Mülheim. Energiekrise, Mindestlohn, Preissteigerungen – die Gastronomen hatten auch 2022 zu kämpfen. Das Fazit der Mülheimer Betriebe fällt gemischt aus.

Von den beiden Corona-Jahren war die Gastronomie mit am schlimmsten betroffen. Monatelang waren die Restaurants geschlossen. Das war 2022 nicht mehr der Fall. Dennoch fällt die Bilanz am Jahresende gemischt aus.

„Gott sei Dank haben wir so viel Arbeit, dass wir kaum Zeit haben darüber nachzudenken“, schmunzelt Jörg Thon auf die Frage, wie er als Mülheimer Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) das bald abgelaufene Kalenderjahr bewertet.

Franky’s erlebt „das beste Jahr seit der Gründung“

„Alle, mit denen ich gesprochen habe, sind mit den Gästezahlen sehr zufrieden“, sagt Thon. Spätestens ab Mai oder Juni seien die Menschen wieder rausgegangen.

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Für das „Franky’s“ war es sogar das beste Jahr seit der Gründung, was Geschäftsführer Richard Reichenbach an zwei Punkten festmacht: Am langen, fast lückenlos warmen Sommer und an den nachgeholten Veranstaltungen. „Vor allem Hochzeiten haben sich angestaut, so dass teilweise sogar an Donnerstagen welche stattgefunden haben“, berichtet Reichenbach.

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Im Veranstaltungsbereich ist Franky’s auch im kommenden Jahr sehr gut gebucht, teilweise sogar schon für die erste Hälfte 2024. Jörg Thon freut sich in seinem Bürgergarten vor allem auf das kommende Karnevalsgeschäft.

Das Mülheimer Gastronomen-Ehepaar Janet und Jörg Thon.
Das Mülheimer Gastronomen-Ehepaar Janet und Jörg Thon. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Mülheims Dehoga-Vorsitzender hat noch nicht den Eindruck, dass die Energiekrise in den Geldbörsen der Gäste angekommen ist. Für das kommende Jahr befürchtet er es hingegen schon. „Ich habe das Gefühl, dass die Leute jetzt noch einmal alles mitnehmen, bevor sie es unter Umständen merken werden“, sagt auch Richard Reichenbach. Das Á-la-carte-Geschäft könne in der nahen Zukunft durchaus darunter leiden.

Raffelberger Hof: Von 36 Monaten 20 im Krisenmodus

Andere spüren schon jetzt eine gewisse Zurückhaltung. „Die Gäste sind vorsichtiger geworden und damit auch anspruchsvoller. Man muss sich noch mehr einfallen lassen“, sagt Andreas Engelke, Küchenchef im Raffelberger Hof an der Akazienallee in Speldorf.

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Sinan Bozkurt registriert in seinem Restaurant Ronja im Ringlokschuppen nach wie vor einen Rückgang von 20 Prozent im Tagesgeschäft im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau. Auch die Zeit der Weihnachtsfeiern sei eher enttäuschend verlaufen. „Manche Firmen haben überhaupt keine gemacht“, bedauert Bozkurt.

Mülheimer Ronja-Inhaber: „So kann es nicht weitergehen“

Es sind vor allem die Preissteigerungen, die den Gastronominnen und Gastronomen zu schaffen machen. Manche Lebensmittel sind nicht mehr in dem Maße verfügbar wie noch vor der Pandemie und vor dem Ukraine-Krieg. „Es kann nicht so weitergehen, dass alles teurer wird. Es muss langsam mal eine Lösung geben“, sagt Ronja-Inhaber Bozkurt. Schließlich koste Gemüse mittlerweile 20 Prozent mehr, „bei manchem zahlen wir fast das Doppelte.“

Hofft auf eine Lösung in der Preispolitik: Sinan Bozkurt, Inhaber des Restaurants Ronja im Ringlokschuppen.
Hofft auf eine Lösung in der Preispolitik: Sinan Bozkurt, Inhaber des Restaurants Ronja im Ringlokschuppen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

„Wir sind jetzt knapp drei Jahre hier und von 36 Monaten hatten wir 20 Monate nur Krise“, sagt Andreas Engelke. Ohne die Hotelgäste wäre es in diesem Jahr für den Raffelberger Hof schon schwierig geworden. „Wir haben Glück, dass wir ein kompletter Familienbetrieb sind und keine Angestellten haben“, sagt Engelke.

„Am Kamin“ erlebt drei Jahre unter extremsten Belastungen

„Es waren drei Jahre unter extremsten Belastungen“, bestätigt auch Heike Nöthel-Stöckmann, Inhaberin vom früheren Sternerestaurant „Am Kamin“. Sie beschreibt ihr Jahr als „bescheiden – emotional und finanziell“. Das liege nicht nur an den Gästen, sondern auch an der Lage auf dem Personalmarkt. Die Inhaberin muss mit deutlich weniger Servicekräften auskommen als früher. „Mittags braucht man gar nicht mehr aufzumachen“, bedauert sie.

Es sind eben – das betont auch Jörg Thon – längst nicht nur die gestiegenen Preise, die den Gastronomen die Bilanzen verhageln. „Wir sind von allen Seiten betroffen: Warenaufwand, Energiekosten, Personal – es gibt nicht einen Punkt in der BWA (Betriebswirtschaftliche Auswertung), der nicht teurer geworden ist.“

Viel Verständnis bei moderaten Preiserhöhungen

Dennoch hätten die meisten Gastronomen ihre Preise nur moderat erhöht, wofür von den meisten Gästen auch Verständnis geäußert worden sei. Für 2023 bleiben alle Befragten betont optimistisch, in der Hoffnung, dass sich das Preisniveau wieder stabilisiert.

Doch es bleiben Fragezeichen. Und ein Grundgefühl, dass Heike Nöthel-Stöckmann so beschreibt: „Allgemein ist die Leichtigkeit nicht mehr vorhanden.“