Mülheim. Die fünfköpfige Familie Krajewski aus Mülheim verzichtet komplett auf Smartphones – aus freien Stücken. Was das für ihren Alltag bedeutet.

Sie sind die Krajewskis: Vater Rafael (47), Mutter Alice (42) und die Kinder – Halina (12), Vincent (10) und Béla (7). In einer ruhigen Wohngegend in Mülheim-Winkhausen lebt die Familie unterm Dach eines Mehrfamilienhauses in einer Etagen-Wohnung. Während die Kinder und Mutter Alice, sie ist Lehrerin, zur Schule gehen, kümmert sich Vater Rafael, studierter Maschinenbauingenieur und aktuell Hausmann, um den Umbau des Hauses, in das die Fünf bald ziehen möchten. Es liegt nur einen Katzensprung von der jetzigen Wohnung entfernt. Wer jemanden von den fünf Krajewskis erreichen möchte, kann anrufen oder eine Whatsapp-Nachricht schreiben. Bis darauf jedoch eine Antwort kommt, kann es unter Umständen viele, viele Stunden dauern. Denn: Die Krajewskis leben ohne Smartphones.

Ständig erreichbar sein: Was für viele in der heutigen Zeit absolut selbstverständlich ist, ist für die Familie unvorstellbar. Weder die Eltern noch die Kinder haben jemals ein Smartphone besessen. „Wieso auch?“, fragt Rafael Krajewski. „Ich fand es schon immer überflüssig und ich wüsste nicht, was diesen Standpunkt ändern sollte.“ Als er und seine Frau Alice sich während des Studiums, er Physik, sie Kunst, an der Uni kennenlernten, waren Smartphones noch kein Thema. „Über eine Dating-App haben wir uns jedenfalls nicht kennengelernt“, scherzt der 47-Jährige.

Rafael Krajewski (47) ist Ingenieur und hat selbst schon viel programmiert. Er kennt also auch die technische Dimension hinter Apps.
Rafael Krajewski (47) ist Ingenieur und hat selbst schon viel programmiert. Er kennt also auch die technische Dimension hinter Apps. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Mülheimer Familie findet Smartphone-Konsum teils erschreckend

Schon bald sollten die Geräte, die längst Gebrauchsgegenstand geworden sind, ihre globale Ausbreitung antreten. An den Krajewskis ist diese Bewegung aber vorbeigegangen, eine bewusste Entscheidung. „Es schreckt einen schon ab zu sehen, wie vertieft manche Menschen in ihr Smartphone sind“, sagt Alice Krajewski. „Gerade bei Kindern finde ich das enorm.“ Sehr häufig beobachte sie, wie schon die Kleinsten, aber auch Erwachsene vollkommen in die Geräte vertieft und kaum ansprechbar seien. „Ich habe das Gefühl, viele nehmen ihre Umwelt gar nicht wahr.“

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Dass das auch anders gehen kann, beweisen die Krajewskis schon seit Jahren. Statt eines Smartphones pro Familienmitglied gibt es Tastenhandys mit Klappfunktion für Mutter, Vater, Halina und Vincent. „Béla ist dafür noch zu klein“, sagt die Zwölfjährige Halina. Vieles, was normalerweise am Smartphone erledigt wird, machen die Krajewskis am PC, gleich zwei Standrechner stehen in der Wohnung, die im Übrigen auch keinen Fernseher hat. „Whatsapp gibt es auch als Web-Anwendung, das klappt super“, berichtet Rafael Krajewski. „Abends lesen wir dann die Nachrichten, die wir bekommen haben, ein bisschen wie bei Mails.“ Durch die mangelnde Mobilität der Rechner können da zum Teil schon einige Stunden vergehen, ehe eine Antwort kommt.

Familie Krajewski aus Mülheim nutzt gebrauchte Klapphandys

Keine Frage, für die Krajewskis ist gerade das eines der schlagenden Argumente für ein Smartphone-loses oder eben auch Smartphone-freies Leben, je nach Perspektive. „Es ist sehr angenehm, nicht immer erreichbar zu sein oder es sein zu müssen“, sagt Alice Krajewski. Und wenn mal was Dringendes sei, auch bei den Klapphandys gehen SMS und Anrufe ganz normal durch. Die silbernen, handlichen Geräte hat die Familie gebraucht gekauft, „die Akkus halten mehrere Tage“, so Rafael Krajewski.

