Mülheim. Medikamentenmangel: Patienten leiden unter der angespannten Versorgungslage. Warum so viele Mülheimer leer ausgehen und was sie tun können.
Seit zwei Jahren begibt sich eine Leserin auf die beschwerliche Odyssee zwischen verschiedenen Apotheken, um die notwendigen Medikamente für ihre schwer an Diabetes erkrankte Mutter zu besorgen. „Trulicity, ein Medikament zur Behandlung von Diabetes, ist ständig nicht verfügbar. Einmal musste meine Mutter sogar einen Monat lang auf ihre Medikation verzichten“, berichtet sie in den sozialen Medien. Bei einer Freundin sei dadurch sogar ein stationärer Krankenhausaufenthalt notwendig gewesen. Seit geraumer Zeit hat der Mangel an Medikamenten ein deutschlandweites Ausmaß angenommen, was zahlreiche Bürgerinnen und Bürger zu aufwendigen Suchaktionen zwingt. Die Situation ist besonders alarmierend, da es sich dabei auch um lebensnotwendige Medikamente handelt. Auf Anfrage der Redaktion erläutern Apotheker und die Apothekerkammer Nordrhein die Gründe, warum viele Mülheimer trotz ihrer Bemühungen häufig mit leeren Händen nach Hause gehen.
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Apotheker Patrick Witte von der Pelikan Vital Apotheke im Forum schildert die aktuelle Situation: „Jeden Morgen durchforsten wir eine Liste von Wirkstoffen, und sobald wir sehen, dass sie bei einem Hersteller verfügbar sind, müssen wir sofort zuschlagen. Das sind jedoch reine Zufallsgeschichten.“ Die Apotheke stehe mehrmals am Tag in Kontakt mit Ärzten, um potenzielle Ausweichmedikamente zu besprechen. Obwohl E-Rezepte den Prozess erleichtern sollen, komme es trotzdem zu erheblichen Verzögerungen. Witte erzählt, dass viele Patienten Verständnis zeigen, jedoch kritisiert er die mangelnde Aufklärung seitens des Gesundheitsministeriums: „Wir sind von Lieferengpässen abhängig und erpressbar geworden, und es ist kein Ende in Sicht.“
Jens Krömer: „Gesundheit muss der Gesellschaft, der Berliner Politik etwas wert sein.“
„Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat vor einer Weile Einsicht gezeigt, als er meinte, man habe es mit der Ökonomisierung übertrieben. Allein: Geändert hat er wenig“, beklagt Jens Krömer, Sprecher der Apothekerkammer Nordrhein. „Was er damit in netten Worten ausdrückt, ist die Tatsache, dass bei Medikamenten immer mehr gespart wird. Rabattverträge der Krankenkassen haben dazu geführt, dass es sich für viele Hersteller nicht mehr lohnt, Arzneimittel nach Deutschland zu liefern. In anderen Ländern verdienen sie einfach mehr.“ Dies führe dazu, dass die Medikamentenversorgung in Deutschland von Lieferungen aus Fernost abhängig seien, was wiederum durch hausgemachte und krisenbedingte Probleme zu weiteren Störungen in den Lieferketten führe. Auch Patrick Marx, Inhaber von vier Apotheken in Mülheim, unterstreicht die politische Verantwortung: „Es wurden große Versprechungen gemacht, aber nichts eingehalten.“
Der Sprecher der Apothekerkammer Nordrhein betont: „Gesundheit muss der Gesellschaft, der Berliner Politik etwas wert sein.“ Das sei vor allem bei Generika immer weniger der Fall. „Das sind Mittel, die für Millionen von Menschen immer wieder gebraucht werden (patentfreie Arzneimittel) – bei denen es aber immer wieder zu solchen Zuständen kommt. Das sind Arzneimittel für Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes – aber es mangelt auch an Antibiotika und Schmerzmitteln.“ Die Bemühungen der Apotheker bei Lieferengpässen werde lediglich mit einem Zuschuss von 50 Cent netto pro Arzneimittel gewürdigt: „Da sieht man, was Gesundheit dem Minister wert ist“, so Krömer.
Abnehmtrend Diabetesmedikament: „Es gibt immer mehr Gründe“
Auch problematisch sei, dass ein frei verkäufliches Diabetesmedikament von vielen zum Abnehmen genutzt werde: „Es gibt immer mehr Gründe, warum Patienten lange Wartezeiten für ihre Medikamente haben“, erklärt Witte. Laut Krömer versuchen örtliche Apotheken ihr Bestmögliches trotz der aktuellen Lieferengpässe. Patienten wird geraten, bei mehreren Apotheken vorbeizuschauen, falls die notwendigen Medikamente nicht vorrätig sind, und mit Ärzten Ausweichmedikamente zu besprechen. Ansonsten helfe nur, sich so früh wie möglich um die Anschaffung zu kümmern. Auch wird geraten, sich direkt bei Fach- oder Haushaltspolitikern dafür einzusetzen, dass die Menschen nicht mehr um ihre Gesundheit wegen fehlender Medikamenten bangen müssen.
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