Mülheim. Seit Jahresbeginn müssten etliche Mülheimer Gastro-Betriebe auf Mehrwegverpackung umstellen. Doch die Stadt kontrolliert nicht. Die Gründe.

Der Kaffeebecher für unterwegs, die Wegwerf-Packung fürs Fast-Food-Essen – bequem, aber eben am Ende auch eine Menge Müll. Ab diesem Jahr soll das durch eine Novelle im Verpackungsgesetz langsam Geschichte werden. Auch in Mülheim sollen Restaurants, Bistros und Cafés ab bestimmter Größe müllsparende Mehrwegbehälter anbieten. Doch passiert das? Die Antwort sorgte im Umweltausschuss für Kopfschütteln: Aktuell kontrolliert niemand die Umsetzung.

Welches Ausmaß der Verpackungsmüll in der Stadt einnimmt, ist nicht nur mit unschöner Regelmäßigkeit Thema im politischen Raum. Es lässt sich täglich im Straßenbild erkennen: an Haltestellen, Parkbänken, in Grünanlagen und nicht selten verstreut um Mülleimer herum. „Tonnenweise“ entstehe täglich Verpackungsmüll durch „Take-away-Einwegverpackungen“, kritisierte die SPD neulich im Umweltausschuss. Dabei sollte ein neues Verpackungsgesetz dies deutlich reduzieren.

Welcher Mülheimer Betrieb muss Mehrweg anbieten, welcher nicht?

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Der Imbiss und der Kiosk um die Ecke bleibt jedoch als so genannter kleiner Betrieb vom Gesetz ,verschont’, lediglich wenn der Kunde das wünscht, muss er Speisen oder Getränke in mitgebrachte Behälter füllen.

Betriebe ab 80 Quadratmeter Verkaufsfläche und mit mehr als fünf Beschäftigten aber müssen entweder selbst Mehrwegverpackungen etwa aus Kunststoff und Glas anbieten oder mit einem solchen Unternehmen für Mehrwegsysteme zusammenarbeiten. Dabei gilt: Es darf dafür ein Pfand erhoben werden, das Essen oder die Getränke dürfen deswegen aber nicht teurer sein. Und: Die Betriebe müssen ihre Mehrwegverpackungen zurücknehmen - nicht aber diejenigen anderer Betriebe.

Doch Mülheimer Lieferdienste und Gastronomiebetriebe verwendeten offenkundig weiterhin automatisch Einwegverpackungen und verwiesen nicht auf Alternativen, kritisierten die Genossen just im Umweltausschuss: „Eine konsequente Umsetzung der neuen Regelung ist in Mülheim aktuell nicht spürbar.“

Verwaltung unter Druck: aufgrund von Personaldefizit keine Maßnahmen durchgeführt

Verpflichtet die Umsetzung des Gesetzes in den Restaurant-Betrieben zu kontrollieren, wäre eigentlich die Untere Abfallwirtschafts- und Immissionsschutzbehörde (UAIB) der Stadt Mülheim. Doch im Umweltausschuss musste die Verwaltung einräumen, dass solche Kontrollen kaum stattfinden. Es sei durch das Verpackungsgesetz ein „erheblicher Aufgabenzuwachs“ erzeugt worden, „für diese Mehraufgaben wurde kein Belastungsausgleich geschaffen“.

Es gebe keine Personalkapazitäten und auch keine Finanzen für weiteres Fachpersonal, eine Vergabe der Kontrolle an Externe sei rechtlich nicht möglich – so das Fazit. Dabei fehlt es in Mülheim zudem an grundsätzlichen Informationen, etwa wie viele Mülheimer Gastronomiebetriebe unter die neue gesetzliche Regelung fallen, welche Unternehmen Mehrwegverpackung anbieten oder einen Systemanbieter nutzen. Oder ob die kleineren Betriebe ihre Kunden darauf hinweisen, dass sie Behälter selbst mitbringen können.

„Aufgrund des herrschenden Personaldefizits werden derzeit keine Maßnahmen durchgeführt“, teilte die Verwaltung mit. Man sei auch nicht dazu verpflichtet, die Betriebe über die neuen Regelungen zu informieren.

IHK zu Essen: Betriebe sind nicht ausreichend informiert

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Aus Sicht der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Essen liegt hier jedoch der sprichwörtliche Hase im Pfeffer: „Wir bekommen vermehrt Anfragen von Betrieben zu diesem Thema“, teilt ein Sprecher der IHK mit. Denn offenbar herrsche Unsicherheit darüber, ob man als Gastronomiebetrieb die Kriterien erfülle. Wie werden etwa Minijobber gezählt – je nach Stundenzahl zur Hälfte –, oder: Wie geht man mit mitgebrachten Behältern hinsichtlich der Hygiene um?

Mülheim und sein Müll - ein Dauerthema

Die sogenannte Hol-Pflicht der Betriebe sei zwar richtig, greife aber bei dieser Komplexität zu kurz. Die IHK selbst bereite wegen der vielen Anfragen gerade Informationsveranstaltungen zum Thema vor. „Das neue Verpackungsgesetz ist ein guter Ansatz. Aber die einzelnen Punkte haben sich noch nicht ausreichend herumgesprochen. Es ist daher gut, dass die Kommunen derzeit noch nicht hart durchgreifen“, resümiert der IHK-Sprecher.

Politik kritisiert Bundesgesetz ohne ausreichende Finanzierung in Kommunen

Der Bund habe ein Gesetz geschaffen, „ohne die Kommunen dafür ausreichend zu alimentieren“, kritisierte Michael Cremer, Vorsitzender des Alpenvereins, und sachkundiger Bürger im Umweltausschuss. „Willkommen im Leben“, merkte der umweltpolitische Sprecher der SPD, Daniel Mühlenfeld, mit leichtem Sarkasmus an. Es zeige sich daran, wie desolat der personelle und finanzielle Stand der Kommune seit Jahren sei: „Es ist zwar nicht neu, aber wir haben früher immer gesagt, dass wir ans Limit kommen – jetzt sind wir an dem Punkt, Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen zu können.“

Die SPD schlägt nun vor, dass die Stadt den notwendigen Personalbedarf für die Aufgaben beziffern soll. Man wolle dies in die Haushaltsdebatte im Herbst einbringen.