Mülheim.

Der Bruder des Besitzers der entflohenen Kobra bekommt am Mittwoch Besuch vom Mülheimer Veterinäramt. In seiner Wohnung leben zwölf Schlangen, acht davon sind so giftig wie das vermisste Tier. Die Amtstierärztin bemängelt die Unterbringung der entwichenen Kobra.

Zwei Tierärztinnen des Veterinäramtes haben sich für Mittwoch in einer Mietwohnung eines Mehrfamilienhauses in Mülheim-Saarn angemeldet. Sie wollen dort die tierischen Bewohner in Augenschein nehmen: eine Kobra, vier Klapperschlangen, drei Sandvipern, drei Kornnattern, eine Boa constrictor.

Macht zusammen zwölf Schlangen in einer Mietwohnung, acht davon haben den giftigen Biss, mit dem die seit vergangenem Mittwoch unauffindbare Monokel-Kobra sich irgendwo auf der Heimaterde versteckt hält. Die Wohnung in Saarn – es ist die des Bruders von Kevin O. (19), der das entwichene hochgiftige Reptil nicht sicher untergebracht hatte.

Gitter-Abstand war zu groß

Zu letzterer Erkenntnis ist Amtsveterinärin Heike Schwalenstöcker-Waldner gekommen, als sie sich das Terrarium anschaute, aus dem die 30 cm lange, beistiftdünne Babyschlange vermutlich via Lüftungsschacht entfleucht war. Das rund 8 bis 10 cm breite Lüftungsrohr sei mit einem Gitter gesichert gewesen, zwischen dessen Streben ein Abstand von vier bis fünf Millimetern gewesen sei. „Das ist natürlich sträflich bei der Größe der Schlange“, so Schwalenstöcker-Waldner. „Da hätte man mehr Vorkehrungen treffen müssen, um das Terrarium ausbruchsicher zu halten.“

Ob das das einzige Sicherheitsproblem am Terrarium selbst gewesen ist, will die Veterinärin nicht beurteilen. Als sie das Terrarium von Kevin O. zu sehen bekam, war nicht mehr viel dran und drin. Schließlich war die Suche längst im vollen Gang. Ein notwendiges Schloss zum Verriegeln der Behausung etwa habe sie nicht gesehen, es gebe aber auch abnehmbare Schlösser.

Sicherheitsvorkehrungen fehlten offenbar

Eine wesentliche Sicherheitsvorkehrung für die Haltung von Giftschlangen dürfte in der 50-Quadratmeter-Wohnung von Kevin O. jedoch keinesfalls getroffen worden sein: „Terrarien mit Giftschlangen sollten nicht in einem von Menschen be­wohnten Raum stehen“, schreibt die Arbeitsgemeinschaft Schlangen der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terraristik in einem Merkblatt.

Zur Frage der artgerechten Haltung kann Schwalenstöcker-Waldner gar nichts sagen. Das Terrarium sei nicht (mehr) vollständig eingerichtet gewesen, (Wärme-)Lampe oder Versteckmöglichkeiten etwa seien nicht mehr drin gewesen. Ansonsten habe das Terrarium, das nicht unbedingt „Marke Eigenbau“ sein müsse, „nicht unfachmännisch ausgesehen – ich fand es nicht brüchig oder ungewöhnlich von seiner Art. Die Größe war ausreichend für die kleine Kobra.“

Tierschutz im Fokus

Am Mittwoch werden zwei Tierärztinnen in Saarn die Schlangen-Haltung beim Bruder von Kevin O. überprüfen, wo auch dessen Boa untergekommen ist, nachdem die Wohnung an der Kleiststraße geräumt und entkernt worden war. Im Vordergrund der Kontrolle steht das Tierschutzrecht, zumal es für die Prüfung einer sicheren Unterbringung der gefährlichen Tiere in NRW keine rechtliche Grundlage gibt.

Trotzdem werde man auch den Sicherheitsaspekt im Auge haben, so Schwalenstöcker-Waldner. Schließlich sei es auch tierschutzrechtlich bedenklich, wenn eine Giftschlange ausbreche und in der Umwelt dann nicht die Bedingungen vorfinde, unter denen sie überleben könne. Freilich sei dies „ein Krückstock in der Argumentation“, wenn es heute eventuell darum geht, die Schlangen zu konfiszieren, wenn eine artgerechte Haltung nicht gewährleistet oder der Pflegezustand der Reptilien schlecht sein sollte.