Mülheim. Die komplexe Architektur der Mülheimer VHS an der Müga hat Modellbauer Dieter Wienke erlebbar gemacht. Warum ihn das Original so fasziniert.
Von außen erstrahlt die VHS an der Bergstraße im reinsten Weiß, ein Diamant im Grünen. Ihre markante Architektur mit ihren ungewöhnlichen 45-Grad-Winkeln ist für das Auge ein spannender Blickfang. Und sieht man hinter den Fenstern nicht auch Menschen beim Lernen? So jedenfalls hat man das Gebäude schon lange nicht mehr gesehen. Und das ist auch gewollt.
Denn so erlebt man die VHS an der Müga im Augenblick nur als ein-mal-ein-Meter großes Modell, das am Wochenende zur Extraschicht in der Alten Dreherei ausgestellt wird. Der Modellbauer Dieter Wienke hat die Formsprache des Gebäudes mit großer Detailfreude bis in die real kaum sichtbaren Winkel nachgebildet, aus präzise gelasertem Holz. „Es war wie ein 2000-Teile-Puzzle. Nur, dass man man die Puzzle-Teile auch noch selbst herstellen musste“, gesteht Wienke, bei dem Gedanken, das komplexe Gebäude nachzubauen, erst „Muffensausen“ gehabt zu haben.
Modellbauer über Architektur der Mülheimer VHS: „Wie ein 2000-Teile-Puzzle“
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Die verschiedenen Etagen hat Wienke erst einzeln aus zum Teil vorgelasertem Sperrholz zusammengebaut und anschließend schichtweise wie eine Geburtstagstorte aufeinander gesetzt. „Die Treppenhäuser waren meine Ankerpunkte“, sagt er. Zur Hilfe mussten ihm dabei Fotos, Baupläne und Beobachtungen vor Ort dienen.
Denn derzeit wird das Betreten des Grundstücks von einem städtisch beauftragten Wachpersonal untersagt. „Verlassen Sie sofort das Gelände“, ahmt Wienke mit einem Lächeln den Aufmarsch der Wachleute nach, als er versucht hatte, den Bereich des unmittelbaren Parkplatzes am Gebäude zu betreten. „Ich wollte für das Modell nur die Maße der Platten und Geschosse nehmen.“
So bürgernah zeigte sich das Gebäude an der Müga
Doch aufgrund der Absperrung gerät auch für viele Mülheimer aus dem Blick, was die Volkshochschule an der Müga noch bis zur ihrer Zwangsschließung prägte: Eine große Bürgernähe und Offenheit, die sich in der besonderen, denkmalgeschützten Architektur niederschlägt.
Denn nahezu aus allen Himmelsrichtungen ist das Haus zugänglich gewesen. Nicht nur für Wissensdurstige. Für Parkbesucher diente es als Möglichkeit, etwas zu trinken oder die Toiletten zu nutzen, Kulturfreunde erlebten hier kleine, gemütliche Konzerte. Als „Wohnzimmer“ war es Mülheimern vertraut.
Viel Grün für graue Zellen
Auch Wienke, der ja eigentlich Duisburger ist, hat der ausgeklügelte Bau beim Nachbauen mehr und mehr in den Bann gezogen: „Warum hat man hier Vorsprünge geschaffen“, zeigt er auf verschiedene Ausbuchtungen auf der ersten und zweiten Etage. Konnte man die betreten? So genau kann der Duisburger das nicht sagen. Zumindest im zweiten Stock hat es bodentiefe Fenster gegeben, um eben während des Büffelns die grauen Zellen mal kurz ohne Umstände an die frische Luft oder ins Grüne zu führen. An der verkehrsreichen Aktienstraße - wohin die VHS vor Jahren ausgelagert wurde – undenkbar.
Apropos Grün: Die Kuben auf der Dachterrasse, die Bäume im Umfeld hat Wienke auch versucht, so naturgetreu wie möglich nachzubilden. Genauso wie die Laternen. „Und dann habe ich mir gedacht, es wäre doch schön, die zu beleuchten“, sagt der Modellbauer. Und legt einen Schalter um: Zack, erstrahlen die Laternenkugeln vor dem Gebäude.
„Das hat mir aber nicht gereicht – kann man denn nicht auch im Gebäude für Licht sorgen?“, fragt er. Kann man wohl: Ein zweiter Schalter lässt einige Fenster leuchten, ein dritter das komplette Haus. Zwölf Batterien tun dann ihr Werk, notfalls könnte man es auch an einer Steckdose anschließen – denn auch einen Trafo hat Wienke verbaut. Weil er Lust an solchen Kleinigkeiten hat.
Ein dreiviertel Jahr tüftelte der Duisburger an der Mülheimer VHS
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Ein dreiviertel Jahr tüftelte und klebte der Modellbauer an seinem Werk. Es war nicht sein erstes, denn Wienke fertigte auch den Bahnhof Neumühle (Elster), der zwischen Gera und Zwickau liegt, als meterlanges Diorama an. Oder die Mülheimer Strecke der unteren Ruhrtalbahn von Broich bis Kettwig. Warum eigentlich? „Ich gehe einfach mit offenen Augen durchs Leben. Warum soll ich etwas nach Fantasie bauen, wenn doch die Realität so schöne Originale hat?“ Das Originelle des Originals macht Wienke aus diese Weise für andere erlebbar.
Und das ist ganz im Sinne der Bürgerinitiative „Rettet die VHS in der Müga“. Sie gab Wienke den Auftrag, das gerade Verborgene der VHS wieder zum Vorschein zu bringen: „Wir wollten das Wertvolle des Gebäudes, der architektonischen Formsprache zeigen“, sagt Denkmalschützer und Initiativler Erich Bocklenberg. Denn je stärker das Gebäude abgeschirmt sei, je mehr man es verfallen lasse, desto weniger gebe es in der Bevölkerung die Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen.
Das Modell aber lasse das wieder zu. „Es lässt sich daran wieder vorstellen, wie man das Gebäude separieren könnte, um die VHS und andere Nutzungsformen möglich zu machen“, hofft Bocklenberg, die jahrelange Hängepartie durch eine wieder lebendige Debatte beenden zu können.
Mülheimer VHS zur Extraschicht zu sehen
Am Samstag, 24. Juni, ist das Modell als Teil der Ausstellung „Modelle der Schiene und Straße“ in der Alten Dreherei, Am Schloß Broich 50, zu sehen. Sie startet ab 19 Uhr alle 60 Minuten.