Mülheim. Nach 40 Jahren geht Kulturamtsleiter und „Urgestein“ Frank Baudy in den Ruhestand. Zum Abschied verrät er, was er der Kulturszene wünscht.

Die Kultur sei nicht „das Sahnehäubchen, sondern ein Grundnahrungsmittel der Stadt“, findet Frank Baudy (64), seit 40 Jahren bei der Stadtverwaltung und seit 2007 Kulturamtsleiter. In Kürze geht er in den Ruhestand und hofft, dass die Kultur finanziell künftig wieder mehr bedacht wird als zurzeit. Dass Mülheim kulturell viel bietet, steht für ihn außer Frage – wie er im Interview mit unserer Redaktion erklärte.

„In Mülheim ist nichts los!“ - das hört man immer wieder. Stimmt das überhaupt?

Ich glaube, das bezieht sich lediglich darauf, dass es für junge Leute keine Clubs und Kneipen gibt. Das kulturelle Angebot in Mülheim ist nämlich breit und richtig toll. Für die Größe der Stadt und angesichts der Tatsache, dass Mülheim inmitten von anderen Großstädten liegt, ist es sogar richtig gut. In allen Bereichen. Vielleicht nehmen das manche Leute einfach nicht so wahr.

Wofür würden Sie Werbung machen, wenn sie hemmungslos loslegen könnten?

Eigentlich leisten alle kulturellen Einrichtungen in Mülheim Hervorragendes. In meinen Bereich fallen Kunstmuseum, Musikschule, Stadtbibliothek, Stadtarchiv und auch die Begegnungsstätten in Saarn und Styrum, also Kunstausstellungen, Kindertheater, Konzerte, Lesungen und vieles mehr. Darüber hinaus gibt es mit dem Theater an der Ruhr, den Mülheimer Theatertagen oder dem Ringlokschuppen Institutionen, die ebenfalls hochwertige Kultur bieten und die profilbildend für die Stadt sind. Auch das Kunstmuseum, das jetzt wiedereröffnet wird und einen enormen Kunstschatz beherbergt, strahlt überregional aus. Die Veranstaltungen der MST, etwa die Konzerte in der Müga, finden ein großes Publikum, die Freilichtbühne hat viele Fans,...

Das tolle Angebot aufrechtzuerhalten war nicht immer einfach...

Seit den frühen 1990er Jahren ist unsere Arbeit auch von der Haushaltskonsolidierung geprägt. Man musste immer froh sein, wenn man aus den Etatberatungen ohne Blessuren herausgekommen ist. Manches musste aufgegeben werden, wie etwa der Bücherbus, das Kulturbüro, die Stadtteilbüchereien in Dümpten und Saarn. Letzteres führte übrigens zum ersten Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheid in Mülheim, der leider nicht erfolgreich war.

„Unsere Arbeit war seit 1990 auch von der Haushaltskonsolidierung in Mülheim geprägt“

Der Kulturetat müsste also unbedingt angehoben werden?

Ich finde, ja. Unter anderem wegen der Kostensteigerungen in vielen Bereichen, die Kosten für Veranstaltungstechnik zum Beispiel sind seit Corona um 50 Prozent gestiegen. Und ein weiterer Grund: Vom Land ist vorgegeben worden, dass bei seinen geförderten Maßnahmen Mindesthonorare für Künstlerinnen und Künstler bezahlt werden müssen. Das ist absolut berechtigt, denn es gab auch viel Ausbeutung in diesem Bereich. Das geht aber zu Lasten der städtischen Kulturetats und hat unausweichlich zur Folge, dass weniger Veranstaltungen stattfinden als früher. Um den Status Quo des kulturellen Angebots absichern zu können, müsste der städtische Kulturetat also aufgestockt werden.

Aufgabe des Kulturbetriebs ist es auch, freie Kultur-Projekte zu bewerten und zu fördern...

Ja, wir vergeben beispielsweise die Ateliers im Schloß Styrum an Mülheimer Künstlerinnen und Künstler. Und wir fördern Kultur-und Kunstprojekte in freier Trägerschaft sowohl finanziell als auch sächlich. Ich finde: Mit den finanziellen Möglichkeiten, die wir haben, bieten wir da ebenfalls viel – und hohe Qualität.

Das neue Haus der Stadtgeschichte mit der Musikschule und dem Stadtarchiv an der Von-Graefe-Straße in Mülheim wurde 2016 eingeweiht. Frank Baudy und sein Team waren am Um- und Einzug auch maßgeblich beteiligt.
Das neue Haus der Stadtgeschichte mit der Musikschule und dem Stadtarchiv an der Von-Graefe-Straße in Mülheim wurde 2016 eingeweiht. Frank Baudy und sein Team waren am Um- und Einzug auch maßgeblich beteiligt. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Bei der Unterstützung der freien Kulturarbeit redet die Politik mehr mit als früher...

