Mülheim. Der Mülheimer Kinderschutzbund hatte schlechte Jahre. Kein Geld. Keine Beratungsstelle mehr. Nun herrscht Aufbruchstimmung. Zu tun gibt es genug.

Der Weg zum Mülheimer Kinderschutzbund führt auf die untere Schloßstraße. Hausnummer 31. Wer den Eingang sucht, läuft vorbei an Kleiderständern und Wühltischen mit billigen Sachen, die ein Händler dort vor sein Geschäft geschoben hat. Vorbei an riechenden Mülltonnen, die unten im Hausflur auf die nächste Leerung warten. Willkommen im wahren Leben.

So sehen es auch Amrei Debatin und Angela Wolff, die zum neuen, vierköpfigen Vorstand des Ortsverbandes gehören. Anfang Juli wurden sie gewählt, ebenso Yamin Jansen und Klaus von der Heiden. „Durch das Ehrenamt lernt man die Realität kennen“, sagt Angela Wolff. „Man kommt aus seiner engen Blase raus. Um Armut zu sehen, muss man nicht weit reisen. Hier vor Ort gibt es auch Not.“ Das Team ist auf zahlreiche Mitstreiter angewiesen, die ähnlich denken. Denn der Mülheimer Kinderschutzbund hat ein ehrgeiziges Ziel: „Wir wollen uns ganz neu erfinden“, erklärt Amrei Debatin, die neue Vorsitzende.

Mülheimer Kinderschutzbund will wieder sichtbarer werden

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Der Kinderschutzbund, der in Mülheim zwar durchgehend existierte, aber zuletzt wenig bewegte, solle in der Stadt wieder sichtbarer werden - „nach einigen Jahren in schwierigem Fahrwasser“, so die neue Vorsitzende. Vor drei Jahren hatte der Deutsche Kinderschutzbund seine Mülheimer Beratungsstelle geschlossen, weil sie nicht mehr finanziert werden konnte. Über mögliche Lösungen gab es Unstimmigkeiten mit der Stadt. Mittlerweile ist klar: Die Geschäftsstelle an der Schloßstraße 31 bleibt, doch die Beratungsstelle des Kinderschutzbundes kommt nicht wieder.

Die Mülheimer Awo hat diese Aufgaben inzwischen größtenteils übernommen: Seit September 2022 betreibt sie in Styrum eine Fachberatungsstelle bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Der örtliche Kinderschutzbund, der nach eigenen Angaben rund 130 Mitglieder hat, will sich neuen Arbeitsbereichen widmen.

Betreuungsangebot für Vorschulkinder, die kaum Deutsch sprechen

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Bereits seit Jahren laufen sogenannte Brückenprojekte, die durch Stadt und Land finanziert werden: Angebote für Vorschulkinder mit Migrationshintergrund, die keinen Kita-Platz bekommen haben. Insgesamt 16 Kinder werden durch fünf Erzieherinnen beim Kinderschutzbund betreut. Drei Räume auf der Etage sind eigens dafür eingerichtet. „Diese Kinder sprechen kaum Deutsch“, berichtet Amrei Debatin. Die Mütter und Väter ebenso wenig, daher möchte der Kinderschutzbund diese Familien künftig intensiver unterstützen. Elterncafés mit Dolmetschern sind geplant, Info-Veranstaltungen, Workshops.

Ein weiterer Schwerpunkt, den das Team intensiv angehen will, sind Kinderrechte. „Wir möchten sie Kindern, aber auch Erwachsenen näherbringen“, erklärte die promovierte Juristin Debatin. „Da passiert noch sehr, sehr wenig.“ In Kooperation mit der Junior-Uni Ruhr könnte das Thema vorangetrieben werden, erste Kontakte seien aufgenommen.

Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen stärken

Auch der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen will sich der Kinderschutzbund verstärkt widmen. „Viele Kinder sind traumatisiert von den Bildern, die sie auf digitalen Kanälen sehen“, sagt Debatin, „oder durch das Mobbing, das dort passiert.“ Neue Projekte möchte man entwickeln, etwa Kurse mit jungen Leuten, die sich auskennen und Kindern spielerisch erklären, was gute und was schlechte Seiten sind, welchen Influencern sie besser nicht folgen sollten.

Bei aller Aufbruchsstimmung: Die langjährige Adresse an der Schloßstraße 31 will der Mülheimer Kinderschutzbund nicht verlassen. Zum einen, weil es im Umkreis reichlich Familien gibt, die Unterstützung benötigen. Zum anderen wegen der konkurrenzlos günstigen Miete - Konditionen, die Angela Wolff als spendenähnlich bezeichnet. Viel mehr könnte der Ortsverband auch nicht bezahlen.

Wer meint, den Mülheimer Kinderschutzbund in irgendeiner Form unterstützen zu können, durch praktische Hilfe oder finanziell, kann unter info@kinderschutzbund-mh.de oder 0208-478624 (Büro oder AB) Kontakt aufnehmen.

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