigen rausgetragen wurde, hält er für möglich. Vielleicht verstecke sie sich ja noch zwischen seinen ganzen Sachen.

Michael Lenz hatte schon als Kind ein Faible für Schlangen: Ihn faszinierten die schuppigen Kriecher in allen Erscheinungsformen. Seine Eltern nicht. So konnte er seiner Leidenschaft erst später frönen und fand mit Ehefrau Kirsten eine reptilienbegeisterte Partnerin. Wenn Michael Lenz von seinen Schlangen spricht, dann erstens immer mit dem lateinischen Gattungs- und Artnamen (Monokelkobra = Naja kaouthia) – und in der Vergangenheitsform. Weihnachten 2009 hat er sich, schweren Herzens, von seinen 18 Schlangen aus zwölf Arten, darunter Kobras, Busch- und Hornvipern, getrennt. Grund: Der dreijährige Enkel ist ins Haus gezogen. „Kleinkinder und Giftschlangen – das geht gar nicht. So gut können Sie gar nicht aufpassen.“

15 Jahre Erfahrung

Lenz hat 15 Jahre lang Giftschlangen gezüchtet, hat einen Sachkundenachweis und ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde. Seine Schlangen hielt er in Terrarien in einem großen, hellen und abschließbaren Raum (der demnächst zur Küche wird). Zwei Stunden täglich hat er für die Pflege aufgebracht, dafür etliche Jahre auf Urlaub verzichtet.

Man sollte, wünscht er sich, nicht alle über einen Kamm scheren, die sich von Schlangen angezogen fühlen. Obwohl er weiß: „In der Szene gibt es viele schwarze Schafe.“ Niemals würde er auf Reptilienbörsen kaufen, immer nur aus einer Zucht. Da wisse man, wo das Tier herkomme, „es könnte ja sonst auch ein Wildfang sein“. Ein Totalverbot für die Haltung von Giftschlangen, wie in Hessen, lehnt Michael Lenz ab – „dann würden viele in die Illegalität gehen, die Kontrolle wäre noch schwieriger“. Er ist für eine Meldepflicht: „Man muss wissen, wer wie viele und welche Schlangen hält“. Und für einen Sachkundenachweis.

Meldepflicht und Sachkundenachweis

Wer sich als Reptilienfreund mit Giftschlangen beschäftigen will, sollte seiner Meinung nach mindestens zwei Jahre Erfahrung mit ungiftigen Schlangen haben. „Kobras sind nur was für Fortgeschrittene“, ist Lenz überzeugt.

Michael Lenz war auch ­Mitglied beim Giftschlan­genserumsdepot in Berlin, das das Gegengift im Notfall gleich liefert – „Die Kassen zahlen das Serum nicht.“ Er wurde noch nie gebissen: „Dann hätte ich etwas falsch gemacht. Das teuerste am Schlangenhobby seien übrigens die Stromkosten: „Die Wüstenbewohner leben unter 35 bis 40 Grad – da braucht man Powerlampen!“

Die Stadt plant nach Ostern, in Absprache mit Vermietern und Mietern, das Haus aufzuheizen, und hofft, dass sich die Schlange dann in extra eingerichtete, feuchte Ecken flüchtet. Klappt das nicht, will man es mit Ködern versuchen. Wenn nach weiteren sechs Wochen, in denen die Hausmieter nachts nicht in ihren Wohnungen bleiben können, die Schlange nicht aufgetaucht ist, müsse man überlegen, ob es noch eine Sache von Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherheit sei – „oder Privatsache“, sagte Stadtsprecher Volker Wiebels. Man hoffe aber auf ein gutes Ende: dass die Schlange gefunden und in artgerechte Haltung übergeben wird. Und wenn nicht? „Ohne Fund werden wir nicht zu 100 % sagen können: Das Haus ist schlangenfrei.“