Mülheim. Das Mülheimer „Crêpe und Baguette“ schließt – für viele ein Schock. Wieso der Inhaber das Lokal nicht mehr halten konnte, wie es jetzt weitergeht.
- Das Mülheimer Kultlokal „Crêpe und Baguette“ schließt nach langem Ringen endgültig.
- Für Inhaber Kumanan Pulenthirarajah sind neben der Energiekrise vor allem die explodierenden Baguettepreise der Grund.
- Ein Nachmieter ist bereits gefunden: Ab dem 1. Dezember soll ein neues Restaurant öffnen.
Die Fangemeinde des Mülheimer Lokals „Crêpe und Baguette“ ist riesig. Das zumindest glaubt man, wenn man die vielen, vielen weinenden Emojis unter der Facebook-Nachricht von Mittwoch sieht, mit der das Team verkündet hat, das alteingesessene Restaurant zum 30. November zu schließen. Die Entscheidung sei keine einfache gewesen, erzählt Inhaber Kumanan Pulenthirarajah am Freitagmittag. Doch Fangemeinde hin oder her: „Am Ende fehlten einfach Kunden, um den Laden annähernd wirtschaftlich führen zu können.“ Auch, weil die Preise für die Lebensmittel zum Teil exorbitant gestiegen seien.
Prägnantestes Beispiel: Das Baguette. Eine Bäckerei aus Duisburg habe für den Laden über Jahre „eine Sonderanfertigung“ hergestellt. „Meine Vorgängerin, die Ende 2020 aufgehört hat, hat dafür noch einen Euro pro Stück bezahlt.“ Zu Beginn des Geschäftsverhältnisses mit Pulenthirarajah erhöhte die Bäckerei den Preis dann auf 1,15 Euro pro Stück. Und im August 2022 kam die Keule: „Erst wurde auf 1,40 Euro erhöht, dann sogar auf 1,80 Euro. Ganz ohne Ankündigung!“ Bei rund 600 bis 700 Baguettes, die im Monat verzehrt werden, sei das eine riesige zusätzliche Belastung gewesen, so der Wirt.
Leider sei der Mülheimer Laden auch nach den Lockerungen nicht richtig angelaufen
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Immer wieder habe er in den vergangenen zwei Jahren gehofft, dass es besser wird. Übernommen hatte er den Laden mitten im Lockdown Anfang 2021. Dass es damals nicht gleich rund lief, habe ihn zunächst nicht verunsichert. „Ich war zum Glück nicht abhängig von diesem Einkommen“, sagt der 47-Jährige, der hauptberuflich als Teamleiter für Anlagenbau arbeitet. Er habe natürlich auf das Ende der Corona-Einschränkungen gesetzt. Leider sei das Geschäft aber auch nach den Lockerungen nicht richtig angelaufen. Einer der Hauptgründe? „Die Energiekrise.“ Bei Facebook hatte das Team unter anderem von „politischen Fehlentscheidungen“ gesprochen. Allerhöchstens als One-Man-Show sei das Geschäft auskömmlich, sagt der Betreiber. Doch Küche, Theke und Service in einem zu betreuen, sei für eine Person eigentlich nicht leistbar.
Wenn all die Menschen, die jetzt traurig sind und Erinnerung teilen, regelmäßig zum Essen vorbeigekommen wären, „dann hätte es laufen können“. Doch sie blieben aus – vielleicht auch, weil das Geld überall knapper wird. „Nur am Anfang und am Ende des Monats war hier etwas los. Unter der Woche dagegen oft gar nichts.“
„Ich weiß, dass viele Mülheimer mit diesem Ort etwas Besonderes verbinden“
Pulenthirarajah bedauert, dass die lange Geschichte dieser Institution nun zu Ende geht. „Auch wenn ich aus Oberhausen komme: Ich weiß, dass viele Mülheimer mit diesem Ort etwas Besonderes verbinden.“ Immer wieder seien Menschen vorbeigekommen, die davon geschwärmt hätten, dass sie dort schon in der Kindheit oder im Studium ein- und ausgegangen seien. „Wir hatten sogar Leute aus Köln, die regelmäßig da waren.“
Anfang der 80er Jahre war das erste „Crêpe und Baguette“ an den Start gegangen, an der Düsseldorfer Straße in Saarn. Einige Zeit später gab es eine Filiale unweit der Uni in Duisburg, diese aber ist länger schon Geschichte. Anfang der 90er war in Saarn Schluss – das Lokal zog um an die Duisburger Straße/Ecke Haagerfeld und wurde zum Treffpunkt ganzer Schülergenerationen und vieler anderer Mülheimer.
Neuer Besitzer versprach sich viel vom Umfeld, von den Studenten, den Müga-Besuchern
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Als die frühere Besitzerin Ende 2020 in den Ruhestand ging, griff Kumanan Pulenthirarajah zu. Ihn reizte das kneipenähnliche Restaurant – „es ist ein einzigartiger Ort mit langer Tradition“. Niemand in der Umgebung biete etwas Vergleichbares an, „es ist nicht einfach noch eine Pizzeria oder noch ein Dönerladen“. Außerdem versprach sich der neue Besitzer viel vom Umfeld, von den Studenten der Hochschule Ruhr West, von den Besuchern der Müga. . .
Den Stil des Ladens wollte er unbedingt beibehalten – „aber es war zu dunkel hier und es sollte auch moderner sein“. Also habe er die Bühne aus dem hinteren Zimmer entfernt, einige Möbel angeschafft, den Boden abgeschliffen, neue Gardinen aufgehängt. Seine Tochter Jamina schrieb in Schönschrift alle Baguettes und Crêpes auf zwei riesige Tafeln hinter dem vertrauten Tresen mit der alten Kasse – bis heute das Markenzeichen des Geschäfts.
Erst seit die Abschiedsnachricht in der Welt ist, läuft es erstaunlich gut
Er habe sich „viele Gedanken gemacht, viel investiert“, zum Beispiel eine Eistheke aufgestellt, um weitere Kunden anzusprechen. Nach einem Jahr habe er seine Hauptprodukte um je 50 Cent teurer gemacht. Leider habe auch das nicht für wirtschaftlichen Erfolg gesorgt, „und ich weiß, dass es auch nicht besser werden wird“. Erst seit die Abschiedsnachricht in der Welt ist, läuft es erstaunlich gut: „Wir hatten jetzt sogar das erste Mal einen Abend, an dem die Baguettes ausverkauft waren.“
Laut Pulenthirarajah bleibt in dem Ecklokal auch über den 1. Dezember hinaus ein Restaurant: „Es ist neu vermietet und der Nachmieter will wohl ein Café aufmachen mit Frühstück am Morgen und Cocktails am Abend.“ Der Kontakt zum Nachfolger sei via Ebay-Kleinanzeigen zustande gekommen. Dieser werde Teile des Inventars übernehmen – das Konzept von Crêpe und Baguette aber, das über Jahrzehnte funktionierte, wird es so nicht mehr geben.