Die Geschwister Halina (12, l.),  Béla (7) und Vincent (10) lesen in ihrer Freizeit sehr gerne, treffen Freunde oder malen.
Die Geschwister Halina (12, l.), Béla (7) und Vincent (10) lesen in ihrer Freizeit sehr gerne, treffen Freunde oder malen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Trotz aller Vorteile: Hin und wieder stößt die Familie mit ihrem Lebensstil auch an Grenzen. Wie kürzlich an der neuen Packstation am Supermarkt. „Ich wollte ein Paket abgeben, das ging aber nur mithilfe einer App“, berichtet Alice Krajewski. Oder als es beim Ausflug in den Düsseldorfer Aquazoo zu einem Ärgernis kam. „Manchmal stört es mich sehr, wie stark der Besitz eines Smartphones als selbstverständlich genommen wird“, sagt Rafael Krajewski. So wie vom VRR beziehungsweise dem Ticketanbieter Transdev. Das online gekaufte 24-Stunden-Ticket stellte sich als nur digital auf einem Smartphone gültig heraus. „Einen Hinweis darauf gab es beim Kauf nicht.“ Nach hartnäckiger Beschwerde gab es das Geld zurück, ein neues Ticket wurde vor Fahrtantritt am Automaten gelöst.

Mülheimer Familie kann ihrem Lebensstil fast nur Vorteile abgewinnen

Solche Erlebnisse schrecken die Familie aber nicht von ihrem Lebensstil ab, im Gegenteil. Beim Ausflug in Düsseldorf erkundigten sich die Mülheimer bei einer ortskundigen Dame nach dem kürzesten Weg zum Hauptbahnhof. „Es entwickelte sich ein sehr nettes Gespräch und ein Besichtigungstipp inklusive Führung in der sehr beeindruckenden Bücherei Düsseldorf, die letztes Jahr zur besten Bücherei des Jahres gekürt worden ist“, berichtet der dreifache Vater. „Mit einem Smartphone in der Tasche hätte es diese nette Begegnung höchstwahrscheinlich nicht gegeben.“

Auf die Frage hin, was man denn an einem langen Wochenende oder auch am Abend mit drei Kindern so macht, lachen die Eltern zunächst. „Es ist erstaunlich, aber unsere Kinder können sich stundenlang mit Malen, Spielen oder Lesen beschäftigen“, sagt Alice Krajewski. Das sehr gut bestückte Bücherregal und der gegenüberliegende Schrank mit Brettspielen deuten darauf hin. „Und wenn ich meine Kinder mit Gleichaltrigen vergleiche, muss ich wirklich sagen, dass sie eine deutlich längere Aufmerksamkeitsspanne haben.“

„Wenn ich meine Kinder mit Gleichaltrigen vergleiche, muss ich wirklich sagen, dass sie eine deutlich längere Aufmerksamkeitsspanne haben“, sagt Alice Krajewski (42).
„Wenn ich meine Kinder mit Gleichaltrigen vergleiche, muss ich wirklich sagen, dass sie eine deutlich längere Aufmerksamkeitsspanne haben“, sagt Alice Krajewski (42). © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Halina: „Ich möchte kein Smartphone“

Und auch wenn es nur wenige gibt, diese Bildschirme, im Hause Krajewski – so ist das Thema Bildschirmzeit doch gewissermaßen präsent oder zumindest geregelt. „Am Wochenende dürfen wir uns einen Film angucken“, erzählt Vincent. „Den suchen wir selbst aus.“

Dass Halina, Vincent und Béla als Kinder ohne Smartphone eine Besonderheit sind, haben sie mittlerweile mitbekommen. Während ihre Eltern eher von überraschten Reaktionen sprechen, scheint das bei den Kindern anders zu laufen. „Also ganz oft sind die anderen schockiert“, berichtet etwa Halina. „Aber ich möchte kein Smartphone. Ich brauche das nicht. Einen Laptop hätte ich gerne, vielleicht so mit 15?“ Für Béla sieht das ähnlich deutlich aus. „Wieso soll ich am Handy spielen, das macht in echt mehr Spaß.“

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