Mülheim. Ehrenamtler trainieren in Einzelstunden mit Mülheimer Kindern das Lesen. Warum das Projekt so erfolgreich ist und welche Schulen mitmachen.
Wofür braucht man eine Fliegenklatsche, Murmeln und eine Treppe? An der Grundschule Zunftmeisterstraße nutzt man all diese Dinge zum Lesenlernen - und zwar im Rahmen eines besonderen Engagements. Einmal in der Woche kommen Mentorinnen und Mentoren in die Schule und nehmen sich eine ganze Schulstunde Zeit, um mit „ihren“ Kindern einzeln Lesen zu üben. Bei manchen Kindern bedeutet es, dass erst einmal einzelne Buchstaben geübt werden. Bei anderen geht es darum, den Mut zu fassen, laut vorzulesen.
Dabei ist Fantasie gefragt. „Mit der Fliegenklatsche und den Murmeln kann man die Silbentrennung üben. Die Treppe war eine Lösung bei einem Kind, das nicht still sitzen konnte. Nach jedem Satz nahmen wir eine Stufe“, erklärt Monika Meurer. Sie ist selbst Mentorin und koordiniert das Projekt an der Grundschule Zunftmeisterstraße. Gestartet wurde zum Beginn des Schuljahres im Sommer. Aktuell trainieren dort sieben Mentorinnen und Mentoren mit 14 Kindern aus der zweiten und dritten Klasse.
Mülheimer Lesehelfer sollen auch dabei helfen, Selbstbewusstsein zu tanken
Die Erfolge sind beachtlich. Die achtjährige Benedikta etwa hat zu Beginn des Projekts niemals laut gelesen, inzwischen besucht sie ab und zu eine Kita, um den jüngeren Kindern vorzulesen. „Ein Riesenerfolg“, sagt Lehrerin Julia Oeser. Beim Lesen spiele es eine große Rolle, Selbstbewusstsein zu tanken. Genau das wollen die Lesehelfer leisten. „Wir wollen, dass die Kinder ohne Druck in Wohlfühlatmosphäre lernen“, sagt Monika Meurer. „Und wenn es mal ein schwieriger Tag ist, wird auch einfach nur gespielt oder geredet.“
Die pensionierte Lehrerin Elisabeth Brexel betreut zwei Kinder an der Schule und beschreibt, wie vielfältig ihre Aufgaben sind. „Mit einem Schüler übe ich, die Buchstaben B und D auseinanderzuhalten. Mit dem anderen Schüler übe ich bereits das Vorlesen mit Betonung.“ Den Mentorinnen ist anzumerken, wie sehr ihnen die Arbeit mit den Schülern am Herzen liegt. Auch die stellvertretende Schulleiterin Anna-Maria Kousri hat nur Lob übrig: „Das ist eine Riesenunterstützung. Im Schulalltag haben wir kaum die Möglichkeit, einzelne Kinder vorlesen zu lassen.“
45 Mülheimer Mentoren an sieben Schulen im Einsatz
Die Helfer sind noch an sechs weiteren Grundschulen im Stadtgebiet im Einsatz, mit dabei sind Astrid Lindgren, Martin von Tours, Lierberg, Oemberg, Filchner und Steigerweg. Insgesamt gibt es 45 ehrenamtliche Leselernhelfer in Mülheim. Weitere werden gesucht. „Gern auch mal jüngere Menschen, etwa im Studium, oder Berufstätige, die Gleitzeit arbeiten oder deren Arbeitgeber das Ehrenamt unterstützt“, sagt Katharina Wehner, die das Projekt für das Centrum für bürgerschaftliches Engagement begleitet.
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„Wichtig ist, dass die Ehrenamtler nicht ins kalte Wasser geschmissen werden“, sagt Koordinatorin Martina Appeltrat. Die Helfer werden nicht nur zu Beginn geschult und mit Materialien eingedeckt. Es finden auch alle drei Monate Treffen statt, bei denen sich alle Lesehelfer der Stadt austauschen. Da viele pensionierte Lehrerinnen und Lehrern unter den Ehrenamtlichen sind, gebe es dort auch immer zahlreiche pädagogische Tipps. Ein weiteres wichtiges Argument für Leselernprogramme in Schulen liefert Julia Oeser, Lehrerin an der Grundschule Zunftmeisterstraße: „Manchmal ist die Schule der einzige Ort, an dem ein Buch in die Hand genommen wird.“
Weitere Mülheimer Mentoren werden gesucht
Das Projekt „Mentor“ gibt es zwar erst seit diesem Sommer in Mülheim. Bundesweit existiert es bereits seit 20 Jahren. Ziel ist dabei jeweils, dass die Mentor-Schüler-Tandems ein Jahr lang ein Mal pro Woche gemeinsam trainieren. Wer selbst als Mentor mitmachen möchte, kann sich hier per Email melden. Informationen gibt es auch im Netz unter: www.mentor-muelheim.de