Mülheim. Mehr Geld will der öffentliche Dienst auch in Mülheim. Die erste Tarifrunde hat begonnen – „erst der Anfang“, heißt es. Wie es nun weitergeht.
Beschäftigte des öffentlichen Dienstes fordern mehr Geld: 10,5 Prozent beziehungsweise mindestens 500 Euro Gehaltssteigerung sind es, die Verdi und der Beamtenbund der ersten Runde der Tarifverhandlungen als drängendste Forderung nennen. „Gute Arbeit und gute Menschen müssen bezahlt werden“, sagt Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Henrike Eickholt. Und wird noch deutlicher: „Wenn wir kein gutes Ergebnis bekommen, brennt der Baum.“
Gemeinsam mit anderen Gewerkschaftsmitgliedern und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes hat sie sich am Mülheimer Stadthafen versammelt, um dem Oberbürgermeister eine Petition mit 1500 Unterschriften zu überreichen. Vor allem untere Lohngruppen des öffentlichen Dienstes sollen von den Konditionen profitieren, die Verdi in der ersten Tarifrunde aufgestellt hat. In Mülheim sind insgesamt rund 5000 Menschen im öffentlichen Dienst beschäftigt – etwa bei der Stadtverwaltung, der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft oder den Seniorendiensten.
Mülheimer Beschäftigte stellen sich auf Streik ein
Gerade bei den Mülheimer Seniorendiensten seien vielfach Alleinerziehende beschäftigt. Eine Gruppe, die unter den enormen Preissteigerungen im Zuge von Inflation und Krieg besonders leide. Und auch wenn die Tarifverhandlungen noch ganz am Anfang stehen – die zweite Runde soll ab dem 22. Februar und die dritte ab dem 27. März folgen – gibt sich Henrike Eickholt kampfbereit: „Wir wollen nicht nur warme Worte, wir wollen was im Portemonnaie spüren.“
Oberbürgermeister Marc Buchholz, der an diesem Nachmittag im Stadthafen seine eigene Unterschrift unter die Petition setzt, die sich an ihn persönlich richtet, wünscht sich „einen gemeinsamen Schulterschluss“ in Sachen Tarifverhandlungen. Gleichzeitig räumt er ein: „Auch wenn Mülheim einen Jahresüberschuss von 69 Millionen Euro erwirtschaftet hat, sind wir immer noch Stärkungspaktkommune und haben Schulden abzubezahlen.“ Ein Spagat, wie er findet. „Wir wollen uns nicht in neue Schulden stürzen.“ Es gelte, den Haushalt im Blick zu haben, aber auch die Beschäftigungsgruppe zu berücksichtigen, die in Mülheim mit hohem Personalmangel zu kämpfen hatte und auch noch hat. So blieb jede fünfte Stelle zuletzt unbesetzt.
Mülheims Verwaltung hat Schwierigkeiten bei Personalgewinnung
„Die Verwaltung hat einen Kräftebedarf, das muss man ganz deutlich sagen“, so Buchholz. Das sei aber kein Mülheimer Phänomen, jeder öffentliche Arbeitgeber habe auf dem Arbeitsmarkt nicht die besten Ausgangsbedingungen. So trete die Verwaltung als Arbeitgeberin in Konkurrenz mit Mitstreitern aus der freien Wirtschaft und ziehe hier oft den Kürzeren. Die Forderung nach mehr Gehalt sei zwar eine berechtigte, werfe aber auch eine entscheidende Frage auf: „Wer bezahlt das?“ Die Antwort folgt auf dem Fuße: „Die Bürgerinnen und Bürger.“ Hier erwarte er von verhandelnden Parteien eine transparente Kommunikation.
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Auch wenn die Tarifverhandlungen noch jung sind – einen ersten Dämpfer gab es schon: So habe Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD), die als Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) Verhandlungsführerin bei der Tarifrunde ist, die Mindestgrenze der monatlichen Gehaltserhöhung in Höhe von 500 Euro eine Abfuhr erteilt. „Das war zu erwarten“, sagt Gewerkschafterin Henrike Eickholt. „Wir stehen noch ganz am Anfang, es gibt wie immer zwei Fronten.“ Ein Gegenangebot habe es bislang noch nicht gegeben.
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Mülheimer Kitas und Ruhrbahn könnten bald in Streik treten
Neben einer Steigerung des monatlichen Entgelts um 10,5 Prozent oder aber mindestens 500 Euro fordert die Gewerkschaft 200 Euro mehr im Monat für Azubis, dual Studierende sowie Praktikantinnen und Praktikanten. Auch eine unbefristete Übernahme von Auszubildenden nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung gehört zu den Bedingungen, die Verdi aufgestellt hat.
Zwar gebe es noch keinen zeitlichen Horizont, Streiks seien aber durchaus eine realistische Option. „Wir sprechen über sensible Bereiche wie Kitas und die Ruhrbahn“, so Eickholt. „Hier sind wir natürlich auch auf die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen.“ Die Forderung von 10,5 Prozent mehr Gehalt wirke vielleicht zunächst vergleichsweise hoch – für den öffentlichen Dienst ist es eine der höchsten Forderungen in der Gewerkschaftsgeschichte – „aber wir haben diesen Wert in bundesweiten Befragungen ermittelt“, erklärt Eickholt. Teilweise habe es Forderungen von 20 Prozent mehr gegeben und davon einige.
>>> Das sagt Verhandlungsführerin Welge
- Karin Welge appelliert an die Gewerkschaften, keine zu drastische Wortwahl zu wählen. Von „ritualisierter Dramaturgie“ solle man in Zeiten des Krieges in Europa „bei aller notwendigen Auseinandersetzung“ Abstand nehmen, sagte sie gegenüber dem „Spiegel“.
- Begründet werden die Forderungen der Gewerkschaften vor allem mit der Inflation. Welge aber sagt in ihrer Funktion als Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA): „Die Kommunen sind von der Inflation und den derzeit hohen Energiepreisen genauso betroffen wie ihre Beschäftigten.“