Mülheim. Immer wieder bekommen Mitarbeitende der Mülheimer Verwaltung den ,Volkszorn’ zu spüren. Es geht bis zur körperlichen Bedrohung mit einem Auto.
„Steckt euch die 50 Euro in den A...“ – in dem einen Fall bleibt es bei einer deftigen Beschimpfung von Mitarbeitenden des Ordnungsamts, in anderen Fällen brennt die offenbar allzukurze Zündschnur von Bürgern durch: „Wenn du nochmal wiederkommst, leg’ ich dich um“, drohte jemand dem Veterinäramt. Und wieder andere halten gleich mit dem Auto auf einen zu: Immer wieder bekommen Verwaltungsmitarbeitende in Mülheim die extreme Wut von Bürgern zu spüren.
Die vielleicht erfreuliche Nachricht dahinter: 2022 verzeichnete die Stadt nur fünf solcher extremen Übergriffe. Doch schon diese wenigen decken die ganze Bandbreite von Beleidigungen bis Bedrohungen und körperlichen Angriffen ab. In den vergangenen vier Jahren gab es davon sogar deutlich mehr: 2018 zählte die Stadt 17, 2019: 12, im ersten Corona-Jahr 2020 wiederum 18 und 2021 erneut 17 Übergriffe.
Vorsicht bei den Mülheimer Zahlen: Nicht alle Übergriffe werden erfasst
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Mit fünf in diesem Jahr erreicht man erstmals seit 2015 wieder einen niedrigen Stand. Angefeindet werden Mitarbeiter im Jobcenter, im Ordnungsdienst, auch ein Dezernent wurde als „Lügner“ beschimpft, den man „wie früher an den Pranger stellen, oder teeren und anschließend federn“ sollte. Das letzte Verfahren wurde mit Einverständnis des Dezernenten wieder eingestellt.
Über die Gründe für den Rückgang ist man sich im Rathaus nicht ganz einig – auch wegen der Dunkelziffer: Die Statistik enthalte ja ohnehin nur solche Fälle, die gemeldet werden, merkt das Rechtsamt an. Die niedrige Zahl sollte man „nicht überbewerten“, heißt es. Das Amt geht im Alltag grundsätzlich wohl von einer deutlich höheren Zahl aus. Es könnte also auch sein, dass 2022 positiver ausfiel, weil nicht alle Übergriffe von den Betroffenen verfolgt wurden.
Ordnungsdezernentin Franke erschrecken sexistische Beleidigungen
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Für Mülheims neue Rechts- und Ordnungsdezernentin Anja Franke sind die ,guten’ Zahlen nicht nur deshalb kein Grund, sich zu freuen: „Es gibt in vielen anderen Regionen Entwicklungen, in denen Beleidigungen und Bedrohungen von Amtsträgern und kommunalen Beschäftigten gerade auch in den sozialen Medien zunehmen.“ Was sie erschrecke, seien vor allem sexistische Beleidigungen: „Das ist nicht zu tolerieren und ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass solche Aussagen überhaupt getroffen werden – ein absolutes No-Go!“ Zudem habe sich in den letzten Jahren Gruppen entwickelt, die die Staatsordnung – und damit auch alle Vertreter von staatlichen Organen – infrage stellen.
Trotz Dunkelziffer – für Mülheim wertet Franke die niedrigen Zahlen dennoch als ein Ausdruck eines „weiterhin ganz überwiegend vorhandenen hohen Respektes gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“. Die allermeisten Bürgerinnen und Bürger seien sich einig, „dass ein gutes Miteinander nur möglich ist, wenn sich alle an die Regeln halten und es dazu auch notwendig ist, an diese zu erinnern und bei Missachtung einzuschreiten“.