Mülheim. In Mülheim gibt es nicht nur eine Tafel für Menschen, sondern auch eine für Tiere. Auch dort wachsen die Sorgen. Wie und wo man spenden kann.
Die Schlange vor der Mülheimer Tiertafel baut sich am Samstagmittag immer weiter auf, während die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch die gespendeten Futterdosen in die Regale räumen, damit es gleich mit der Futterausgabe losgehen kann. Jeden Samstag verteilen die freiwilligen Helferinnen und Helfer der Tiertafel Futter, Zubehör und Hygieneartikel an bedürftige Menschen, so dass diese ihre Haustiere versorgen können. Wie die Tafel, die bedürftige Menschen in Mülheim mit Lebensmittel versorgt, hat auch die Tiertafel mit rückläufigen Spenden zu kämpfen.
Im Jahr 2016 entstand die Idee der Tiertafel in einer Facebook-Gruppe und seit dem Beginn gibt es ausnahmslos jeden Samstag eine Futterausgabe, auch in Corona-Zeiten. Ein Jahr später, 2017, wurde der Verein offiziell gegründet.
Seit 2018 ist die Mülheimer Tiertafel in der Heißener Fünte ansässig
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Simone Schmidt, 2. Vorsitzende des Vereins, erzählt: „Früher, als die Ausgabe noch am Mülheimer Bahnhof stattfand, war sie mit sehr viel mehr Aufwand und Engagement verbunden.“ Denn der Stand habe jedes Mal neu aufgebaut werden müssen. Erschwerend hinzugekommen sei, dass das Lager mit den Spenden ein Stück vom Bahnhof weg war und somit immer ein Auto zur Verfügung stehen musste, um die Spenden zum Bahnhof zu transportieren. Seit 2018 ist die Tiertafel in der Heißener Fünte ansässig, nun sind Lager, Büro und Ausgabestelle an einem Ort vereint.
Das sei sehr hilfreich für die Organisation der Tafel, denn um Futter zu erhalten, muss ein Nachweis der Bedürftigkeit vorgelegt werden. Das System der Tafel funktioniert so: Wenn mit einem Nachweis geklärt ist, dass die Hilfe benötigt wird, bekommen die Kundinnen und Kunden eine Karte. Auf dieser steht eine Nummer, unter der die Menschen im System eingetragen sind und die Art sowie Anzahl der Tiere, die sie besitzen. Gegen eine kleine Gebühr von 50 Cent bekommen Bedürftige dann das Futter ausgehändigt.
Futterausgabe in Mülheim jeden Samstag von 12 bis 14 Uhr
Sorgfältig sucht dann eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter das Passende heraus. Wer etwas ganz Bestimmtes an Zubehör oder Ähnlichem benötigt, kann dies als Wunsch äußern und bekommt eine Nummer. Die Helferinnen und Helfer versuchen dann, das Richtige zu bekommen und es bei der nächsten Futterausgabe zu übergeben. Es gibt jedoch keine Garantie, dass etwas Passendes gefunden wird. Denn die Kundinnen und Kunden sollen sich nicht hundertprozentig auf die Tiertafel verlassen, sie böte nur Unterstützung, so Simone Schmidt. Für Hunde, Katzen, Nager und Vögel bietet die Hilfestelle Futter, Zubehör und Hygieneartikel.
Finanziert wird die Tiertafel nur durch Spenden, entweder als Sach- oder Geldspenden. Diese können per Überweisung oder Amazon-Wunschliste erfolgen sowie ganz direkt während der Futterausgabe, die jeden Samstag von 12 bis 14 Uhr stattfindet. Außerdem können die Spenden in einigen Geschäften abgegeben werden. Dazu zählen alle Fressnapf- und Futterhaus-Filialen in Mülheim und noch weitere Geschäfte.
