Mülheim. Die Ruhrbahn schenkt den Mülheimern zwei Gratis-Samstage. Der erste ist gelaufen, doch die Begeisterung der Fahrgäste hält sich in Grenzen.

„Freie Fahrt für freie Bürger“, hieß es am Samstag in Bus und Bahn. Die Ruhrbahn wirbt mit ihrer Gratis-Aktion, die auch am 2. September in Mülheim noch einmal gilt, für den ÖPNV. Gleichzeitig entschuldigt sie sich für die Ausfälle und Verspätungen, die seit der Einführung des neuen Busnetzes am 7. August verstärkt für Unmut sorgen. Wie kommt das Angebot an? Wir haben am Samstag mit Fahrgästen an der Zentralhaltestelle vor dem Stadtquartier Schloßstraße und an der Haltestelle Oppspring gesprochen.

Fast alle Personen, die sich ansprechen lassen, sind nicht nur an diesem Gratis-Samstag mit Bus und Bahn unterwegs. Fast alle haben das seit Mai gültige Deutschlandticket für 49 Euro. Doch ausgerechnet ein Ehepaar aus Dümpten, das sonst nur mit dem Auto fährt und jetzt per Freifahrt mit dem ÖPNV nach Kettwig möchte, wird auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Denn der nur stündlich fahrende Bus 151 kommt nicht. „Die Linie ist von der elektronischen Anzeigetafel verschwunden. Anzeige ‚Bus entfällt‘? Fehlanzeige!“, ärgern sich die Eheleute, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen.

Mülheimer Fahrgäste verärgert - Bus kommt viel zu spät

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Sie denken über eine alternative Tagesgestaltung nach. Doch dann entscheiden sich, auf den nächsten 151er zu warten. Auch der kommt 15 Minuten später als angezeigt. „Ohne Zuverlässigkeit geht es nicht“, rufen die verspäteten Kettwig-Fahrer dem Reporter zu, ehe sich die Bustür schließt.

Werner Lindemann aus Winkhausen zeigt gerne Gesicht für den ÖPNV. Er ist seit Mai Besitzer eines Deutschlandtickets und hat damit „gute Erfahrungen gemacht“. Allerdings bedauert er den Wegfall des Kahlenbergastes der Straßenbahn 104. „Das war sehr bequem und nicht so holprig, als ich an der Aktienstraße einsteigen und bis zum Kahlenberg durchfahren konnte“, erinnert sich Lindemann. Dass es in der neuen Buslinie 130 „mehr ruckelt“, wundert Werner Lindemann nicht. „Der Straßenzustand ist grottenschlecht“, findet er und ist überzeugt: „Um Bus und Bahn attraktiver zu machen, brauchen wir in der Großstadt Mülheim einen flächendeckenden Zehn-Minuten-Takt und reibungslos funktionierende Anschlüsse.“

Wegfall von Haltestellen in Broich und Speldorf wird kritisiert

Sieglinde Laugisch ärgert sich nicht nur über ruckelnde und rappelvolle Busse, sondern auch über den Wegfall von Haltestellen in Broich und Speldorf sowie über Stationen, die nicht barrierefrei sind, weil sie keine Kaps haben. Als Negativ-Beispiel nennt sie den Halt an der Tilsiter Straße: Dort könne der Ein- und Ausstieg aus der mit Automatiktüren ausgestatteten Straßenbahn Linie 112 mit Kinderwagen oder Rollator, aber auch für alle, die mit einem Einkaufstrolley unterwegs sind, zu einem halsbrecherischen Manöver werden.

Für Erika Holthaus, die regelmäßig mit den Buslinien 130 und 151 unterwegs ist, steht außer Frage, „dass man mit der Straßenbahn komfortabler fährt als mit dem Bus“. In ihren Augen hätte sich die Ruhrbahn das neue Busnetz sparen sollen, „weil seine zum Teil nicht nachvollziehbare Linienführung vor allem ältere Menschen verwirrt, die den Großteil der Fahrgäste stellen“.

Zehnjährige berichtet von Problemen auf dem Schulweg

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Aber auch junge Fahrgäste äußern sich kritisch. So empfindet die zehnjährige Speldorferin Josefine Kulisch, die seit August das Gymnasium Broich besucht, ihren drei Kilometer langen Schulweg als Zumutung. An der Haltestelle Oppspring berichten Josefine und ihre Mutter Stefanie einigen Mitgliedern der Grünen Ratsfraktion, die dort am Samstag mit einem Infostand zum neuen Mülheim-Netz das Gespräch mit Fahrgästen suchen.

Josefine erzählt: „Da der Unterricht um 8 Uhr beginnt, kommt die Linie 129 für uns eine halbe Stunde zu früh oder eine halbe Stunde zu spät, während die Linie 134 seit dem 7. August gar nicht mehr fährt. Deshalb steige ich morgens an der Jakobstraße in die Straßenbahn 901 und fahre bis zur Königstraße. Von dort aus laufe ich 15 Minuten zu meiner Schule, weil der Anschluss zur 102 in der Broicher Mitte nicht klappt. Morgens ist die 901 so überfüllt, dass man kaum ein- und aussteigen bzw. einen Sitzplatz finden kann. Denn die 901 nutzen zeitgleich auch die in Richtung Stadtmitte weiterfahrenden Karl-Ziegler- und Otto-Pankok-Schüler.“

Mutter übergibt eine Unterschriftenliste und Forderungen an die Ruhrbahn

Mit einer Unterschriftenliste ebenso betroffener Familien des Gymnasiums Broich übergibt Stefanie Kutsch dem Vorsitzenden des Mobilitätsausschusses, Timo Spors (Grüne), an der Oppspring-Haltestelle einen Brief: Darin setzen sich alle 180 Unterzeichnenden für zusätzliche Einsatzbusse, besser abgestimmte Takte für den Broich-Speldorfer Schulverkehr und für eine schulnahe Haltestelle am Kiebitzfeld aus. Spors verspricht, die Elternvorschläge in die weiteren Gespräche mit der Ruhrbahn einzubringen.

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