Mülheim. Metaller erklären bei einem Warnstreik in Mülheim, was ohne Einigung am Donnerstag droht, und warum 3000 Euro als Einmalzahlung nicht reichen.
Der Tarifstreit zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband ist mit einem Warnstreik in die nächste Runde gegangen. Rund 1200 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie zogen am Dienstagmorgen von Siemens Energy an der Rheinstraße 100 zum Mülheimer Rathausmarkt, wo die abschließende Kundgebung stattfand. Die Teilnehmer kamen aus Betrieben in Essen, Gelsenkirchen, Mülheim und Oberhausen. Aktionen sind im ganzen Bundesgebiet geplant. Allein in NRW kommt es am Dienstag und Mittwoch zu Warnstreiks und Kundgebungen in insgesamt 18 Städten.
Acht Prozent mehr – zu viel, meinen die Arbeitgeber, zu wenig manche Gewerkschafter
Seit dem 12. September laufen die Verhandlungen. Die Forderungen der IG Metall sind sogar noch älter und wurden bereits am 11. Juli beschlossen. Seither ist die Inflationsrate um drei weitere Prozentpunkte auf derzeit 10,4 Prozent gestiegen. Die zentrale Forderung der Gewerkschaft von einem 8-Prozent-Plus wurde also seit Verhandlungsbeginn von der Teuerungsrate bereits wieder aufgefressen. Was früher mal eine sehr selbstbewusste Forderung gewesen wäre, ist heute nicht einmal ein Inflationsausgleich.
Silberne Luftballons, die sonst wohl eher auf Geburtstagen hängen, die Banner und selbst der Hefezopf am Essensstand: Die Acht ist auf dem Mülheimer Rathausmarkt omnipräsent. Auf sie habe man sich eben geeinigt, erklärt Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW und Verhandlungsführer. Einige hätten auch gern noch mehr gefordert. Die für Außenstehende stolze Acht ist also bereits das Ergebnis eines Kompromisses.
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3000 Euro als Einmalzahlung sind der Gewerkschaft zu wenig
Auf prozentuale Lohnerhöhungen wollen sich die Arbeitgeber indes nicht einlassen. 3000 Euro als Einmalzahlung wurden stattdessen zuletzt angeboten. Auf den ersten Blick kein schlechtes Angebot, findet auch die IG Metall. Mit einer Laufzeit von 30 Monaten wäre das Extrageld allerdings tarifpolitisch teuer erkauft, denn 30 Monate Laufzeit bedeuten auch 30 Monate Friedenspflicht. Und das ist nicht alles: Im Gegenzug soll unter anderem das Weihnachtsgeld an Gewinnmargen gekoppelt werden: Bei schlechter Geschäftslage gäbe es dann zum Beispiel 20, bei guter 80 Prozent des Vollbetrags.
Für Jörg Schlüter, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Mülheim, Essen und Oberhausen, wird dem Fass damit der Boden ausgeschlagen. Beim Weihnachtsgeld werden auch andere Redner an diesem Tag emotional. Kürzungen oder die Variabilisierung von Sonderzahlungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld lehnt die IG Metall strikt ab.
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In Mülheim drohen an zwei Standorten ab Freitag Streiks
Krisenbedingt habe man seit 2018 die Füße still gehalten, so Schlüter. Seitdem gab es keine Tariferhöhung mehr. Stattdessen hat die IG Metall sich – ausnahmsweise – auf eine Variabilisierung einer Sonderzahlung eingelassen. Zum Normalfall sollten solche krisenbedingten Eingeständnisse nicht werden.
Bezirksleiter und Verhandlungsführer Knut Giesler warnt die Arbeitgeber: Am Donnerstag müsse es zu einer Einigung kommen, „denn sonst knallt es nächste Woche in NRW“. Genauer: „Wenn die Arbeitgeber jetzt nicht über das Stöckchen prozentualer Lohnerhöhungen springen, wird es zu 24-Stunden-Streiks kommen.“ Davon wären auch die Mülheimer Standorte von Siemens Energy und der Thyssenkrupp Presta AG betroffen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Betriebe erklärten auf dem Rathausmarkt öffentlichkeitswirksam per Handzeichen ihre Streikbereitschaft.
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Jugenddelegation der IG Metall mit eigener Aktion bei Mülheimer Kundgebung
Zur Kundgebung in Mülheim sind auch Beschäftigte gekommen, für die der Tarifentscheid gar keine Auswirkungen hat. Eine Gruppe von Azubis im Alter zwischen 16 und 24 Jahren von Thyssenkrupp Electrical Steel in Gelsenkirchen sei „aus Solidarität“ trotzdem mitgekommen.
Die jüngere Generation der IG Metall war bei der Veranstaltung durchaus präsent: „Die Jugend brennt!“, so der alarmierende Slogan der Gewerkschaftssektion, die mit Musik, Rauchwerk und einer kleinen Performance versucht hat, etwas wie Stimmung aufkommen zu lassen. Alle haben sie damit noch nicht erreicht.
Der streikerfahrene Darius (55), der bei ZF Automotive in Gelsenkirchen arbeitet, guckt sich die Veranstaltung von weiter hinten an. Worum es ihm gehe? „Na darum, mehr Kohle in der Tasche zu haben.“ Hat er denn noch Hoffnung, dass die Verhandlungen glücken? „Wie jedes Mal hoffe ich noch“, sagt er etwas abgeklärt. Die Frage, wie viele Warnstreiks er denn schon mitgemacht hat, kann Darius nicht beantworten: „Bei zehn habe ich aufgehört zu zählen.“ Weder er noch seine Gelsenkirchener Kollegen scheinen wirklich zu glauben, dass am Donnerstag doch noch das erhoffte Angebot der Gegenseite kommt.