Mülheim. Wie die Bergwerkssiedlung Mausegatt von der Luxussanierung verschont blieb und welche Bedeutung sie auch nach 125 Jahren noch für Mülheim hat.
In Mülheim gibt es keinen Förderturm mehr, der an die örtliche Bergbaugeschichte erinnert, dafür aber eine seit den 1980er Jahren unter Denkmalschutz stehende ehemalige Bergmannssiedlung. Deren Bau begann vor 125 Jahren im Auftrag des 1898 gegründeten Mülheimer Bergwerksvereins.
Am Siedlungseingang weisen grüne Loren den Weg in die Vergangenheit. „Humboldt 1952, Wiesche 1960, Kronprinz 1961, Hagenbeck 1965, Rosenblumendelle 1966“ sind an einer Lore die Jahre der örtlichen Zechenstilllegungen zu lesen. An einer anderen kann man mit Blick auf die letzte Mülheimer Zeche Rosenblumendelle lesen: „Von 1850 bis zum 29.7.1966 wurden in den Schachten I und II 46.003.963 Tonnen Kohle gefördert.“
Vom Koch zum Steiger: Walter Schmidt half, die Siedlung zu bewahren
Vis-a-vis der Loren steht ein Haus, das alle anderen Häuser der Siedlung überragt. Hier waren einst der Steiger und seine Familie zuhause. Zwischen 1954 und 2014 hat hier Walter Schmidt gewohnt. Der aus Baden stammende Koch suchte Anfang der 1950er Jahre in Mülheim an der Ruhr die große Freiheit und fand, obwohl er sich mit dem rauen Ton der Kumpel schwertat, hier nicht nur die Kohle, sondern mit seiner Frau auch das Lebensglück, das durch die gemeinsamen Kinder komplett gemacht wurde.
Auf der anderen Straßenseite weiter, weist ein Straßenschild den Weg zum Walter-Schmidt-Platz. Hier steht eine 2006 vom Bildhauer Jochen Leyendecker geschaffene Bergmannsskulptur. Walter Schmidt hat wesentlich dazu beigetragen hat, dass die alte Bergmannssiedlung ihren Charakter auch in der Zeit nach dem schwarzen Gold behalten konnte.
Heute wohnen auch Menschen ohen Bergbau-Bezug in den Siedlungshäusern
Er war während der 1970er Jahre eine treibende Kraft der Bürgerinitiative, die zur Siedlergemeinschaft werden sollte. Seine Mitstreiter und er sorgten dafür, dass die alten Bergmannshäuser an der Mausegatt- und an der Kreftenscheerstraße nicht zu modernisierten und für ihre Bewohner unbezahlbaren Spekulationsobjekte wurden, sondern sozialverträglich auf Miet- oder Eigentumsbasis in der Hand ihrer Bewohner blieben. Inzwischen sind viele der damaligen Mieter und Hauseigentümer gestorben. Ihre Erben haben ihr Häuschen in der Siedlung weitervererbt oder verkauft. Inzwischen wohnen in den 200 Siedlungshäusern auch Menschen ohne familiären Bergbau-Background.
„Der Arbeiter muss sich auch zuhause wohlfühlen. Dann ist er bereit, seine Arbeit gut zu tun.“ So hat Hugo Stinnes vor 125 Jahren erklärt, warum er mit seinem Industriellenkollegen August Thyssen und mit dem Mülheimer Bankier Leo Hanau als Gründer des Mülheimer Bergwerksvereins die Colonie Wiesche errichten ließ.
Die Arbeitersiedlung sollte die Streikbereitschaft hemmen
Ihr Name war Programm. Hier wohnten anfangs nur Bergleute der Zeche Wiesche mit ihren Familien, Hühnern, Tauben, Schafen und Schweinen. An die 1836 gegründete Zeche Wiesche erinnert heute auch der Wiescher Weg. Um 1900 gab es in Mülheim noch 3000 aktive Bergleute.
„Die Colonie Wiesche wurde errichtet, um die Bergleute mit dem Wohnraum für ihre Familien an das Bergwerk zu binden, in das auch Hugo Stinnes während seiner Lehrjahre eingefahren war. Außerdem konnten mit den niedrigen Mieten der Zechenhäuser die Lohnforderungen und die Streikbereitschaft der Bergarbeiter begrenzt werden“, erklärt Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Horst A. Wessel.
Der Bergbau lockte viele Menschen nach Mülheim
Die an der Feld- und Parallelstraße errichtete Bergarbeitersiedlung war der Hochindustrialisierung geschuldet. Mit ihr kamen immer mehr Menschen nach Mülheim, um hier zu leben und arbeiten. Da war eine Werkssiedlung mit preiswertem Wohnraum, ein Pluspunkt im Wettbewerb um Arbeitskräfte. Denn ihr Mietvertrag und ihr Arbeitsvertrag waren aneinandergekoppelt.
Wer in der Colonie Wiesche wohnte, konnte seinen Arbeitsplatz zu Fuß erreichen und sich die Straßenbahnfahrkarte sparen. Geld wert waren auch die Gärten und Ställe der Siedlungshäuser. Sie dienten ihren Bewohnern zur Selbstversorgung.
Die Selbstversorger-Gärten erwiesen sich in schweren Zeiten als Rettung
Nach der Fertigstellung der Siedlung wurden die Feld- und die Paralellstraße 1914 nach den Kohleflözen Mausegatt und Kreftenscheer umbenannt. 1914 begann der Erste Weltkrieg. Im Hungerwinter 1917/18 waren die Bergmannsfamilien besonders dankbar dafür, sich mit Lebensmitteln aus dem eigenen Garten und aus dem eigenen Stall versorgen zu können. Doch die 161 Luftangriffe, die während des Zweiten Weltkriegs Mülheim trafen, gingen auch an den Menschen in der Mausegattstraße nicht spurlos vorbei. Nach dem Krieg mussten 13 Siedlungshäuser wieder aufgebaut werden.
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