Mülheim/Essen. Unterlassene Hilfeleistung? Die Anzeige gegen einen Mülheimer Mediziner ist vom Tisch. Die Diskussion zwischen Ärzten und Polizei beginnt erst.
Nun hat es der Mülheimer Hausarzt Uwe Brock ganz offiziell, Schwarz auf Weiß: Das Ermittlungsverfahren gegen ihn - Tatvorwurf: Unterlassene Hilfeleistung - wurde eingestellt. Das Schreiben der Staatsanwaltschaft Duisburg datiert vom 14. November 2023. Abgestempelt wurde der Brief allerdings erst am 21. Dezember, Brock fand ihn am 27. Dezember in der Post.
Wie berichtet, wurde gegen den Arzt strafrechtlich ermittelt, weil er eine schwer krebskranke Frau (64) nach einem Suizidversuch palliativ betreut, aber nicht wiederbelebt hatte. Die entsprechende Patientenverfügung kannte er. Die Mülheimerin starb am 14. September 2023 in ihrer Wohnung, seit dem Vortag war sie bewusstlos gewesen. Der Mediziner, auch Sprecher der Ärztekammer in Mülheim, musste einen „nicht natürlichen Tod“ bescheinigen. Die anschließenden Ermittlungen, verbunden mit Stranfanzeigen und monatelanger Ungewissheit, betrafen nicht nur ihn selber, sondern auch eine Pflegekraft und den Lebensgefährten der Verstorbenen.
Mülheimerin wollte sterben: Schwieriger Fall beschäftigt Ärzte und Polizei
Brock, der in einem Mülheimer Palliativnetzwerk engagiert ist, vermutet Informationsdefizite der Polizei, die er öffentlich kritisiert. Vertreter der Polizei Essen/Mülheim wiederum hatten dargelegt, warum sie in solchen Fällen nicht anders handeln könnten: „Sobald auch nur der Anfangsverdacht einer Straftat besteht, sind die Kollegen verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten“, erläuterte Polizeisprecher Pascal Pettinato. Die Fälle seien vor Ort schwierig zu bewerten, müssten fachlich und juristisch komplett geprüft werden. Unabhängig davon, ob eine Patientenverfügung vorliegt.
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Die Einstellung eines solchen Verfahrens obliege dann jedoch nicht der Polizei, ergänzt Pettinato, sondern sei Sache der Staatsanwaltschaft. „Hauptproblem war in diesem Fall, dass das Ergebnis den Betroffenen nicht schnell mitgeteilt wurde, dass sie so lange in Unkenntnis geblieben sind.“
Gespräch über Todesermittlungen und Palliativmedizin
Der Vorfall hat Wellen geschlagen. Der Mülheimer Hausarzt hat, wie er berichtet, nach der Veröffentlichung viel Unterstützung und Zuspruch bekommen. Der Polizeipräsident für Essen und Mülheim, Andreas Stüve, hat Brock und den Essener Ärztekammer-Vorsitzenden, Dr. Matthias Benn, zum persönlichen Gespräch eingeladen. Am Mittwoch wurde etwa eine Stunde lang geredet. Dabei waren auch der stellvertretende Leiter der Direktion Kriminalität, Bernd Röser, sowie Polizeisprecher Pascal Pettinato.
Nach dessen Einschätzung war es ein „vertrauensvolles Gespräch“. Jede Seite habe ihre Perspektive dargelegt. Die Polizei habe das Todesermittlungsverfahren erläutert, die Ärztevertreter hätten über die palliativmedizinische Arbeit gesprochen. Ein Ergebnis des Treffens sei gewesen, dass man in Zukunft gegenseitig Infoveranstaltungen besuchen wolle, so der Polizeisprecher: „Wir möchten Kontakt zu palliativmedizinischen Teams in Essen und Mülheim aufnehmen und in den Austausch kommen.“ Ängste mit Blick auf polizeiliche Verfahrensabläufe sollten abgebaut werden.
Arzt: „Patientenwille muss unbedingt umgesetzt werden“
Auch Uwe Brock fand das Gespräch „konstruktiv und zielgerichtet“. Man könne aber weiter darüber diskutieren, ob es im Fall der verstorbenen Mülheimerin der richtige Weg gewesen sei, sofort eine Strafanzeige zu fertigen. Dass ein Todesermittlungsverfahren notwendig war, leuchte ihm ein. Doch seiner Meinung nach hätte erst das für Todesermittlungen zuständige Fachkommissariat (KK 11) beurteilen sollen, ob in diesem Fall Strafanzeige erstattet werden muss. Und nicht die ersten Beamten, die vor Ort waren.
Daher, resümiert der Mülheimer Ärztevertreter: „Es ist auf jeden Fall zum Vorteil aller, wenn sich Polizei und Palliativmediziner austauschen.“ Für ihn bleibe entscheidend: „Der Patientenwille muss unbedingt umgesetzt werden. Und wir Ärzte sind Garanten dafür.“
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