Mülheim. Investor Soravia, der in Mülheim mit hunderten Millionen Euro die „Parkstadt“ bauen will, hat Probleme bei seiner Finanzierung. Was bekannt ist.
Der österreichische Investor Soravia, der unter anderem mit einer dreistelligen Millionensumme die „Parkstadt Mülheim“ bauen will, hat Schwierigkeiten, im Zuge der Immobilienkrise seinen Verpflichtungen gegenüber Kapitalgebern nachzukommen. Der Konzern bereitet offenbar aktuell die Trennung von Gesellschaften vor, die die eigene Kreditwürdigkeit belasten könnten. Im Mittelpunkt dabei steht die in Hamburg ansässige One Group, die unter anderem Geld einsammelt für das Mega-Projekt der Parkstadt.
Die One Group, 2020 von Soravia als konzerneigene Investmentmanagerin zugekauft, hat in der Vergangenheit zur Finanzierung von Soravia-Bauprojekten nachrangige Namensschuldverschreibungen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro emittiert. Dabei hielt sie stets offen, für welche der Soravia-Vorhaben das Geld von privaten und semi-institutionellen Anlegern verwendet werden würde; in den Präsentationen der One Group taucht aber immer wieder an prominenter Stelle auch das Parkstadt-Projekt in Mülheim auf.
Soravia-Konzern ließ seinen Geldgebern 5,75 Prozent Verzinsung versprechen
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Am Anlageprodukt „Pro Real 10“ etwa konnten sich Anleger laut Verkaufsprospekt aus Juni 2021 zu Anteilen von mindestens 10.000 Euro einkaufen. Eingesammelt werden sollten damit mindestens 75, maximal 250 Millionen Euro für den Soravia-Konzern. Versprochen war ihnen zu Zeiten, als die Zinsen noch im Keller waren und die Krise im Bausektor noch nicht in den heutigen Dimensionen ersichtlich schien, eine satte jährliche Verzinsung von 5,75 Prozent, eine Auszahlung sollte es vierteljährlich geben.
Jenes Finanzierungssystem, über das laut One Group seit 2012 insgesamt mehr als 950 Millionen Euro akquiriert und davon 346 Millionen Euro an Anleger zurückgezahlt sind, ist nun mächtig ins Wanken geraten. Für drei ihrer emittierten Vermögensanlagen erklärte die One Group im Januar, ihre Zinszahlungen auszusetzen. Gleichzeitig stoppte sie den Vertrieb von fünf Anlageprodukten. Auch Rückzahlungen von Geldanlagen wurden eingestellt. Begründet wird der Zahlungsverzug mit „dem aktuell herausfordernden Marktumfeld. Insbesondere führte die Zins- und Inflationsentwicklung zu einem Anstieg der Finanzierungskosten, was zu einer Stagnation der Immobilienmärkte und zu rückläufigen Immobilienpreisen geführt hat“, heißt es in einer Pflichtmitteilung der One Group nach dem Vermögensanlagegesetz dazu.
Soravia hat umfassende Risikoanalyse aller Bauvorhaben gestartet
Es hieß, Soravia habe eine umfassende Risikoanalyse aller in ihrem Portfolio befindlichen Bauvorhaben gestartet. Ende dieses Monats soll die Analyse abgeschlossen sein. Doch eine groß angelegte Umstrukturierung ist bereits in vollem Gange. Die Geschäftsführung der One Group ist im Januar „mit sofortiger Wirkung“ ausgetauscht worden.
Soravia hat seinen eigenen Finanzvorstand Peter Steurer in die Verantwortung gesetzt und der international renommierten Kanzlei Willkie Farr & Gallagher laut Handelsregister eine umfassende Vollmacht zur Restrukturierung erteilt. Auch hat der österreichische Bau-Multi laut österreichischen Medien eine ihrer Holdings samt One Group und deren Tochtergesellschaften aus dem operativen Konzernteil der Soravia Investment Holding GmbH ausgegliedert. Sie sind nun in einer „ZH24 Beteiligung zwei GmbH“ verortet und damit mittelbar den Stiftungen von Erwin und Hanno Soravia zuzurechnen, die hinter dem Soravia-Konzern stehen.
Ein Sprecher der Soravia sah in dem Vorgehen „einen allgemein üblichen Prozess“ in Konzernen, es werde dadurch ja nicht der (finale) wirtschaftliche Eigentümer geändert. Die Umgliederung sei seit Langem geplant gewesen. Ein zentraler Punkt sei gewesen, „das Emissionsgeschäft der One Group als Dienstleistung für Dritte attraktiv auszugestalten und frei am Markt agieren und wachsen zu können“. Die damit verbundene Risikodiversifizierung diene auch aufsichtsrechtlichen Zielsetzungen, hieß es.
