Mülheim. Bis der begehrte „Lappen“ da ist, brauchen Fahrschüler im Schnitt immer länger. Mülheimer Fahrlehrer erklären, woran das aus ihrer Sicht liegt.
Je schneller, umso besser: Noch immer ist der schnellstmögliche Erwerb des Auto-Führerscheins für viele Jugendliche selbstverständlich. Dabei geht der Trend parallel zu immer höherem Zeit- und Geld-Aufwand, um an den begehrten „Lappen“ zu kommen. Wie sieht das in Mülheim aus? Wir haben bei einigen Fahrschulen nachgefragt.
„Im Bundesdurchschnitt schaffen momentan zwei Drittel die theoretische und die praktische Prüfung im ersten Anlauf“, berichtet Richard Schröer von der gleichnamigen Saarner Fahrschule. „Bei uns schaffen es 85 Prozent beim ersten Mal.“ Er hat auch eine Erklärung für diesen nicht unerheblichen Unterschied. „Bei uns bekommen die Fahrschüler bei der Anmeldung alle eine App, mit der sie sich auf die Theorie-Prüfung vorbereiten können.“ Da könne man den tatsächlichen Leistungsstand der Schüler sehr gut ermitteln, so der Fahrlehrer.
Mülheimer Fahrlehrer beobachtet Konzentrationsmangel
„Das Lernverhalten der jungen Leute hat sich komplett geändert“, sagt Schröer. Er schreibt diese Entwicklung der „medialen Dauerbeschallung“ zu, der die Jugendlichen heutzutage ausgesetzt seien. „Dadurch schwindet die Konzentrationsfähigkeit und es tritt schnell Langeweile auf“, ist er sich sicher. Bezüglich der grundsätzlichen Leistungsfähigkeit sieht Schröer keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. „Die Mädchen sind ein bisschen fleißiger und bleiben länger an einer Sache dran.“
Bei Schröer brauchen die Schülerinnen und Schüler durchschnittlich 30 bis 35 Fahrstunden, bevor sie zur Prüfung antreten. Addiert man alle Kosten – von der Anmeldung über die Fahrstunden und die Prüfungsgebühren bis hin zu den Kosten für das Bürgeramt, den Erste-Hilfe-Kurs und einen Sehtest, dann schlägt der Erwerb eines Führerscheins seiner Einschätzung zufolge momentan mit rund 3000 Euro zu Buche.
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„Die Prüfungsanforderungen werden immer höher“
Richard Schröer sieht der Zukunft eher skeptisch entgegen. „Die Prüfungsanforderungen werden immer höher“, bemängelt er. Schon jetzt sei die Zeit für die praktische Prüfung auf 55 Minuten und die Zahl der zu lernenden Theorie-Fragen auf 1200 erhöht worden. Bei beiden Prüfungen spielten zudem Fragen zur Fahrzeugtechnik eine immer größere Rolle. „Ist das noch sinnvoll?“, fragt Schröer. Seiner Meinung nach gehe das an den zentralen Inhalten des Fahrenlernens vorbei.
Rainer Schneider ist der Inhaber der Mülheimer Fahrschule Plan C. Im letzten und vorletzten Jahr sollen rund 70 Prozent seiner Schülerinnen und Schüler die theoretische Prüfung beim ersten Versuch bestanden haben. Bei der praktischen Prüfung seien es im Durchschnitt sogar 75 Prozent. Er sieht einen klaren Trend. „Mein Gefühl ist, dass die Leute den Führerschein nicht mehr so dringend brauchen“, sagt er. „Da werden heutzutage einfach andere Prioritäten gesetzt. Vor 20 oder 30 Jahren war das ganz anders“, erinnert er sich.
Mülheimer Jugend lasse sich viel von den Eltern bringen
Diesbezüglich hätten sich die Zeiten stark geändert. „Die Jugend ist nicht mehr drauf angewiesen, weil die Eltern ihre Kinder überall hinbringen.“ Da sei er mit seiner Tochter keinen Deut besser – „dabei sitze ich doch an der Quelle“, sagt der Fachmann mit einem Augenzwinkern. Allgemein sei der Trend auszumachen, dass die Jugendlichen immer später mit den Fahrkursen beginnen.
In Rainer Schneiders Fahrschule bräuchten die Schülerinnen und Schüler durchschnittlich 35 bis 45 Stunden bis zur praktischen Fahrprüfung. „Unter 3.500 Euro wird es heutzutage schwierig, den Führerschein zu machen“, erläutert Schneider. Vielmehr müsse man im Durchschnitt mit 3.500 bis 4.500 Euro rechnen.
Mülheimer Fahrlehrer sieht weniger Interesse am Führerschein
Helmut Aretz ist Chef der Fahrschule Extra Drive. Auch bei seinen Schülerinnen und Schülern liege die Quote derer, die beim ersten Versuch ihren Führerschein erhalten, bei knapp 70 Prozent. Im theoretischen Teil habe es einer seiner Schüler gerade im siebten Anlauf geschafft, die Prüfung zu bestehen. Da spiele häufig auch Prüfungsangst eine Rolle. „Die Mädchen lernen mehr und bestehen dementsprechend ein wenig häufiger“, konstatiert Aretz. Den durchschnittlichen Stunden-Aufwand bis zur Prüfung beziffert er mit 30 bis 35 und den finanziellen Aufwand im Durchschnitt mit 2.500 bis 3.500 Euro.
„Das Interesse am Führerschein ist nicht mehr so groß, wie früher“, ist Helmut Aretz überzeugt. Oft seien sogar die Eltern die treibende Kraft hinter den Anmeldungen zum Unterricht, so der Fahrlehrer, der auch in der Fahrlehrer-Ausbildung aktiv ist. Sein Blick in die Zukunft ist dementsprechend skeptisch. „Es wird nicht besser werden.“ Der ÖPNV werde gefördert und bei vielen Jugendlichen herrsche schlicht die Einstellung vor: Ich brauche den Führerschein nicht wirklich, so Aretz.
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