Mülheim. Mülheims OB Marc Buchholz steht nach einem Moschee-Besuch scharf in der Kritik. Pflegt er Kontakte zu Rechtsextremisten und Judenhassern?

Mülheims Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) eckt erneut an mit seiner Nähe zu muslimischen Organisationen, die im Fokus des Verfassungsschutzes stehen. Anlass war nun ein gemeinsames Fastenbrechen in der Styrumer Moscheegemeinde des Atib-Verbandes. Der OB sagt ungeachtet der scharfen Kritik insbesondere des SPD-Landtagsabgeordneten Rodion Bakum: „Ich werde das genau so fortsetzen.“

Der OB hatte Anfang des Monats am gemeinsamen Fastenbrechen der Atib-Gemeinde in deren Räumlichkeiten an der Neustadtstraße teilgenommen. Das dokumentieren Fotografien, die Atib Mülheim bei Facebook präsentiert. Die Bilder zeigen Buchholz im Kreise von Vertretern des Gemeindevorstandes um Yener Nuh am gedeckten Tisch, vor den versammelten Gemeindemitgliedern und am Sprechpult mit Atib-Schrifzug und -Symbolen.

Verfassungsschutz ordnet Atib dem türkischen Rechtsextremismus zu

Mülheims Oberbürgermeister Marc Buchholz am 2. April bei der Atib-Gemeinde in Styrum.
Mülheims Oberbürgermeister Marc Buchholz am 2. April bei der Atib-Gemeinde in Styrum. © WAZ/Screenshot

Der Verfassungsschutzbericht in seiner aktuellsten Version für das Jahr 2022 ordnet die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa, kurz Atib, dem türkischen Rechtsextremismus der Ülkücu-Bewegung zu. Die Atib stehe mit seinen bundesweit mindestens 2500 Mitgliedern „für einen stärker islamisch orientierten Teil der Ülkücü-Bewegung“, heißt es da. Durch die Verbreitung der Ülkücu-Ideologie entfalte die Atib „eine desintegrative Wirkung und fördert einen türkischen Nationalismus mit rechtsextremen Einflüssen, der von einem extremen Freund-Feind-Denken geprägt ist“. Auswuchs dessen sei die Abwertung anderer Volksgruppen oder Religionen, insbesondere der Kurden und des Judentums. Enge Verbindungen wird Atib zu den „Grauen Wölfen“ zugeschrieben.

Dass Buchholz nun zum Fastenbrechen bei der Styrumer Atib-Gemeinde war, sorgt für lautes Entsetzen beim Mülheimer SPD-Landtagsabgeordneten Rodion Bakum. Er nennt Buchholz einen „Wiederholungstäter“ in dieser Angelegenheit. Schon zur OB-Wahl 2020 habe Buchholz um Stimmen im rechten Lager der türkischen Community gebuhlt. Bakum erinnert auch an den umstrittenen Auftritt des OB im März 2023 bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des schweren Erdbebens in der Türkei und Syrien. Buchholz war dort als Gastredner aufgetreten, obwohl die Veranstaltung von gleich mehreren türkischen Organisationen getragen war, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden: Atib, Graue Wölfe und Milli Görüs.

Mülheims Landtagsabgeordneter Bakum (SPD) übt scharfe Kritik an Buchholz

Bakum, selbst Jude, verurteilte die Teilnahme des OB am Fastenbrechen bei der Atib-Gemeinde gegenüber DerWesten scharf. Atib sei in der Vergangenheit immer wieder damit aufgefallen, „Israel und Juden für alles in der Welt verantwortlich zu machen. Ich erwarte vom Oberbürgermeister meiner Heimatstadt, dass er Verfassungsfeinde demokratisch stellt - und nicht hofiert.“

Ich erwarte vom Oberbürgermeister meiner Heimatstadt, dass er Verfassungsfeinde demokratisch stellt - und nicht hofiert.
Rodion Bakum - SPD-Landtagsabgeordneter aus Mülheim

Mit anderen SPD-Landtagsabgeordneten hat Bakum das Thema im NRW-Innenausschuss platziert. Mit der Kleinen Anfrage ist der Versuch gestartet, Buchholz bloßzustellen. Eine Frage an die Landesregierung darin lautet etwa: „Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der „Union der türkisch-islamischen Kulturvereine e.V. (ATIB)“ in Nordrhein-Westfalen kein Antisemitismus vorgeworfen werden kann, wie sie beispielsweise der Mülheimer Oberbürgermeister vertritt?“

Mülheims OB betrachtet die Vorwürfe als haltlos

Tatsächlich sieht OB Buchholz keinen Grund zur Kritik. Die Vorwürfe seien haltlos, äußerte er sich nun offiziell. „Ich distanziere mich ausdrücklich von denjenigen, die extremistisch auftreten und unsere Grundwerte nicht teilen und somit auch von den Grauen Wölfen. Ich unterscheide aber zwischen dem Dachverband der Atib in Köln und den Menschen in unserer Stadt, die sich hier bei uns auch in einen interreligiösen Dialog aktiv miteinbringen“, sagt er.

