Mülheim. Der Pflegebonus spaltet Mülheimer Krankenhausteams. Manche bekommen extra Geld für die Corona-Belastung, andere nicht. Der Frust ist groß.
Einen Corona-Bonus für besonders belastete Pflegekräfte hat die Bundesregierung beschlossen. Das im Juni verabschiedete Gesetz sieht besondere Zahlungen für das Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen vor. Doch viele Beschäftigte, die der Pandemie massiv ausgesetzt waren, fallen durchs Raster. Das sorgt für Ärger – auch in Mülheim.
In Altenheimen und in der Langzeitpflege bekommen alle Beschäftigten einen Bonus, die dort zwischen November 2020 und Juni 2022 mindestens drei Monate lang gearbeitet haben – auch Auszubildende, Pflegehelfer oder Leiharbeitnehmer. Bei den Krankenhäusern profitieren jedoch nur diejenigen Kliniken, auf deren Intensivstationen 2021 mindestens zehn Corona-Patienten für jeweils mindestens 48 Stunden beatmungspflichtig waren. Deutschlandweit gilt dies für 837 Krankenhäuser, beide Mülheimer Häuser – das Evangelische Krankenhaus und das St. Marien-Hospital – gehören dazu.
Beide Mülheimer Krankenhäuser zahlen den Pflegebonus
Doch längst nicht alle Beschäftigten können sich über zusätzliches Geld freuen. Berücksichtigt werden erstens nur Pflegefachkräfte, nicht Assistenzkräfte oder Azubis, und zweitens nur Beschäftigte auf bettenführenden Stationen. „Das sorgt für Unruhe in den Kliniken“, sagt Verdi-Sekretärin Katharina Schwabedissen, die im Bezirk Ruhr-West, zu dem auch Mülheim gehört, für die Krankenhäuser zuständig ist.
Auch die Krankenhäuser wirken unglücklich über die Regelung. Dabei müssen sie die Mittel nicht selber aufbringen, sondern ihnen wird das Geld durch den Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV) ausgezahlt. Grundsätzlich sei der Pflegebonus „als Zeichen der Wertschätzung und Dankbarkeit zu begrüßen“, heißt es aus dem Mülheimer St. Marien-Hospital (SMH). Doch „bedauerlicherweise“ erhielten nicht alle Krankenhäuser die Sondervergütung.
Mülheimer St. Marien-Hospital: Ungleichbehandlung sorgt für Unmut
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Außerdem sei der anspruchsberechtigte Personenkreis gesetzlich genau festgelegt, „was dazu führt, dass viele Kolleginnen und Kollegen, die in der Bewältigung der Corona-Pandemie eine wichtige Rolle gespielt haben und spielen, nicht berücksichtigt werden“, fasst eine Sprecherin des SMH die Situation im Haus zusammen. Diese Ungleichbehandlung sorge für großen Unmut bei vielen Beschäftigten, die täglich „unter schwierigen Bedingungen“ mit großem Einsatz arbeiteten. „Wir verstehen diesen Unmut und teilen ihn.“
Denn letztlich hätten alle Mitarbeitenden aus allen Berufsgruppen geholfen, die Pandemie zu bewältigen. Der Pflegebonus lasse Anerkennung vermissen für die Arbeit vieler Pflegender, die kein dreijähriges Pflegeexamen haben, noch in der Ausbildung seien, in der Psychiatrie oder außerhalb der bettenführenden Stationen arbeiteten. „Der Pflegebonus ist in dieser Form unseres Erachtens ungerecht“, so das Fazit aus dem Mülheimer SMH. „Dies bedauern wir ausdrücklich.“
Für Vollzeitkräfte 2203,82 Euro, für Intensivpflegekräfte 3305,73 Euro
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Um den Pflegebonus zu erhalten, müssen die Fachkräfte im Jahr 2021 mindestens 185 Tage in der unmittelbaren Patientenversorgung gearbeitet haben. Das SMH zahlt ihnen nach eigener Auskunft 2203,82 Euro – für eine volle Stelle und das ganze Jahr. Teilzeitbeschäftigte bekommen das Geld anteilig. Einen erhöhten Bonus von 3305,73 Euro (das Anderthalbfache) erhalten Pflegekräfte auf den Intensivstationen, die über die Zusatzausbildung Fachkrankenpflege Intensiv und Anästhesie verfügen.
