Mülheim. Der Mülheimer Pastor Konrad Jakobs war für seine Gutmütigkeit und unermüdlichen Einsatz bekannt. Wieso sein gutes Wirken ein jähes Ende fand.
Mülheimern in Not riet man zu seinen Lebenszeiten: „Geh doch zu Pastor Jakobs!“ Vom Mülheimer Stadtdechanten und Pfarrer der Gemeinde Sankt Mariae Geburt erzählte man sich in den 1920er Jahren Anekdoten wie diese: Er geht zu Fuß nach Hause, statt mit der Straßenbahn zu fahren, um sein Fahrgeld einem Bettler zu geben. Einem protestantischen Familienvater in Not leiht der katholische Priester spontan Geld. Später nimmt er es nicht zurück und sagt dem erstaunten Schuldner: „Sie müsse eine Familie versorgen, ich nicht!“ Seine Familie: Das war für den Ruhrpastor Konrad Jakobs seine Gemeinde Sankt Mariae Geburt.
„Es ist schön für die zu sorgen, die man liebt“, sagt er über die Mitglieder seine Gemeinde. Als er 1919 nach Mülheim kam hatte, hatte der 1874 als Bauernsohn im Kreis Heinsberg geborene Jakobs bereits Erfahrungen als Großstadtseelsorger in Köln und Essen gesammelt. Mülheim gehörte damals zum Erzbistum Köln. Von einem Ruhrbistum war noch keine Rede.
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In der Zeit, in der Konrad Jakobs Pfarrer von Sankt Mariae Geburt und Stadtdechant der Mülheimer Katholiken war, stellten die katholischen Christen ein Drittel der Stadtbevölkerung. Allein zur Stadtpfarrei, die Jakobs bis zu seinem Tod am 25. Dezember 1931 leitete, gehörten 10.000 Katholiken.
Seine Zeit als Stadtseelsorger an der Ruhr war eine Zeit der politischen und wirtschaftlichen Krisen. Dem Ersten Weltkrieg folgten die Revolution, der Ruhrkampf, die französische Ruhrbesetzung, die Hyperinflation und die Weltwirtschaftskrise. Angesichts der Not wurde der Seelsorger auch zum Sozialreformer, finanziell unterstützt von der katholischen Unternehmerfamilie Thyssen.
Jakobs erkannte, dass die materielle und die seelische Not oft zwei Seiten derselben Medaille waren. Deshalb gründete er in den 1920er Jahren den Caritasverband, das Josefshaus für in Not geratene junge Erwachsene und ein Waisenhaus, das später als Franziskushaus zum Pflegeheim werden sollte. Er richtete Suppenküchen ein, schickte seine Kapläne für „Kartoffelpredigten“ aufs Land, richtete eine Kranken- und Familienhilfe, eine Jugendfreizeit auf dem Liebfrauenhof und ließ auf Gemeindeland 36 Häuser für preiswerte Wohnungen bereit.
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Auch der 1928 begonnene Neubau der vom Architekten Emil Fahrenkamp im Bauhausstil entworfenen und am 10. März 1929 vom Kölner Weihbischof Josef Hammels eingeweihten Marienkirche diente ihm nicht zuletzt auch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Das Portal der dritten Marienkirche überschrieb der Pastor mit seinem seelsorgerischen Credo: „Herz und Türen stehen offen!“
Jakobs unermüdlicher Einsatz als Seelsorger und Sozialreformer, der auch als Sachkundiger Bürger im Rat der Stadt mitarbeitete, Vorträge hielt und regelmäßig für die katholische Mülheimer Volkszeitung schrieb, starb am 24. Dezember 1931, wenige Tage vor seinem 57. Geburtstag an den Folgen eines Herzschlages, weil er seine Kräfte überfordert hatte.
Die Mülheimer Zeitung schrieb in ihrem Nachruf: „Völlig unerwartet hat der Tod den scheinbar auf dem Höhepunkt seiner Wirkenskräfte stehenden Pfarrer abberufen. Weil so viel passiert ist in wirtschaftlich schwerer und dann noch viel schwerer gewordenen Zeit, wird ihn die Pfarre doppelt und dreifach vermissen.“ Auch die Kommunisten ließen es sich nicht nehmen, mit ihrer roten Fahne im Leichenzug des katholischen Priesters Konrad Jakobs mitzugehen, der unweit des Kirchenhügels und des von ihm gegründeten Josefshauses auf dem 1812 errichteten Friedhof an der Dimbeck beigesetzt wurde. Bis heute erinnern die dritte Marienkirche und die nach ihm benannte Pastor-Jakobs-Straße an den Ruhrpastor.