Mülheim. Bei einem Mülheimer geben sich Promis die Klinke in die Hand – er vermittelt Doppelgänger. Für einen wichtigen Posten sucht er noch verzweifelt.
Jochen Florstedt ist ein Mann mit ziemlich vielen Talenten – und ganz offensichtlich einem exzellenten Riecher, womit sich in den jeweils nächsten Jahren Geld verdienen lässt. Einige Male änderte er seine berufliche Richtung – und war am Ende doch immer erfolgreich. In diesem Jahr betreibt er seine Doppelgänger-Agentur in Styrum bereits seit einem Vierteljahrhundert.
„Mit 18 hatte ich meine erste Band“, erinnert sich Jochen Florstedt an die ersten Berührungspunkte mit dem Showbusiness. Als seine Band-Kollegen und er Anfang der Siebzigerjahre zur Bundeswehr sollten, entschieden sie, sich dem Zugriff des deutschen Militärs durch eine Flucht nach Holland zu entziehen. „Unser Gitarrist hatte sich da ein kleines Häuschen gemietet. Da haben wir dann alle gewohnt, Musik gemacht und es uns gut gehen lassen.“ Schon in diesem Bereich brachte es Jochen Florstedt zu etwas. Seine Band trat immerhin einmal als Vorgruppe von Golden Earring auf.
Die Doppelgänger-Agentur ist nicht die erste Geschäftsidee des Mülheimers Florstedt
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Nach einem knappen Jahr war allerdings Schluss mit dem Auslandsaufenthalt, denn schließlich konnten sich die Teenager dem Zugriff der Bundeswehr selbst im benachbarten Ausland nicht mehr entziehen und mussten zur Musterung. Ein Bekannter glaubte, den ultimativen Tipp zu haben, um untauglich gemustert zu werden: drei Tage lang so viel wie möglich rauchen und Cola trinken. Der Widerwillen der Jugendlichen gegen den Dienst an der Waffe war so groß, dass sie den verzweifelten Versuch unternahmen – und tatsächlich Erfolg hatten. „Die haben uns rausgeschmissen, weil wir so fertig aussahen und unsere Herzen rasten“, erinnert sich Jochen Florstedt noch immer – und das ganz offensichtlich sehr gerne, denn die Freude darüber ist ihm auch nach über einem halben Jahrhundert noch deutlich anzusehen.
Vom Barras verschont nutzt der junge Jochen Florstedt im Anschluss, Anfang der Siebzigerjahre, nun das, was er in seiner Ausbildung zum Reprofotografen, Lithographen und Retuscheur gelernt hatte und arbeitet in einer Druckerei. Schnell gelangte er zu der Erkenntnis, dass er das, was er dort für seinen Chef macht, auch auf eigene Rechnung machen kann. Er findet in seiner Mutter eine Frau, die ihn für kreditwürdig hält und an ihn glaubt und im Vermieter einen Mann, der ihn die Waschküche des Hauses zu einem Studio umbauen lässt. So startet Jochen Florstedt sein erstes eigenes Business.
Mülheim stand selbst lange als Blues Brothers-Doppelgänger auf der Bühne
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Kurze Zeit später gründet er mit einem Freund eine Künstler-Agentur, über die die beiden auch Konzerte veranstalten. Ungeachtet des geschäftlichen Erfolgs verabschiedet er sich von diesem Geschäft und schlägt Ende der Siebzigerjahre das nächste Kapitel seines Berufslebens auf. „Da wollte ich ein Werbe-Atelier für Industriekunden betreiben.“ Aufgrund des Erfolgs wuchs das Atelier mit der Zeit zu einer klassischen Werbe-Agentur heran. In dem angemieteten Gebäude befand sich auch ein großer etwa 100 Jahre alter Veranstaltungssaal mit eingebauter Bühne, der nur als Fotostudio genutzt wurde. „Ich brauchte den nicht, aber ich musste ihn mit anmieten“, erklärt Jochen Florstedt.