Seit drei Jahren gibt es neue Richtlinien. Geht es um Fördersummen über 500 Euro, entscheidet der Kulturausschuss. Gleichzeitig ist der Etat von 10.000 auf 20.000 Euro verdoppelt worden. Das Zusammenspiel von Politik und Verwaltung hat sich bewährt.

„Kultur kann für die Mülheimer Innenstadt einen großen Mehrwert bringen“

Welche Bedeutung wird die Kultur für die Stadtentwicklung in Mülheim spielen?

Das Kulturangebot hat einen Mehrwert für das gesellschaftliche Leben und insbesondere für die Innenstadt. Es wird meiner Meinung nach nicht gelingen, nur mit Handel und Gastronomie die City lebendig zu halten. Das Medienhaus oder das Kunstmuseum sind gute Frequenzbringer für die Innenstadt. Im Medienhaus zählen wir rund 1000 Besucher am Tag. Mit zusätzlichen Ressourcen könnten sich die städtischen Kultureinrichtungen noch besser vermarkten und weitere Angebote geschaffen werden.

Sie sind gebürtiger Mülheimer und ein „Urgestein“ der Stadtverwaltung...

Ja, 1980 habe als ich als diplomierter Verwaltungswirt im sozialen Bereich angefangen. 1984 bin ich dann zum Kulturamt gekommen. Das war ein Glücksfall, die Kulturverwaltung ist für mich die schönste Aufgabe im Aufgabenkatalog der Verwaltung. Man trifft auf interessante Menschen aus unterschiedlichen Professionen, lernt viel Neues kennen, hat es mit schönen Dingen zu tun. Ich habe meinen Beruf mit viel Leidenschaft verfolgt und Erfüllung gefunden, hatte immer ein tolles Team um mich. Es schwingt daher auch etwas Wehmut mit, wenn ich jetzt aufhöre.

Frank Baudy, Leiter der städtischen Kulturbetriebe in Mülheim, geht bald in den Ruhestand.
Frank Baudy, Leiter der städtischen Kulturbetriebe in Mülheim, geht bald in den Ruhestand. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Was waren Besonderheiten oder Höhepunkte in Ihrer Zeit als Kulturamtsleiter?

In meiner Amtszeit haben alle großen Kultureinrichtungen eine neue Bleibe gefunden. 1994 ist das Kunstmuseum in die Alte Post gezogen, 2009 wurde das Medienhaus mit der Stadtbibliothek eröffnet. 2013 haben wir das neue Haus der Stadtgeschichte mit dem Stadtarchiv eingeweiht, in das auch die Musikschule gezogen ist. Das waren ganz besondere Momente, im Vorfeld gab es hier für uns natürlich immer reichlich Arbeit. Nur nebenbei: In dieser langen Amtszeit habe ich acht Kulturdezernenten miterlebt! (lacht)

Ein großer Wunsch: Kulturamt in Mülheim sollte mehr Freiheiten bekommen

Was wünschen Sie der Mülheimer Kultur und dem Kulturamt für die Zukunft?

Neben mehr finanziellen Ressourcen wäre es schön, wenn das Kulturamt wieder freier agieren könnte, wieder ein Eigenbetrieb würde. Das waren wir ja von 1996 bis 2011. Dann wurden alle städtischen Eigenbetriebe wieder reintegriert. Für uns war das ein deutlicher Rückschritt. Als Eigenbetrieb hatten wir einen Mikrokosmos, in dem man auf kurzem Wege viele Dinge schnell auf den Weg bringen konnte. Wir hatten einen eigenen Wirtschaftsplan, der unterjährig ein freies Bewirtschaften ermöglichte - und haben damals dabei auch viele Konsolidierungsmaßnahmen umgesetzt.

Was werden sie im Ruhestand tun, wer wird ihr Nachfolger?

Die Stelle wird ganz normal ausgeschrieben. Ich werde im Ruhestand nicht in den Süden ziehen, wie ich früher mal gedacht habe. Ich bleibe in Mülheim, kümmere mich um Haus und Garten und werde es genießen, mit meiner Frau spontan wegfahren zu können. Mein Sehnsuchtsland war und ist Italien. Und natürlich werde ich auch bei Kulturveranstaltungen in Mülheim künftig anzutreffen sein.

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