„Es ist so ziemlich die höchste Risikoklasse, auf die man sich als Anleger einlassen kann“
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Will Soravia in einer Art Bad Bank aus dem Ruder gelaufene Fondsgesellschaften bündeln und so zulasten der deutschen Anleger schlechtes von gutem Geschäft abtrennen? Diese Befürchtung steht im Raum. Dem Vernehmen nach riskieren rund 11.000 Anleger im schlimmsten Fall, all ihr Geld zu verlieren. Ihr Problem steckt bereits im qualifizierten Nachrang ihrer Namensschuldverschreibungen, auf die sie sich zur Finanzierung von Soravia-Projekten eingelassen haben. „Es ist so ziemlich die höchste Risikoklasse, auf die man sich als Anleger einlassen kann“, sagt Marc Gericke, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. „Im Falle einer Insolvenz gibt es erst dann was für die Anleger, wenn alle anderen Gläubiger befriedigt sind.“
Gericke verzeichnet seit Januar „jede Menge Anfragen“ verunsicherter Anleger. Wie die Angelegenheit für sie ausgehen werde, sei aktuell „Kaffeesatzleserei“. Es flössen an die Anleger „relativ spärlich offizielle Informationen“. Ob es tatsächlich, wie angekündigt, zur Gründung eines Anlegerbeirates komme, bleibe abzuwarten. „Noch im März wird die Stunde der Wahrheit schlagen“, so Gericke.
Soravia-Konzern sieht sich selbst weiter „stabil und gut aufgestellt“
Gegenüber österreichischen Medien deutete Erwin Soravia dieser Tage bereits an, dass Tausende deutscher Anleger Verluste zu erwarten haben. „Es tut uns sehr weh, dass auch wir vom Zusammenbruch des Marktes nicht ganz verschont geblieben sind. Wir arbeiten auf Hochtouren an einer bestmöglichen Sanierung“, wurde er in der Vorwoche vom Wirtschaftsmagazin Trend zitiert. Insgesamt sei der Soravia-Konzern aber „stabil und gut aufgestellt“, sucht sich Soravia etwa von der Benko-Pleite abzugrenzen. Als einer der wenigen Projektentwickler der Immobilienbranche sei man auch aktuell in der Lage, gegenüber Banken nie säumig zu werden.
Säumig ist man mit seinen Fondsgesellschaften aber schon gegenüber Anlegern. Die von Fachanwalt Gericke beschworene „Stunde der Wahrheit“ nahm nun Gestalt an. Soravia ließ für eine kurzerhand nach Offenbach verlegte Poolgesellschaft, an der zwei jener in Zahlungsnot geratenen Fondsgesellschaften hängen und die eingeworbene Gelder an Soravia-Projekte weiterleitete, Insolvenz anmelden. Angestrebt ist ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. „Ich hoffe, dass man sich hier der Verantwortung gegenüber dem Anleger beziehungsweise der Anlegerin besinnt und diese in die Restrukturierung mit einbezieht“, so Gericke.
Eine Soravia-Gesellschaft will Insolvenzverfahren in Eigenregie durchziehen
Die Soravia-Gruppe sieht sich einer eigenen Veröffentlichung nach trotz allem „solide aufgestellt“. Die gegenwärtig krisenhafte Marktdynamik betreffe punktuell nur vier von insgesamt 390 Konzerngesellschaften. Von einer „Schieflage“ könne überhaupt nicht die Rede sein. Die aktuelle Risikoanalyse bei der One Group habe Handlungsbedarf bei vier von 23 betrachteten Emittentinnen ergeben. Zum Teil könne man die Probleme durch Verlängerungen der Laufzeiten lösen.
Im Fall der Poolgesellschaft „SC Finance Four GmbH“, die eingeworbene Mittel der Serien „Pro Real 9“ und „Pro Real 10“ an Soravia-Projektentwicklungen verteilt hat, strebe man jenes Insolvenzverfahren in Eigenregie an, „um die aus der Marktveränderung erwachsenden Nachfinanzierungsbedarfe in den Zielprojekten realisieren zu können“. Die von Anfang an bestehende Trennung rechtlicher Einheiten verhindere die Ausbreitung möglicher Risiken auf den Gesamtkonzern, hieß es.
Soravia: Die Parkstadt Mülheim bleibt ein wichtiges Großprojekt
„Die Mülheimer Parkstadt ist für die Soravia Gruppe ein wichtiges Großprojekt“, stellte ein Soravia-Sprecher am Mittwochabend klar. „Wir sehen das Projekt und seine Umsetzung auch in Anbetracht der derzeit gegebenen Marktunsicherheiten weiterhin sehr positiv und sind im Plan bei allen wichtigen Milestones.“ Bei den Bestandsgebäuden seien heute bereits zwei Drittel der Flächen langfristig vermietet (rund 43.000 Quadratmeter), weitere Mietverträge seien in Aussicht. Die Finanzierungsstruktur aller verabschiedeten Baumaßnahmen sei „voll gesichert, auch über lokale Banken und Sparkassen“. Es sei gelungen, dank eines rigorosen Projekt- und Kostenmanagements die gestiegenen Baukosten aufzufangen und den Bestand im Rahmen des Projektbudgets zu sanieren.
>> Aus einem Verkaufsprojekt der One Group
Im Abschnitt „Profil des typischen Anlegers“ verweist das Prospekt der Fondsgesellschaft „Pro Real 10“ unverhohlen auf die Risiken, denen sich Anleger aussetzen für die versprochene Verzinsung. Die Anlage sei „lediglich zur Beimischung“ eines Anlageportfolios geeignet, weil sie „spezifische Risiken“ in sich berge. „Der Anleger muss fähig sein, die Verluste, die sich [...] ergeben können, bis zu 100 % des Gesamtbetrages (Totalverlust), sowie aus weiteren Zahlungsverpflichtungen bis zur Privatinsolvenz zu tragen“, heißt es da. So sei jene nachrangige Namensschuldverschreibung auch nichts für Anleger, die etwas Sicheres und Festverzinstes suchten.
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