Mülheim. Die Juristin Birgit Höltgen, „ein Kind des Ruhrgebiets“, hat die Amtsleitung in Mülheim übernommen. Besonders wichtig ist ihr die Ausbildung.

„Jeder, der hier arbeiten darf, kann froh sein.“ Dieser Satz von Birgit Höltgen, seit wenigen Wochen neue Leiterin des Finanzamtes Mülheim, bezieht sich auf die hübsche Lage des Hauses am Ufer der Ruhr. Aber auch ihr neues Tätigkeitsfeld will die 50-Jährige freudig angehen. Sie ist jetzt Chefin von 187 Beschäftigten.

Haben Sie sich auf die Position beworben, oder wurden Sie angesprochen?

Birgit Höltgen: Ich habe mich beworben. Vorher war ich Referatsleiterin in der Oberfinanzdirektion, solche Wechsel zwischen OFD und Dienststellen sind ganz normal. Bei mir kam hinzu, dass ich in Oberhausen wohne. Die tägliche Fahrerei nach Köln ist über längere Zeit schwierig.

Offiziell eingeführt wurden Sie am 7. März. Haben Sie schon Repräsentanten der Stadt persönlich begrüßt?

Es ist nicht mehr wie in früheren Zeiten, wo bei der Einführung einer neuen Dienststellenleitung der Präsident des Amtsgerichts dabei war, der Bürgermeister, die Steuerberater. Es gibt aber jetzt eine Gesprächsanfrage von Seiten der Stadt. Und hier aus dem Haus habe ich gehört, dass die Zusammenarbeit mit dem Bürgerbüro in Mülheim exzellent sein soll.

Gibt es viele Finanzämter in NRW, die von Frauen geleitet werden?

Ja. Wir bewegen uns in Richtung 50 Prozent. Was Gleichstellung angeht, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gehören wir zu den Führenden. Wir machen viele gute Dinge.

Steueraufkommen in Mülheim in den Jahren 206 bis 2018.
Steueraufkommen in Mülheim in den Jahren 206 bis 2018. © Funkegrafik NRW/Miriam Fischer

Welche?

Die Finanzverwaltung ist beispielsweise sehr flexibel, was Teilzeitstellen angeht, auch das Rückkehrrecht auf eine volle Stelle ist bei uns selbstverständlich. Und was das Thema Heimarbeit betrifft, sind wir auf einem guten Weg.

Wie viel Gestaltungsspielraum haben Sie als neue Chefin überhaupt? Was möchten Sie verändern?

Es ist noch zu früh, um dazu etwas zu sagen. Das Mülheimer Amt ist gut aufgestellt. Aber auf jeden Fall werde ich einen Schwerpunkt auf die Ausbildung legen, für die ich auch bei der OFD zuständig war. Das ist mein Steckenpferd.

Haben Sie genügend gute Nachwuchskräfte in Mülheim?

Es läuft hier ganz gut. Momentan haben wir 32 Beamte in der Ausbildung, und es ist uns bisher immer noch gelungen, alle Plätze mit qualifizierten Bewerbern zu besetzen. Aber die Konkurrenz um die besten Köpfe wird immer größer. In Zukunft werde ich auch auf Ausbildungsmessen gehen, um das Finanzamt dort zu repräsentieren.

Immerhin kann der öffentliche Dienst mit sicheren Arbeitsplätzen punkten.

Das steht bei jungen Leuten zur Zeit aber nicht so sehr im Vordergrund.

Warum haben Sie sich 1988 entschieden, Finanzbeamtin zu werden.

Ich fand damals schon die Möglichkeit des dualen Studiums attraktiv.

Wenn Sie mit Kolleginnen und Kollegen reden: Was belastet Finanzbeamte im Arbeitsalltag besonders?

Alles, was das Leben so mit sich bringt. Digitalisierung etwa ist eine große Chance, für manche aber auch eine Belastung. Die Programme ändern sich ständig, wir arbeiten parallel noch mit Papier, aber auch schon zu großen Teilen elektronisch. Hier am Finanzamt gibt es aber auch viele Aktivitäten in Sachen Gesundheitsmanagement und Stressresilienz.

Zum Beispiel?

Bei uns wurde gerade eine Schritte-Challenge gestartet, darum sieht man in der Mittagspause viele Kollegen an der Ruhr entlang laufen.

Geben Sie uns normalen Steuerpflichtigen doch mal praktische Tipps: An welchen drei Stellen verschenken wir das meiste Geld?

Mir fällt spontan nichts ein, was auf der Hand liegt. Ich möchte aber noch mal Werbung machen für die elektronische Steuererklärung. Wenn Sie einmal den Schritt der Elster-Registrierung geschafft haben, werden Sie spätestens im zweiten Jahr profitieren.

Die Mülheimer Bevölkerung zeichnet sich bekanntlich durch ein relativ hohes Durchschnittsalter aus. Wo liegt die Elster-Quote zur Zeit?

Rund 55 Prozent der Arbeitnehmer in Mülheim geben ihre Erklärung schon elektronisch ab.

Wie vielen Leuten aus Ihrem privaten Bekanntenkreis müssen Sie bei der Steuererklärung helfen?

Finanzbeamte dürfen keine Steuerberatung leisten, darum mache ich es konsequent nicht und kann auch nur jedem raten, die Finger davon zu lassen.

Haben Sie Ihre eigene Erklärung für 2018 schon abgegeben?

Nein, dazu hatte ich noch keine Zeit. Ich habe es mir für die Osterferien vorgenommen.

Wie verbringen Sie ansonsten Ihre Freizeit?

Als Kind des Ruhrgebiets schätze ich hier vor allem das vielfältige Kulturangebot, vom Sinfoniekonzert in Gelsenkirchen über Grönemeyer in Dortmund bis zum Theater in Oberhausen.

Sport?

Dafür habe ich jetzt hoffentlich auch mal wieder Zeit.

>>>Auch stellvertretende Leitung wurde neu besetzt

Birgit Höltgen, gebürtige Oberhausenerin, begann ihre Karriere 1988 mit einer Ausbildung im Finanzamt ihrer Heimatstadt. Anschließend studierte sie Jura.

Ab 1999 war sie wieder in der Finanzverwaltung tätig, unter anderem in Mülheim, Wesel, im Finanzministerium, in der NRW-Landesvertretung in Berlin sowie als stellvertretende Amtsleiterin in Düsseldorf-Mettmann. Bevor Birgit Höltgen die Leitung in Mülheim übernahm, war sie Referatsleiterin in der Oberfinanzdirektion Köln.

In Mülheim ist Höltgen Nachfolgerin von Michael Alsentzer, der in den Ruhestand gegangen ist. Auch die stellvertretende Amtsleitung wurde neu besetzt, mit Gabriele Schmidt.

Das Finanzamt Mülheim ist zuständig für rund 173.000 Einwohner und mehr als 17.420 Unternehmen, darunter etwa 9600 Kleinstbetriebe.