Im Evangelischen Krankenhaus Mülheim (EKM) haben nach Angaben einer Sprecherin insgesamt 281 Mitarbeitende einen Pflegebonus erhalten. Ob und in welcher Höhe Zahlungen erfolgten, sei per Gesetz und ohne Einbindung der Krankenhäuser festgelegt worden. Also gab es auch im EKM exakt 2203,82 Euro für Pflegefachkräfte der bettenführenden Abteilungen, sofern sie im Jahr 2021 mehr als 185 Tage in der unmittelbaren Patientenversorgung tätig waren. Intensivfachpflegekräfte haben 3305,73 Euro erhalten.
EKM-Geschäftsführer kritisiert Ausschluss einiger Arbeitsbereiche
Auch aus dem EKM kommen kritische Töne zur gesetzlichen Regelung. Es sei schön, einem Teil der Beschäftigten einen Bonus als Anerkennung auszahlen zu können, erklärt EKM-Geschäftsführer Nils B. Krog. „Andererseits betrifft eine solche Pandemie alle Arbeitsbereiche eines Krankenhauses. Und spätestens für Bereiche wie der Zentralen Notaufnahme oder der Radiologie erschließt sich überhaupt nicht, warum diese bei den Bonuszahlungen nicht berücksichtigt wurden.“ Gleiches gelte für die Ärzteschaft, die bei allen Bonuszahlungen außen vor geblieben sei.
Verdi-Sekretärin: „Furchtbar“, was gerade passiert
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Verdi-Sekretärin Katharina Schwabedissen findet es „furchtbar“, was gerade in den Krankenhäusern passiert, spricht gar von einer „Missachtung der Arbeitsleistung“. Auch sie nennt als Beispiel die Beschäftigten in der Zentralen Notaufnahme, die keinen Bonus bekommen, „obwohl sie doch jeden Tag mit Coronapatienten zu tun haben – oft ohne es zu wissen“. Auch aus den Intensivstationen vernimmt Verdi Beschwerden: Dort erhalten Intensivpflegekräfte den anderthalbfachen Betrag, nicht aber diejenigen, die ihre Fachweiterbildung noch nicht abgeschlossen haben. „Sie fragen sich: Warum bekommen wir den erhöhten Bonus nicht? Wir machen doch die gleiche Arbeit“, berichtet Katharina Schwabedissen.
Außerdem kritisiert Verdi, dass alle anderen Berufsgruppen in den Krankenhäusern ausgeschlossen bleiben, obwohl auch sie in der Pandemie bis an die Grenzen gefordert seien. „Die Interessenverbände, also Mitarbeitervertretungen und Personalräte in den einzelnen Häusern, werden beim Pflegebonus nicht beteiligt“, so Katharina Schwabedissen.
Verdi: Eigentlich müssten alle den Bonus bekommen, auch das Praxispersonal
Eine andere Ungerechtigkeit, aus gewerkschaftlicher Perspektive, spricht Verdi-Sekretär Björn Jadzinski an. Er sagt: „Egal, ob ich im Krankenhaus arbeite oder beim Zahnarzt am Empfang sitze: Corona ist an keinem vorbeigegangen, jeder hatte Kontakt damit, und eigentlich hätte auch jeder den Bonus bekommen müssen.“ Als Beispiel nennt er Mitarbeiterinnen, die in HNO- oder Hausarztpraxen tätig sind, monatelang mit Corona zu tun hatten, auch selber Tests durchgeführt haben. Sie würden beim Pflegebonus ausgeklammert, kritisiert Verdi.
Schlussendlich nimmt die Gewerkschaft den Pflegebonus zum Anlass, um einmal mehr auf die belastenden Arbeitsbedingungen in der Pflege hinzuweisen. „Den Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern wäre mit einer ordentlichen Personalausstattung mehr geholfen als mit einer zusätzlichen Zahlung“, meint Jadzinski. Und auch Katharina Schwabedissen sagt: „Das ist eine Einmalzahlung – an der strukturellen Unterfinanzierung im Gesundheitswesen ändert sie nichts.“