Ein Freund brachte ihn auf die Idee, dort Partys zu veranstalten. Als Gag setzten dieser Freund und er sich vor 30 Jahren an die Kasse – als Mafiosi verkleidet, wie die beiden dachten. Tatsächlich jedoch wurden sie von zahlreichen Gästen darauf angesprochen, dass sie wie die Blues Brothers aussähen. Sofort regte sich wieder etwas in dem Geschäftsmann und er ließ einfach einen Versuchsballon starten, indem er einen Prospekt über die beiden neuen Blues Brothers-Doppelgänger erstellte und an viele Agenturen verschickte. Nur wenige Tage später hatten die beiden ihren ersten Fernseh-Auftritt in der Tasche. Von 1992 bis 1998 betrieb Florstedt die Werbe-Agentur und die eigenen Double-Auftritte parallel, bevor er sich schließlich voll und ganz auf seine eigene Blues-Brothers-Darstellung und die Vermittlung anderer Doppelgänger konzentrierte. 2023 sind es 25 Jahre. „Ich hatte das große Glück, immer das machen zu können, was ich auch machen wollte“, ist sich Jochen Florstedt seines Glückes bewusst.
Double von Angela Merkel, das von Mülheim aus vermarktet wird, ist sehr gefragt
„Es gibt weltweit auf dem Markt ungefähr 1000 gute, sehr ähnliche Doppelgänger“, erklärt der Fachmann. „Davon kommen 400 aus Europa und ungefähr 105 aus Deutschland. 80 davon sind exklusiv bei mir unter Vertrag.“ Ganz egal ob Daniel Craig, Angela Merkel, Robert Geiss, Cristiano Ronaldo, Chuck Norris oder Jürgen Klopp – bei Jochen Florstedt findet man ganz normale Menschen, die dem jeweiligen Promi zum Verwechseln ähnlich sehen.
„Meine Doppelgänger werden zum Beispiel für Auftritte in Werbespots, Kinofilmen oder zu Firmenveranstaltungen gebucht. Im Rahmen der dortigen Aufenthalte, die zwei bis vier Stunden dauern können, besteht die Hauptaufgabe der Doubles dann darin, durch ihre bloße Anwesenheit gute Laune zu verbreiten und für Fotos zur Verfügung zu stehen. Florstedts Schützlinge werden aber auch für Fernseh- und Werbe-Aufnahmen gebucht. Sein Merkel-Double ist oft in der Heute Show, bei Jan Böhmermann, Caroline Kebekus oder in Kinofilmen mit Bully Herbig oder Didi Hallervorden zu sehen.
Die Möglichkeiten seien da überaus vielfältig. Jochen Florstedt kann so viele Anekdoten erzählen, dass es schwerfällt, welche auszuwählen. Sicherlich besonders ist die Geschichte, dass seine Merkel-Doppelgängerin eine Zeit lang so stark gefragt war, dass sich sogar Kamerateams aus dem arabischen Raum auf den Weg zu ihr nach Attendorn machten, um sie zu Hause zu interviewen. Oder die Geschichte mit dem Daniel Craig-Doppelgänger, der gebucht wurde, um während der Dreharbeiten zu dem James Bond-Film „Ein Quantum Trost“ die Menschenmassen von der Bregenzer Seebühne wegzulocken – in James Bonds Aston Martin.
Wer einem Promi ähnlich sieht, kann sich bei Mülheimer Double-Agentur melden
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Jochen Florstedt freut sich immer, wenn sich potenzielle Doppelgängerinnen und Doppelgänger bei ihm melden. Momentan läuft die Suche nach Politikern wie Habeck, Baerbock oder Lindner, was sich aber alles andere als leicht gestaltet. „Es genügt aber nicht, dem Promi biometrisch sehr ähnlich zu sehen – man sollte auch ungefähr dieselbe Größe und Figur haben“, ergänzt der Profi. Pro Auftritt kann ein Double von Jochen Florstedt mit einer Gage von 400 bis 800 Euro rechnen. Wer denkt, dass er einem Prominenten ähnlich sieht, kann sich direkt bei Jochen Florstedt über die Internetseite seiner Agentur www.doubles.de melden.
Auch bei der Suche nach einem Doppelgänger für Bundeskanzler Olaf Scholz ist er noch nicht so richtig fündig geworden. Aufgeben wird der Mann, der eigentlich schon längst seine Rente genießen könnte, aber auf keinen Fall.