Mülheim. Renate Volandt war eine der ersten Ergotherapeutinnen in Mülheim. Sie stand damals vor der Wahl: Zurück zu Mama ziehen oder Pionierin werden?
In fast jedem Leben gibt es diesen Moment, da steht man vor der Wahl: Bleibe ich auf vertrautem Terrain oder wage ich den Sprung ins Ungewisse? Bei Renate Volandt war es mit Mitte vierzig so weit. Da war sie frisch getrennt, alleinerziehende Mutter einer neun Jahre alten Tochter und musste sich fragen: Gehe ich jetzt zurück in die pfälzische Heimat und ziehe wieder bei meiner Mutter ein oder wage ich den Sprung in die Selbstständigkeit?
Sie entschied sich für Letzteres und gründete als alleinerziehende Mutter eine der ersten Praxen für Ergotherapie in Mülheim. Das war 1998 und damit machte sich Renate Volandt zur Pionierin. „In der Pfalz gab es damals schon eine Praxis an jeder Ecke. Mülheim dagegen war ein weißer Fleck auf der Landkarte.“ Am Anfang bedeutete das vor allem, Klinken zu putzen. „Ich bin in die Arztpraxen gegangen und versuchte, den Kinderärzten überhaupt einmal zu erklären, was Ergotherapie ist. Eine Antwort, die ich damals bekam, lautete: Das ist eine Modeerscheinung. Das geht wieder weg.“
Genau das hat manch einer in den Anfangsjahren des Internets auch behauptet. Richtig ist es in beiden Fällen nicht. Ergotherapie ist heute fester Bestandteil vieler Förderkonzepte und steckt ein weites Feld ab. Denn zur Ergotherapie gehört sowohl die Körperarbeit nach Schlaganfällen, bei Rheuma oder anderen Erkrankungen. Es geht aber auch um das Üben von sozialem Miteinander, Alltagskompetenzen und Konzentration. Etwa ein Drittel der Klienten sind Erwachsene, der Rest Kinder.
Renate Volandt überraschte damals auch der offensichtliche Standesunterschied zwischen Medizinern und Therapeuten. „Ich hatte zuvor drei Jahre in Südafrika gearbeitet. Dort ist Ergotherapeutin ein akademischer Beruf, man studiert Seite an Seite mit den Ärzten und ist auf Augenhöhe.“ Zurück in Deutschland bildete sie sich weiter und nahm dafür auch weite Wege in Kauf. „Nach der Trennung hätte ich mir Möbel kaufen müssen, ich dagegen fuhr zur Fortbildung in die Schweiz.“
Heute ist die Wahl-Mülheimerin nur noch zu Gast in ihrer geliebten Praxis
Mit den Jahren baute Renate Volandt ein Team mit fünf angestellten Therapeutinnen und einer Bürokraft auf. Ihr großer Stolz war der Umzug von der alten Praxis Schloßstraße ins kernsanierte Gebäude an der Wallstraße. „Das ist die schönste Praxis, die man sich nur wünschen kann“, sagt sie heute beim Gang durch die Räume. Heute allerdings ist sie als Gast dort. Denn zum neuen Jahr hat Renate Volandt ihre Praxis an eine junge Nachfolgerin übergeben. Lea Tiemann ist 36, Mutter zweier Kleinkinder und „hatte schon immer den Traum von einer eigenen Praxis“. Das erfahrene Team hat sie übernommen.
Wie hat sich die Arbeit als Ergotherapeutin im Laufe der Jahre verändert? „Früher kamen fast ausschließlich Vorschulkinder und Erstklässler. Heute kommen die Kinder viel später“, sagt Renate Volandt und ergänzt: „Inzwischen gehört viel Elternarbeit dazu.“ „Und Lehrerarbeit“, fügt Lea Tiemann hinzu. Es vergehe kaum eine Woche, in der sie nicht mit mindestens einem Lehrer oder einer Lehrerin telefoniere. Häufiges Thema: Konzentrationsschwächen.
Eine Wanne mit Rapskernen: Genau das ist Ergotherapie
Wer Renate Volandt und Lea Tiemann begegnet, trifft auf zwei Frauen, die sichtlich für ihren Beruf brennen. „Es ist mir zu einer Berufung geworden“, bestätigt Renate Volandt, die sich auch mit 67 Jahren nicht leichtherzig aus dem Berufsleben verabschiedet. Während sie erzählen, sitzen die beiden Frauen in einem Behandlungsraum, für das Foto wird eine kleine Wanne aufgebaut, die mit Rapskernen gefüllt ist. Beide Frauen vergraben ihre Hände darin. Die Kerne sind rund, glatt und kühl. „Man kann das nur angenehm finden. Selbst wer Rheumaschmerzen hat, mag hier drin die Hände bewegen“, sagt Renate Volandt und fügt hinzu: „Genau das ist Ergotherapie. Physio geht ran. Ergo sucht eine Tätigkeit, die wirkt.“
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