Mülheim. Erst war sie in Teilzeit angestellt, dann hat sie den Betrieb übernommen – das ist der Weg der Mülheimerin Elisabeth Harbecke bei Photo Mengede.
„Ich hatte nie den Plan, mich selbstständig zu machen“, sagt Elisabeth Harbecke und fügt nach rund zweieinhalb Jahren als Firmenchefin von Photo Mengede mit Nachdruck hinzu: „Jetzt will ich niemals wieder zurück.“ Heute ist sie Inhaberin des Betriebes, in dem sie Ende der 90er-Jahre ihre Ausbildung zur Fotografin gemacht hat, wechselte von der Angestellten in Teilzeit zur Führungskraft.
Mit Photo Mengede, das seit mehr als 80 Jahren in der Mülheimer Innenstadt besteht, hat Elisabeth Harbecke ein Traditionsunternehmen übernommen und zugleich die Verantwortung für ein Team, das ab August aus sieben Mitarbeitenden bestehen wird. „Wir sind noch mal gewachsen, weil wir so viele Aufträge haben“, sagt die Neu-Chefin voller Eifer. Aktuell etwa stehen die Fotos zur Einschulung an, im Studio warten schon die entsprechenden Dekorationen auf die Schulkinder 2023. Menschen in besonderen Momenten abzulichten, das ist die Passion von Elisabeth Harbecke.
Fotografin hat Mülheimer Traditionsgeschäft mitten im Lockdown übernommen
Die 44-Jährige ist überzeugt, dass der Fotografie trotz der ständig zugänglichen Handyfotos nichts von ihrer Magie verloren gegangen ist. „Schnappschüsse mache ich auch mit dem Handy, aber das sind ja nicht die Bilder, die man sich zu Hause an die Wand hängt oder den Großeltern zu Weihnachten schenkt.“ Das blieben Profi-Fotos, die zwar arrangiert sind, aber trotzdem Lebendigkeit versprühen und längst nicht mehr altbacken wirken. „Wir gehen da mit der Zeit, ich hole mir Inspirationen etwa auf Instagram und sehe da, was gerade gut ankommt“, sagt die Fotografin.
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Doch seitdem sie Chefin ist, sind ihre Arbeitstage – und viel Zeit darüber hinaus – nicht nur mit Kreativem gefüllt, sondern auch mit jeder Menge Administrativem. „Ich hatte keine Vorstellung davon, wie viel Büroarbeit zu erledigen ist“, sagt die Inhaberin und fügt hinzu: „Ich habe Fotografin gelernt, die Arbeit im Büro nicht.“ Trotzdem nahm sie das Angebot ihrer ehemaligen Chefin Kathleen Mengede-Klüß an, das Geschäft zu übernehmen. Mit einem detaillierten Businessplan ging sie 2021 – noch mitten im Lockdown – an den Start. Während des Prozesses der Übernahme des Unternehmens und in Fragen der Nachfolge wurde die Mülheimerin von der Handwerkskammer begleitet. Rückblickend auf ihre erste Zeit als Führungskraft räumt Elisabeth Harbecke ein: „Ich hab viel gelernt.“
Mülheimerin über Verwaltung: „Ich hab Fotografin gelernt, nicht Büro“
Etwa, dass es in Ordnung ist, sich Hilfe zur Seite zu nehmen – über die Steuerberaterin und über ein Lohnbüro sowie noch einen weiteren Mitarbeiter. „Ich möchte schließlich weiterhin die Kamera in der Hand haben und nah am Kunden sein.“ Und auch, dass sie nun als Geschäftsführerin anders für ihre Kolleginnen und Kollegen da sein muss: „Sie fordern ein, dass ich ihnen sage, was zu tun ist.“ Leadership-Qualitäten erarbeite sie sich derzeit, auch mit Hilfe von Podcasts: „Ich wachse da rein.“
Dass aber auch die Geschäftszahlen stimmen müssen, ist ihr inzwischen mehr als bewusst geworden. „Meine Arbeitsstunden möchte ich schon gar nicht mehr aufrechnen.“ Die Auswertung von Kosten, Umsatz und Gewinn nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern kontinuierlich im Blick zu behalten, dazu rät Mathias Meinke vom Startercenter NRW, das bei der Mülheimer Wirtschaftsförderung angegliedert ist.
Meinke berät Unternehmen, in denen die Nachfolge zu regeln ist. Auch Elisabeth Harbecke tauscht sich mit ihm aus, will ihre Finanzen mit einem Expertenblick bewerten lassen. „Management nur per Kontoauszug zu betreiben, bricht vielen Neu-Selbstständigen das Genick“, mahnt der Fachmann zu regelmäßiger Analyse. Denn er hat in seinen Beratungen mehr als ein Mal erfahren: „Irgendwann ist das Polster aufgebraucht, die Liquidität verschwunden.“
Mülheimerin bringt Selbstständigkeit mit Familienalltag in Einklang
Umso wichtiger sei es, auch anhand des Businessplans, der laut Meinke wie Leitplanken durchs Geschäftsleben führen sollte, zu reflektieren und im Zweifelsfall nachzujustieren. Dass sie die Entwicklungen in ihrer Branche im Auge haben und den Markt ständig bewerten muss, weiß auch Elisabeth Harbecke – sie will weiter mit Handwerkskammer und Wirtschaftsförderung im Gespräch bleiben und sich beraten lassen, etwa zu Fragen wie: „Welches Projekt gehe ich als nächstes an, wo kann ich besser werden?“
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Dass sie sich selbstständig gemacht hat, verhelfe ihr nicht nur zu mehr Gestaltungsfreiraum im Beruf, sondern habe auch Effekte auf ihre Familie, sagt die dreifache Mutter: „Ich beobachte, dass auch meine Kinder selbstständiger geworden sind.“ Als Belastung empfinde sie ihre neue Verantwortung im Familienalltag nicht – „ich liebe meinen Beruf, er gehört zu meinem Leben, da will ich gar keine krasse Trennung“. Und so checke sie morgens die Mails, wenn die Kinder sich zur Schule fertigmachen. Für Elisabeth Harbecke steht unumstößlich fest: „Ich werde jede Anstrengung unternehmen, damit der Laden läuft.“
Kostenfreie Sprechstunde zur Unternehmensnachfolge in Mülheim
Rund um das Thema Nachfolgeregelung bei Betrieben bietet das Startercenter der Mülheimer Wirtschaftsförderung Beratungen an – etwa die Sprechstunde Unternehmensnachfolge. Das kostenfreie Beratungsangebot findet persönlich, telefonisch oder per Video statt. Die einstündigen Sprechstunden richten sich zum einen an Mülheimerinnen und Mülheimer, die ihren Betrieb abgeben wollen. Mit ihnen besprechen die Experten etwa, wann der richtige Zeitpunkt ist, um mit der Nachfolgeplanung zu beginnen, und welche Aufgaben in dem Prozess auf sie zukommen.
Zum anderen sollen Gründungsinteressierte angesprochen werden, die mit der Übernahme eines bestehenden Unternehmens den Weg in eine Selbstständigkeit gehen wollen. Mit den Interessenten wird abgewogen, wo die Vor- und Nachteile einer Existenzgründung und einer Unternehmensnachfolge liegen, ob der Kaufpreis angemessen ist und welche Fördermittel es gibt. Kontakt: Mathias Meinke vom Startercenter NRW in Mülheim, 0208/455-6127, E-Mail: mathias.meinke@muelheim-ruhr.de.