Mülheim. Vor Karneval gab eine Mülheimerin ihre Einkommensteuererklärung ab. Bis heute kein Bescheid. Ein Einzelfall? Das Finanzamt hält sich sehr bedeckt.
Das Finanzamt Mülheim hat vor wenigen Tagen mit einer Pressemitteilung daran erinnert: Es wird Zeit, die Einkommensteuererklärung für 2022 einzureichen, nach Möglichkeit online über „Elster“. Die - verlängerte - Abgabefrist endet am 2. Oktober. Wer einen Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein einschaltet, hat noch Zeit bis zum 31. Juli 2024.
Eine Mülheimerin, die ihren Namen nicht öffentlich nennen möchte, war vergleichsweise schnell. Ihre Steuererklärung habe sie schon am 17. Februar eingereicht, berichtet die Frau. Vor mehr als einem halben Jahr. Seitdem warte sie auf den Bescheid. Zwei Mal habe sie schon beim Finanzamt angerufen: „Erstmals Ende Juli, da wurde mir gesagt, die Erklärung sei noch nicht angefasst.“ Dann erneut in der vergangenen Woche: „Angeblich ist die Erklärung jetzt in Bearbeitung.“
Mülheimerin wartet seit Februar auf ihren Einkommensteuerbescheid
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Dass die Grundsteuer derzeit im Finanzamt viel Arbeitskraft bindet, sei ihr klar, ergänzt die Mülheimerin. „Aber letztes Jahr war es auch schon schlimm.“ Nun dauere es noch länger. Sie sei sicher, dass ihr Fall keine Ausnahme sei. Doch das ist schwer zu überprüfen.
Müssen Steuerpflichtige in diesem Jahr mit besonderen Verzögerungen rechnen? Wenn ja, aus welchen Gründen? Eine entsprechende Anfrage dieser Redaktion an die Leitung des Finanzamtes Mülheim wird intern weitergereicht nach Münster, an die Oberfinanzdirektion (OFD) Nordrhein-Westfalen. Deren Sprecher gibt jedoch nur eine generelle Auskunft, die jede(r) auch online auf der Website der Finanzverwaltung NRW nachlesen kann: Fast 95 Prozent aller Einkommensteuererklärungen in NRW werden innerhalb von zwei Wochen bis vier Monaten bearbeitet. Binnen fünf Monaten werden über 97 Prozent erledigt, innerhalb von sechs Monaten fast 99 Prozent.
Finanzbehörde: Steuererklärungen werden nach Eingang bearbeitet
Bliebe ein Prozent übrig, wozu auch die Erklärung der unzufriedenen Mülheimerin gehört. Früh einzureichen, wie sie es getan hat, ist grundsätzlich von Vorteil: „Steuererklärungen werden entsprechend des Eingangs im Finanzamt bearbeitet“, so der Sprecher der OFD. Die Dauer hänge vom konkreten Einzelfall ab: Sind noch Rückfragen erforderlich? Müssen Belege beigebracht werden? Ist der Steuerfall besonders komplex? Dann könne es sein, dass die Bearbeitung mehr Zeit benötigt. „Auf der anderen Seite erhalten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger ihre Steuerbescheide wesentlich schneller.“
Onlineportal registrierte deutlich verlängerte Bearbeitungszeiten in Mülheim
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Einen Hinweis, dass besonders die Mülheimerinnen und Mülheimer viel Geduld brauchen, geben die Vergleichsdaten, die das Onlineportal lohnsteuer-kompakt.de jährlich veröffentlicht. Sie basieren auf den Bearbeitungszeiten der Steuererklärungen, die über dieses Portal erstellt wurden - im Jahr 2022 waren dies nach Auskunft des Anbieters etwa 400.000 Erklärungen, verteilt über ganz Deutschland.
Laut dieser Stichprobe mussten Mülheimerinnen und Mülheimer 2022 im Schnitt 68 Tage auf ihren Bescheid warten (der NRW-Schnitt lag bei 47,5 Tagen). Im Jahr zuvor waren es 45,9 Tage - damit hätte sich die Bearbeitungszeit durchschnittlich um mehr als drei Wochen verlängert. Die Tendenz ist laut lohnsteuer-kompakt.de generell erkennbar: Deutschlandweit hat sich die Bearbeitungszeit in 2022 verlängert, jedoch im Schnitt nur um 4,6 Tage. Den Vergleich zwischen einzelnen Finanzämtern, den das Portal anstellt, sehen die Behörden kritisch: Die Struktur der Fälle, die Organisation der Ämter und auch das Klientel in den Städten seien sehr unterschiedlich, gibt etwa die Oberfinanzdirektion Münster zu bedenken. Dass sich aber in Mülheim die Bearbeitungszeiten zuletzt sehr gezogen haben, ist eindeutig erkennbar.
Zusätzliches Personal für die Grundsteuer - Finanzamt Mülheim „gut vorbereitet“
Für den Kraftakt Grundsteuer, der das laufende Jahr beherrschen dürfte, sieht sich die Finanzverwaltung NRW nach offizieller Aussage gut gerüstet. Eine OFD-Sprecherin verweist auf Hunderte zusätzlicher Stellen, die eigens dafür geschaffen wurden: Schon im Vorfeld habe das Land mehr als 300 Angestellte unbefristet eingestellt. „Um Arbeitsspitzen in der Anlaufphase aufzufangen, wurden im März 2022 zusätzlich 125 Stellen für Aushilfskräfte bereitgestellt“, weitere 150 Stellen folgten im November für die Grundsteuer-Hotline.
Diese Zahlen sind jedoch vor dem Hintergrund zu betrachten, dass es 104 Finanzämter in NRW gibt und allein in Mülheim am Ende rund 55.000 Grundsteuererklärungen bearbeitet werden müssen. „Auch das Finanzamt Mülheim ist auf die Umsetzung der Grundsteuerreform gut vorbereitet“, heißt es von Seiten der OFD.“ Aktuell seien im Mülheimer Haus 191 Personen beschäftigt, hinzu kommen 23 Nachwuchsbeamtinnen und -beamte in Ausbildung. Ob dieses Team ausreicht, um die Einkommensteuererklärungen zügig zu bewältigen, dürfte im Januar deutlicher werden. Dann wird lohnsteuer-kompakt.de seine Auswertung für 2023 veröffentlichen.