Mülheim. Die SPD startet in den Wahlkampf zur Europawahl. Wovor die Parteichefin warnt und wie Europa vor Ort schmackhaft gemacht werden soll.
Die Zeiten, da der Besuch eines SPD-Chefs in Mülheim ein echtes Happening war, sind lange vorbei. Das musste am Freitag auch Saskia Esken feststellen, als sie beim Europa-Empfang der hiesigen Sozialdemokraten zu Gast war. An jenem Tag also, als dem mit dem Beginn der Plakatierungen der Startschuss für den Europawahlkampf fiel. Auch wenn die Veranstaltung gut besucht war, echte Begeisterung kam nicht auf.
Als „Richtungswahl“ bezeichnete Esken das am 9. Juni anstehende Voting zum EU-Parlament. Es gehe ums Ganze. „Wollen wir, dass die EU auf eine Wirtschaftsunion reduziert wird“, fragte die 62-Jährige bei ihrer Rede in „Franky’s Loft“. Eine starke Wirtschaft und ein starker Sozialstaat seien die zwei Seiten einer Medaille.
SPD-Chefin Saskia Esken: „Es dürfen keine Vertreter Putins gewählt werden“
„Eine gute wirtschaftliche Zukunft ist nur dann wirklich nachhaltig gut, wenn sie auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut aussieht“, so Esken. Deutschlands Problem beim Zusammenhalt sei nicht der zu großzügige Sozialstaat oder die Migration, „nein, unser größtes Problem für den Zusammenhalt ist immer noch die Ungleichheit.“
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Bei der Wahl zum neuen Parlament müssten sich die Wählerinnen und Wähler darauf verlassen, „dass sie Vertreter des Volkes ins Parlament wählen und nicht Vertreter Putins“, sagte die SPD-Chefin mit Blick auf die Diskussion um die beiden Spitzenkandidaten der AfD. In dem Zusammenhang lobte sie den Aufbau von Strukturen zur Widerrede im Netz und nahm Betreiber von Social-Media-Plattformen und Messenger in die Pflicht. „Es darf nicht fünf Tage dauern, bis jemand widerspricht. Da muss schnell jemand mit Fakten zur Stelle sein“, forderte Esken.
13 Millionen Euro flossen seit 2019 aus der EU nach Mülheim
„Was bringt mir eigentlich Europa hier vor Ort?“ Mit dieser Frage hatte Mülheims SPD-Vorsitzender Rodion Bakum den Empfang eröffnet – und mit Zahlen geantwortet. Über acht Milliarden Euro aus europäischen Fördermitteln seien in der aktuellen Förderperiode nach NRW geflossen, allein über 13 Millionen Euro davon seit 2019 nach Mülheim.
„Es gibt wichtige Projekte, die ohne den europäischen Sozialfonds nicht realisiert worden wären“, meinte auch der Vorsitzende der Europa-SPD, Jens Geier. Auch durch die jüngsten Krisen seien Deutschland und das Ruhrgebiet nur dank europäischer Kooperationen gekommen.
Chef der Europa-SPD: „Wir machen die Regeln für ganz Europa“
„Der Transformationsprozess der letzten Jahrzehnte wäre ohne Europa überhaupt nicht möglich“, unterstrich auch Nina Frense vom Regionalverband Ruhr und nannte als Beispiel den Radschnellweg. Die Landesregierung müsse allerdings auch dafür sorgen, forderte die NRW-SPD-Vorsitzende Sarah Philipp, „dass das, was die EU uns anbietet, auch in den Kommunen ankommt.
Thommessen gewinnt Wennmann-Preis
Seit 2017 verleiht die Mülheimer SPD den Friedrich-Wennmann-Preis für besonderes zivilgesellschaftliches Engagement. Er ging in diesem Jahr an Wolfgang Thommessen, der seit 60 Jahren beim Mülheimer THW aktiv ist. „Seinen Lebenslauf könnte man eigentlich in Wikipedia als Beispiel-Artikel für ehrenamtliches Engagement verwenden“, meinte die Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Margarete Wietelmann.
Schon 2011 erhielt Thommessen vom THW das Ehrenzeichen in Gold, im vergangenen Jahr wurde ihm eine Ehrenurkunde für die langjährige Mitgliedschaft verliehen. „In seiner Zeit hat sich die Zahl der Fördermitglieder verdoppelt“, betonte Wietelmann. Sein Steckenpferd sei immer die Jugendarbeit gewesen. Neben der Arbeit beim technischen Hilfswerk war Thommessen als Fußball-Schiedsrichter im Einsatz und schaffte es als Linienrichter bis in die zweite Bundesliga.
Zum Schluss betonte Jens Geier aber auch, dass die EU keine reine Mittelverteilerin sei. „Der Kern ist Rechtssetzung, wir machen Regeln für ganz Europa“, verwies er auf kleine Unternehmen, die sich dank des europäischen Marktes groß entwickelt hätten. „Wenn uns das genommen wird, geht auch ein Teil der Wirtschaft über die Ruhr.“
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