Mülheim. Zwischen Ruhrbania und Mülheim-Styrum wollen Stadt und Partner eine gedeihliche Neuentwicklung. Die Politik formulierte nun Pflichten und Vetos.
Nach dem ersten lauten Knall beim Mega-Stadtenwicklungsprojekt „Mülheim-West“, mit dem die Stadt und andere Grundstückseigentümer das Areal längs der Ruhr zwischen Ruhrbania und Styrum neu aufstellen wollen, zeichnet sich nun ab, wo die Politik rote Linien setzt und was sie einfordert.
Die Ratskoalition aus CDU und Grünen ist mit einem entsprechenden Forderungskatalog zuletzt in den Wirtschaftsausschuss des Stadtrates gegangenen. Das einstimmige, parteiübergreifende Votum für ihre Initiative unterstreicht die breite Unterstützung für das Ansinnen, im Rahmenplan zur Entwicklung der rund 39 Hektar in prominenter Lage am Fluss Leitplanken des Machbaren und des Unerwünschten zu setzen.
Aufruhr im März 2023: Pachtvertrag für Mülheims Friedrich-Wilhelms-Hütte infrage gestellt
Erst noch einmal grundsätzlich zum Stadtentwicklungsprojekt: Im Frühjahr 2021 hatten Stadt sowie die Grundstückseigentümer der Friedrich-Wilhelms-Hütte, namentlich Thyssenkrupp Schulte, Thyssenkrupp Materials Services, Aldi Süd und der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft, vereinbart, sich gemeinsam auf den Weg machen zu wollen, um den mitunter brachliegenden Flächen zu mehr Blüte zu verhelfen. Es war das Ziel ausgerufen, „ein zukunftsträchtiges Quartier zu entwickeln, in dem sich vor allem Arbeiten, Produktion, Freizeit und Erholung, Kultur und Event sinnfällig verbinden und gegenseitig zu einer lebendigen und urbanen Mischung ergänzen“. So jedenfalls hieß es im Wortlaut einer Absichtserklärung, die alle Beteiligten seinerzeit gezeichnet haben.
Aufruhr hatte es dann im März gegeben, als Planer und Grundstückseigentümer bei einer ersten Bürgerversammlung zum Projekt drei Entwicklungsszenarien für die Filetgrundstücke östlich der Ruhr vorstellten. In einem der drei Szenarien war von einem weiteren Betrieb der zuletzt wieder aufblühenden Friedrich-Wilhelms-Hütte keine Rede mehr. Klar wurde, dass die Georgsmarienhütte (GMH) Gruppe als ehemalige Hütten-Eigentümerin und aktuelle Grundbesitzerin offenbar bereit war, für die mehr als 200 Jahre währende Industriegeschichte vor Ort das letzte Kapitel aufzuschlagen. Dass GMH-Geschäftsführerin Anne-Marie Großmann seinerzeit offen davon sprach, ihr Grundstück zumindest in Teilen auch als Wohnbauland zu Geld machen zu wollen, verschlug Teilnehmern aus Belegschaft und Politik damals die Sprache. In der Folge machte Mülheims Politik klar, dass eine solche Umwidmung im Baurecht mit ihr nicht zu machen sein werde.
Mülheims Politik will „hochmodernen Industrie- und Gewerbestandort“ und kein Wohnbauland
Die GMH-Gruppe hat zwischenzeitlich entsprechend eingelenkt. Die Aussage von Großmann aus dem März, die Hütte habe „keine langfristige Perspektive hier am Standort, so wie er ist“, ist revidiert. Nach Aussage von Hütten-Geschäftsführer Lars Steinheider zuletzt im Rahmen des Besuchs von SPD-Chef Lars Klingbeil verhandeln beide Seiten mittlerweile über die Verlängerung des Pachtvertrages über das Jahr 2026 hinaus. Steinheider äußerte sich gegenüber dieser Redaktion zuversichtlich, womöglich noch in diesem Jahr eine Einigung mit der GMH-Gruppe zu erzielen.
