Mülheim. Einen Verein haben sieben Mülheimer gegründet, sie wollen solidarische Landwirtschaft betreiben. Was hinter der Idee steckt.
Auf einem 1 Hektar großen Acker direkt am „Eumannshof“ in Dümpten soll 2023 die erste Solidarische Landwirtschaft in Mülheim, kurz Solawi, ihren Betrieb aufnehmen. „Solch eine Solawi braucht eine gewisse Vorlaufzeit“, führt die 1. Vorsitzende Alena Schüren aus. „Wir wollen ja auch versuchen, ohne großes Gerät auszukommen.“
Kennen gelernt haben sich die sieben Gründungsmitglieder in den erfolgreichen Selbsterntegärten von Johannes Dabringhausen in Mintard. „Erst war der Spaß!“, sagt Yvonne Schulze. Daran hat sich bislang nichts geändert. Doch noch hat die eigentliche Ackerarbeit ja gar nicht begonnen, benötigt der Verein noch Ehrenamtliche für den Aufbau der Solawi und um die Anfangsinvestitionen bestreiten zu können.
Verein will Acker und Gewächshäuser betreiben
Denn Kosten für Pacht, Geräte und Saatgut fallen natürlich jetzt schon an. Schließlich strebt der Verein zusätzlich zum Acker auch noch Gewächshäuser an. Dort wollen sie Gewächshauskulturen wie Tomaten und Gurken anbauen, vor allem aber ihre eigenen Jungpflanzen züchten.
Anders als bei den Selbsterntegärten, wo jeder Parzellen-Pächter für den eigenen Bedarf erntet, greift die Idee einer Solidarischen Landwirtschaft viel weiter. „Eine Solawi lebt vom Miteinander der Solawi-Mitglieder, die – wenn möglich – in die Arbeit auf dem Acker eingebunden werden“, erklärt Johannes Dabringhausen. Das geschieht dann in terminierten gemeinsamen Arbeitseinsätzen. Zirka 10 bis 20 Stunden pro Jahr werden dabei wohl anfallen, schätzt der Verein.
Für jeden 10 bis 20 Arbeitsstunden pro Jahr
Dann können auch arbeitsintensive Arbeiten wie Unkrautjäten in der Gruppe zügig – und mit Spaß – erledigt werden. Eine sich unterstützende, eben solidarische Gemeinschaft. Vereinsmitglieder können aber auch finanziell oder organisatorisch mithelfen. Denn genauso wie Hans Kühnl es gut findet, „dass wir alle unterschiedliche Hintergründe haben“, dass „sich alle mit ihren Fähigkeiten und Kenntnissen ergänzen“, gibt es eben auch andere Vereinstätigkeiten, die übernommen werden können. „Waffeln verkaufen, sich um die Social Medias kümmern“, erläutert Alena Schüren. Sie ist zuversichtlich, dass das in der Gemeinschaft klappt.
Das Grundprinzip einer Solawi ist einfach: Für einen monatlichen Pauschalbetrag gibt es wöchentlich einen Anteil der Ernte, eine Gemüsekiste. Zwischenhändler gibt es keine. „Die meisten Leute steigen aus einer Solawi aus, weil sie den Ernteertrag in der Hochsaison unterschätzen. Es ist ihnen zu viel Gemüse“, weiß Alena Schüren. Christian Behl schüttelt den Kopf. „Das kann man dann doch den Nachbarn schenken.“ Seine Frau Johanna nickt zustimmend. Durch die Mitgliedsbeiträge hofft der Verein, ab 2023 hauptamtliche Gärtnerinnen und Gärtner in Voll- oder Teilzeit beschäftigen zu können, sodass ein professioneller Anbau über das gesamte Jahr gewährleistet ist.
„Fair1-Heim“ nimmt überzähliges Gemüse
Auch interessant
Das Bio-Restaurant „Fair1-Heim“ zählt jetzt schon zu den Unterstützern, will mit der Solawi kooperieren, gerne überzähliges Gemüse abnehmen, wie schon in der vergangenen Erntesaison von den Selbsterntefeldern in Mintard. Denn alles ist ökologisch und saisonal, kommt aus der Region: Da stimmt nicht nur die Klimabilanz – schmecken tut es darüber hinaus auch noch. Perfekt. Eine absolute win-win-Situation. Wie solch eine Solidarische Landwirtschaft ja auch. Darüber hinaus liegt in diesem spannenden Projekt natürlich auch ein erhebliches Maß an Bildungsaspekt. Nicht nur für Kinder, denn auch erwachsene Großstädter wissen oft herzlich, beziehungsweise erbärmlich wenig über den Ackerbau.
Zum Verein
Die Mülheimer Solidarische Landwirtschaft beruht auf dem Konzept des bodenaufbauenden Ansatzes und Market Gardenings, des biointensiven Gemüseanbaus.„Eine vernünftige Fruchtfolge ist wichtig“, wissen Alena Schüren und ihr Freund Hans Kühnl, die in Spanien ein Seminar über Permakultur Design, also nachhaltige Landwirtschaft, besucht haben.Darüber hinaus bringt Johannes Dabringhausen das Wissen eines Agrarwissenschaftlers mit, Vereinsmitglied Oskar Liebisch ist Biologe und hat sich auf Nutzpflanzen-Wirtschaft spezialisiert.
Der Gemeinschaftscharakter ist enorm wichtig, der daraus entstehende Rückhalt – auch finanziell – unbedingt nötig. So lädt der Verein Mülheimer Solawi auch jetzt schon Interessierte zu einem ersten Info-Treffen ein. Am Mittwoch, 15. Januar, gibt es um 18 Uhr eine digitale Zoom-Veranstaltung. Dort stellen die Initiatoren ihr Konzept vor, berichten über den Planungsstand und beantworten Fragen. Weitere Informationen werden zeitnah auf der Homepage des Vereins bekanntgegeben: solawi-mh.de.
Rund 100 Interessierte können mitmachen
„Es ist Zeit für eine Solawi für Mülheim“, heißt es auf der Homepage. Wie schnell es zu Wartelisten kommen kann, hat Schüren von der Wittener Solawi erfahren, die ihnen beratend zur Seite steht. „Die haben nur ein Bauschild am Acker aufgestellt, da meldete schon die Hälfte der möglichen Mitglieder. Nur wegen des Schilds.“ Rund hundert Interessierte können sich in Mülheim wohl beteiligen, schätzt der Verein. Johannes Dabringhausen vermutet aber, dass in Mülheim gut drei bis vier funktionierende Solawi existieren könnten.