Den benannten interreligiösen Dialog mit Vertretern der christlichen Kirchen, der jüdischen und mehreren muslimischen Gemeinden sei gerade erst wieder auf Initiative des Stadtdechanten Michael Janßen in Gang gesetzt worden. Die Idee dazu sei erwachsen aus einer Teilnahme von Vertretern der Atib- und der Ahmadiyya-Gemeinde an der Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht im November auf dem Synagogenplatz. Im März habe ein erstes Dialogtreffen unter Beteiligung der Atib im Rathaus stattgefunden, Ende Mai wolle man die Gespräche fortsetzen, so der OB.

Er verweist darauf, dass der interreligiöse Dialog Mülheim seiner Sicht nach auch helfe, in aufgeheizter Stimmung nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 ein friedvolles Zusammenleben aller Menschen in der Stadt zu sichern. Szenen offenen Judenhasses wie bei Protesten in zahlreichen anderen Städten habe es in Mülheim nicht gegeben, stellt der OB zufrieden fest.

Gedenken an die Reichspogromnacht im November 2023 in Mülheims Innenstadt, vorne zu sehen: Vertreter der christlichen und der Jüdischen Gemeinde sowie OB Marc Buchholz.
Gedenken an die Reichspogromnacht im November 2023 in Mülheims Innenstadt, vorne zu sehen: Vertreter der christlichen und der Jüdischen Gemeinde sowie OB Marc Buchholz. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Mülheims OB wirft Kritikern „politische Skandalisierung“ vor

Buchholz sieht sich als eine Art Diplomat im eigenen Stadtgebiet unterwegs, um ein friedliches Zusammenleben zu erreichen. „Christen, Juden und Muslime sind bei mir immer dann willkommen, wenn sie gemeinsam mit mir für das Wohl der Stadt im Dialog sind“, will Buchholz den Kontakt zu den hiesigen Atib- oder Ditib-Gemeinden auch in Zukunft nicht abreißen lassen.

Zu seinem Besuch bei der Styrumer Atib-Gemeinde und Kontakten zu Mitgliedern des Gemeindevorstandes stellt Buchholz für sich fest, dass sie „offen für den Dialog“ seien, „jung und gebildet“. Den Dialog mit jenen abzubrechen, die sich nicht verschlössen, dem Christen- und Judentum offen zu begegnen, sei nicht zielführend. In der Atib-Moscheegemeinde sieht Buchholz diese Offenheit. „Mitglieder der Atib in Mülheim sind für mich keine Extremisten“, sagte er im Gespräch mit dieser Redaktion und wirft Kritikern wie Bakum (SPD) „politische Skandalisierung“ vor.

Jüdische Gemeinde nicht bereit zu Gesprächen mit Atib-Vertretern

Alexander Drehmann, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde in Duisburg, Oberhausen und Mülheim, mag diese Einschätzung gar nicht teilen. Entgegen der Darstellung des Mülheimer OB sagt er, dass Vertreter der Atib-Gemeinde beim Auftakt zu den interreligiösen Gesprächen im März im Rathaus nicht zugegen gewesen seien. „Sonst hätte ich auch gar nicht teilgenommen“, hat Drehmann eine klar ablehnende Haltung gegen Gespräche mit Ditib- und Atib-Vertretern in einem solchen Dialogformat unter Federführung des OB. Die Dachverbände von Ditib und Atib als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Erdogan beziehungsweise als rechtsextreme Verfassungsfeinde und Antisemiten seien „nicht koscher“.

Alexander Drehmann, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde für Duisburg, Oberhausen und Mülheim.
Alexander Drehmann, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde für Duisburg, Oberhausen und Mülheim. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

„Ich gehe davon aus, dass Herrn Buchholz hier ein Fehler unterlaufen ist“, sagt Drehmann zur Teilnahme Buchholz‘ am Fastenbrechen in der Atib-Gemeinde. Hingegen lobt er ausdrücklich das Bemühen des OB um einen interreligiösen Dialog - aber bitte nicht mit Vertretern von Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet würden.

Mülheims SPD will OB Buchholz eine ungemütliche Ratssitzung bescheren

Die Angelegenheit ist für den OB nicht ausgestanden. Gegenwind gibt es selbst von der Jugendorganisation der Grünen, die mit Buchholz‘ CDU die Ratskoalition stellen. Zusammen mit den „Falken“ verurteilten sie Buchholz‘ Auftritt bei der Atib „aufs Schärfste“. Buchholz‘ Agieren sei „fragwürdig und unsolidarisch“. Die politischen Jugendorganisationen fragen: „Wie oft noch will der Oberbürgermeister Demokratiefeind*innen legitimieren?“

Die Ratsfraktion der SPD will Buchholz in der Ratssitzung am 25. April zwingen, eingehender Stellung zu beziehen. Gleichzeitig wollen die Sozialdemokraten den OB per Beschluss unter anderem dazu verpflichten, die islamischen Gemeinden in Mülheim zu einem öffentlichen Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und Schutz der Jüdinnen und Juden in Nordrhein-Westfalen bzw. Mülheim zu bewegen.

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