Jetzt hat die politische Ratsmehrheit aus CDU und Grünen noch mal mit politischem Antrag und größtmöglicher Unterstützung aller anderen politischen Kräfte untermauert, dass Wohnbebauung nördlich der Konrad-Adenauer-Straße ausgeschlossen bleiben soll. Per Antrag ließ Schwarz-Grün der Mülheimer Planungsverwaltung ins Pflichtenheft schreiben, mit den Partnern vor Ort eine Entwicklung zu forcieren, an deren Ende ein „hochmoderner Industrie- und Gewerbestandort“ geschaffen sein soll, mit dem Schwerpunkt auf produzierendem Gewerbe und der Ansiedlung von zukunftsfähigen Schlüsselindustrien wie Halbleiterfabriken, Herstellern für Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen, Leistungselektronik oder Medizinprodukten. Großflächige Logistik soll – wie auf dem Vallourec-Areal – auch hier ausgeschlossen bleiben. Im Süden des Entwicklungsgebietes, an der Nahtstelle zu den Ruhrbania-Baufeldern 3 und 4 und der Innenstadt, soll demnach auch „eine behutsame Büro- und Gewerbeentwicklung“ möglich werden.
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In insgesamt sieben Punkten haben CDU und Grünen und nun auch die komplette Wirtschaftspolitik des Stadtrates weitere Leitplanken für die Rahmenplanung gesetzt. So fordern sie den Erhalt der Schienenanbindung „in der vollen Tiefe des Geländes“ und eine Prüfung, ob auch der Warenumschlag über die Ruhr durch eine Instandsetzung der Kaianlage wieder möglich zu machen ist. Straße, Schiene, Wasserstraße: CDU und Grüne wollen die drei Transportwege möglichst über einen Logistik-Hub vernetzt sehen – mit einer Verladerampe, die auch für andere Unternehmen aus der Stadt zu nutzen wäre. „Im Optimalfall“ sei auch eine Anbindung an die Hafenbahn auf der anderen Ruhrseite wiederherzustellen, heißt es.
„Begrünung wo irgend möglich“ fordert Schwarz-Grün etwa den Erhalt des vorhandenen Naturschutzgebietes, ebenso einen möglichst geringen Versiegelungsgrad; möglicherweise könne man mit Gebäuden auf Stelzen planen. Zu achten sei auch auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Altlasten. Alter Gebäudebestand soll nicht voreilig abgerissen werden, es sei ein innovativer Umgang damit zu suchen. „Insbesondere die Backsteinkulisse der Friedrich-Wilhelms-Hütte bietet Möglichkeiten zur Verschmelzung von zeitgemäßer Architektur und Industriekultur/Industrieerbe“, wollen CDU und Grüne ernsthaft geprüft sehen, was aus Gründen der Ressourcenschonung „sinnvoll erhalten werden kann“, welche nachhaltigen Werk- und Baustoffe verwendet werden können.
Ruhrwasser-Wärmepumpe und Co.: Mülheims Klimaneutralität soll im Fokus stehen
Insgesamt hat der Antrag mit Bezug auf die Klimawende einen sehr grünen Anstrich. Mülheims Politik fordert für das Areal an der Ruhr ein Energiekonzept, das dem Ziel der Klimaneutralität ab 2035 gerecht wird. Photovoltaikanlagen auf möglichst jedem Dach solle es geben, auch Möglichkeiten zum Einsatz einer Ruhrwasser-Wärmepumpe, den Anschluss ans städtische Nahwärmenetz und, wenn möglich, einen Anschluss an eine Wasserstoff-Pipeline, die vom Betriebshof Broich aus kommend zum Areal geführt werden könnte. Festgeschrieben ist nun auch noch der alte Wunsch, den Ruhrtalradweg über das Gelände zu führen, dazu auch eine attraktive Anbindung von ÖPNV und Bahnhof Mülheim-West.
Wie gesagt: Mülheims Politik ist sich in diesen Punkten einig. Planungsdezernent Felix Blasch wird dieses Pflichtenheft nun in die weiteren Gespräche mit den Grundstückseigentümern nehmen müssen. In seiner Reaktion im Wirtschaftsausschuss war durchaus schweres Atmen zu vernehmen. Der Pflichtenkatalog sei „sehr detailliert“, gab er zu bedenken, dass er der Politik „nicht hundertprozentig versprechen kann, all das im Rahmenplan unterzukriegen“.
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