Mülheim. Beim italienischen Mitsingabend in der Mülheimer VHS an der Aktienstraße zeigte sich, dass mancher Celentano-Hit tiefgründiger ist als gedacht.

Ein berauschender Abend in der Mülheimer VHS hielt musikalische Freuden und inhaltliche Überraschungen parat. Der Fremdsprachenfreund und Amateurmusiker Walter Weitz zeichnete als Gestalter des vergnüglichen Abends ein facettenreiches Bild des berühmten italienischen Sängers und Schauspielers Adriano Celentano – immer anhand von dessen Liedern.

Charmant baut Weitz biografische Details des italienischen Stars ein, wie etwa die seit 1964 bestehende Ehe des vermeintlichen Frauenhelden mit der Sängerin und Schauspielerin Claudia Mori. Insbesondere werden Celentanos sozial- und gesellschaftskritischen, gar politischen Stellungnahmen in seinen eingängigen Songs betont.

Teilnehmende des Mitsingabends in Mülheims VHS erfahren Hintergründe zu Liedern

„Un albero di trenta piani“, ein dreißigstöckiger Baum, steht etwa für die städtebauliche Schande, die Celentano in vielen weiteren Liedern anprangert. Mit der Drohung der Ehefrauen „Chi non lavora non fa l’amore“ – wer nicht arbeitet, macht keine Liebe – legte Celentano sich einst mit den streikfreudigen Gewerkschaften an, die ihn des Verrats beschuldigten.

Zum Mitsingen der Lieder des italienischen Sängers Adriano Celentano eingeladen waren die Teilnehmenden des Singabends in der Mülheimer Volkshochschule.
Zum Mitsingen der Lieder des italienischen Sängers Adriano Celentano eingeladen waren die Teilnehmenden des Singabends in der Mülheimer Volkshochschule. © FUNKE Foto Services | Franz Naskrent

Gesellschaftsrelevant auch „Svalutation“ – Abwertung – über die damalige Inflation von 20 Prozent in Italien, bei dem zwischendurch die Information einfließt, dass Italien vor langer, langer Zeit Linksverkehr hatte. Solch nett verpackte Informationen weiß Weitz hervorragend herauszustellen.

Celentanos wohl bekanntester Hit „Azzurro“ erklingt beim Mülheimer Mitsingabend

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Doch der zweieinhalbstündige vergnügliche Abend offenbart beim Übersetzen vor allem, dass viele Wohlfühllieder andere Inhalte als gedacht haben. Celentanos wohl bekanntester Hit „Azzurro“ entpuppt sich nur als schmerzhafte Sehnsucht nach Sonne-Meer-Strand-Idylle.

Gleichwohl findet gerade dieses Lied als Auftakt zum Mitsingen großen Zuspruch, sodass die gut fünfzig Anwesenden aus voller Kehle mitschmettern – auf Italienisch, versteht sich. Im munteren Song „Susanna“ besingt Celentano gar statt eines erotischen Abenteuers ein erotisches Desaster.

Gebürtiger Italiener beim Singabend in Mülheimer VHS: „Gefühle aus meiner Kindheit“

Es ist ein kundiges Publikum, das wird schnell klar, als Weitz es in fließendem Italienisch begrüßt, ein Publikum, das bedauerlich raunt, als er ankündigt, fortan lieber Deutsch sprechen zu wollen. Macht aber Sinn, denn selbst beim satzweisen Durchgang verstehen wohl nur die anwesenden gebürtigen Italiener die italienischen Texte sofort.

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Der ehemalige Mülheimer Amateurboxer Ernesto Zaniol ist einer von ihnen, er schwärmt: „Herrlich! Gefühle, die ich früher als Kind hatte, kommen wieder hoch.“ Irina und Ralf dagegen beleben ihre Italienisch-Kenntnisse neu und stimmen ihrer ehemaligen VHS- Kursgefährtin Dorothee zu: „Toll, die Hintergründe zu den Liedern zu hören.“

Abend endet mit dem Hit „Una festa sui prati“ unter vollem Stimmeinsatz des Publikums

Ganz der Lachnummern-Filou, wie er aus seinen Slapstickfilmen her bekannt ist, kreierte der umtriebige Celentano für „Prisencolinensinainciusol“ sogar eine reine Fantasiesprache, die lautmalerisch „ol rait“ ans Englische gemahnt, aber sinnfrei ist. Mit Auszügen aus diversen Filmen und Fernsehshows peppte Weitz schmunzelnd den informativen Liederabend weiter auf, präsentierte Celentano wegen dessen typischen federnden Ganges und seine Art des Tanzens als „Il Molleggiato“.

Als der zweieinhalbstündige Abend mit dem Hit „Una festa sui prati“ unter vollem Stimmeinsatz des Publikums endet, wird Weitz jubelnd und unter viel Beifall gefeiert. Die filmisch unterstützte Zugabe mit dem englischsprachigen Rock’n’Roll-Titel „Be Bop A Lula“ belegt dann auf vortreffliche Weise den Slogan der VHS: „Bildung macht glücklich“. „Was für ein schöner Abend“ ist mehrfach beim Rausgehen zu hören.

Bis zum nächsten Mitsingabend an der Mülheimer VHS dauert es noch eine Weile: „Let’s sing Christmas“ heißt es am 19. November. Dann werden unter der Leitung von Walter Weitz Advents- und Weihnachtslieder aus acht Ländern angestimmt. Der Eintritt ist frei, Anmeldung ab 5. Juni über die VHS Mülheim: vhs@muelheim-ruhr.de, 0208/455 4321.