Mülheim. Einst lebten hier Mülheimer Bergleute und ihre Familien, nun bleibt noch die lebendige Erinnerung an früher. Fünf Frauen erinnern sich zurück.
Was macht das Leben in der Mausegattsiedlung so lebenswert? Die Bergmannsiedlung ist 125 Jahre alt und ein echtes Stück Mülheimer Stadtgeschichte. Marlies Rustemeyer lebt seit 2011 an der Mausegattstraße - sie kann also aus erster Hand berichten. Ebenso ihre Nachbarinnen Inge Steinbach, Silke Lange, Birgit Schlegel und Liane Bröker. Sie alle wohnen an der Mausegatt- und an der Kreftenscheerstraße und würde es nicht missen wollen.
Gerne hätten die Frauen auch zwei ehemalige Bergleute aus ihrer Nachbarschaft zum Zeitzeugen-Kaffeeklatsch eingeladen. Doch die haben signalisiert, „dass das nichts für mich ist.“ Kumpel sind eben Männer der Tat und nicht des Wortes. Dennoch spürt man auch an diesem Nachmittag in bester weiblicher Gesellschaft etwas von dem Zusammenhalt und von der Solidarität, die das Zusammenleben der Bergmannsfamilien, die man hier „Püttologen“ nennt, einst ausgemacht haben.
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Die roten Ziegelsteinhäuser auf beiden Seiten der Mausegattstraße sind nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Anwohner, die zum Teil in ihren Vorgärten arbeiten, grüßen freundlich oder sind hier und dort in ein Gespräch mit ihren Nachbarn vertieft. Die Runde um den Kaffeetisch bei Marlies Rustemeyer ist spürbar vertraut miteinander und einander zugewandt.
„Man kennt sich und ist hier nicht allein, auch, wenn man allein lebt“, sagt Marlies Rustemeyer. Sie selbst ist in einer Dortmunder Arbeitersiedlung aufgewachsen und 2011 in die Mausegattsiedlung gezogen. „Ist das schön hier. Kann ich hier auch wohnen?“, zitiert Rustemeyer ein Mädchen aus einer Schülergruppe, die sie durch die Siedlung geführt hat. Dankbar erinnert sich Rustemeyer daran, dass ihr Nachbarn eine Hühnersuppe vorbeibrachten und für sie einkaufen gingen, als sie kürzlich krank das Bett hüten musste.
Mülheimer kehren gerne in die Bergmannsiedlung zurück
Silke Lange, die schon als Kind ihre Tante Inge gerne in der Mausegattsiedlung besuchte, „als man hier im Sommer auf den Treppenstufen vor den Häusern saß und sich bei einer Zigarette oder einem Feierabendbier miteinander unterhielt“, ist 1986 als Hauseigentümerin in der Mausegattstraße eingezogen und damit an den Ort ihrer Kindheit zurückgekehrt. „Das geht hier vielen so. Menschen, die hier aufgewachsen und irgendwann weggezogen sind, kommen wieder zurück, wenn hier ein Haus zum Verkauf steht“, berichtet Lange.
Die Zeiten, in denen an den nach Kohleflözen benannten Straßen Mausegatt und Kreftenscheer ausschließlich Bergleute und ihre Familien lebten, sind schon lange Geschichte. 1966 schloss mit Rosenblumendelle Mülheims letzte Zeche. „Mein Mann konnte damals zu Mannesmann wechseln. Andere Bergleute fuhren auf einer Zeche in Wulfen ein“, erinnert sich Steinbach. Sie zog 1954 als junge Ehefrau eines Bergmanns der 1960 stillgelegten Zeche Wiesche an der Mausegattstraße ein. „Damals wurde die Mausegattstraße gerade asphaltiert und unser Haus hatte einen Schweinestall und ein Plumpsklo auf dem Hof, aber noch kein Badezimmer. Das bekamen wir erst 1962. Bis dahin wurde samstags in einer Zinkwanne in der Küche gebadet und das Badewasser auf dem Herd heiß gemacht“, erinnert sich die Bergmannswitwe.
Wenn sie heute Kinder gemeinsam in kleinen Gruppen zur Schule gehen sieht, muss sie daran denken, dass es früher die Kumpel waren, die in kleinen Gruppen zur Zeche gingen.
125 Jahre Siedlung Mausegatt: Mülheimerinnen erinnern sich zurück
„Wir heizten mit Kohle. Wir bekamen jährlich 125 Zentner Kohle als Deputat, die wir im Keller einlagerten. Und im Garten haben wir Kartoffeln und Gemüse angebaut“, erzählt Steinbach. Ihre Nichte Silke erinnert sich, „dass Hühner, Schweine, Schafe, Tauben und Hasen“ als tierische Nachbarn und Nahrungsquellen zum Leben in der Bergmannssiedlung dazu gehörten.
Birgit Schlegel, die mit ihrer Familie 1999, ganz ohne bergmännische Familiengeschichte, in einen der 200 Siedlungshaushalte einzog, erfüllte sich damit ihren Lebenstraum von Haus und Garten, „der für uns hier noch bezahlbar war.“ Mit dem gleichen Ziel kaufte auch ihre Nachbarin Liane Bröker 1983 ihr Haus an der Mausegattstraße. Beide Frauen erinnern sich an viel Arbeit, Zeit und Geld, die sie in die Renovierung und Modernisierung ihres neuen Zuhauses investieren mussten. Beide erleben die Mausegattsiedlung „wie ein Dorf, in dem zunehmend auch alleinstehende Menschen leben.“
Inge Steinbach erinnert sich an die Bergmannswitwen, deren Männer im Zweiten Weltkrieg gefallen waren. „Diese Kriegerwitwen besserten ihre kleine Rente mit einem sogenannten Kostgänger auf, den sie sich als Mieter ins Haus holten.“ Der Wohnraum im Haus, das nur eine Haushälfte mit drei Räumen von insgesamt 60 Quadratmetern war, war bescheiden. Dennoch blieb der eine oder andere Kostgänger auch als Ehemann oder Schwiegersohn in der Siedlung.
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