Weniger Spenden seit dem Sommer für die Mülheimer Tiertafel
Die aktuell steigenden Preise machen es der Tiertafel schwer, da sie sich ausschließlich über Spenden finanziert. „Die Privatspenden sind deutlich zurückgegangen“, erzählt die zweite Vorsitzende. Denn auch Futter und Zubehör für Tiere seien teurer geworden. „Selbst Katzenstreu ist teurer“, fügt sie hinzu. Zusätzlich kämen durch die Inflation mehr Menschen, die die Hilfe der Tiertafel beanspruchen. „Pro Woche haben wir fast vier Kunden mehr“, erklärt die 41-Jährige.
Der erhöhte Kundenzulauf sei auch durch den Krieg in der Ukraine bedingt, denn mittlerweile kämen auch viele Ukrainerinnen und Ukrainer, um Futter abzuholen. Simone Schmidt meint, es komme auch auf die Zeit im Monat an. Anfang des Monats sei weniger los als am Ende. Teilweise problematisch sei auch, was die Leute spenden: Oft werde Futter und Zubehör für Hunde gespendet. „Wir brauchen dreimal so viel für Katzen wie für Hunde“, sagt Helferin Nicole Loges.
Mülheimer Tierhalterin: „Das haut schon rein, was das Geld angeht“
Bis jetzt hatte die Tiertafel glücklicherweise nur einmal zu wenig Futter bei der Ausgabe. Simone Schmidt erinnert sich, dass das Team und sie sofort zum Drogeriemarkt gelaufen seien und alles Notwendige nachgekauft hätten. „Das Team macht immer alles möglich“, sagt sie mit Stolz. Trotzdem merken auch schon manche Kundinnen und Kunden die Auswirkungen, wie zum Beispiel Bianca Keßler. Sie ist 43 Jahre alt und seit August 2020 an Brustkrebs erkrankt. Da sie nur noch eine Erwerbsminderungsrente und Sozialhilfe erhält, kommt sie seit Februar 2022 zur Tiertafel.
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Sie besitzt zwei Katzen und einen Hund. Ihre Lieblinge heißen Everlast, Gaslight und Wilhelm, Rufname Willi. „Willi ist schwer krank, er hat Arthrose“, erzählt die 43-Jährige. Zusätzlich vertrage Willi nur Pferdefleisch, das entsprechend teuer sei. „Das haut schon rein, was das Geld angeht“, sagt sie. Eine Zeit lang habe ihr die Tafel nur Trockenfutter ausgeben können, da das Futter für ihren Willi teilweise extra gekauft werden müsse. Momentan bekomme sie nur ein Kilo Trockenfutter, früher seien es zwei gewesen.
Tierarztkosten, Hundesteuer und Zuzahlungen: Es kommt eine Menge zusammen
Bianca Keßler ist bewusst, dass die Tiertafel nur zusteuert und nicht komplett die Kosten übernimmt, die Unterstützung entlaste aber schon. Denn sie müsse Tierarztkosten, Hundesteuer und Zuzahlungen für Willis Behandlungen und Medikamente selbst zahlen. „Das geht dann alles von meinem Lebensgeld ab“, meint sie.
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Auch Sabine Hartmann ist eine Kundin der Tiertafel. Sie kommt mit ihrem Hund Biene seit Anfang an zur Tiertafel. Biene ist auch bei den Helferinnen und Helfern bekannt, jedoch sehr wählerisch, wenn es um Leckerchen geht. Eigentlich gehörte Biene Sabine Hartmanns Eltern, doch dann zog sie zu der 57-Jährigen. Mittlerweile ist Biene stolze 13 Jahre alt und hat schon einiges hinter sich.
Tag der offenen Tür am 17. September bei der Tiertafel in Mülheim
Ihr Frauchen erklärt, dass ihre Hündin einen Tumor hinter dem Auge hatte und operiert werden musste. Diese Operation kostete 1000 Euro, „das Geld hab ich mir zusammengeliehen, denn so eine OP ist schon eine Hausnummer“. Außerdem fresse Biene aufgrund des hohen Alters nur weiche Sachen. Von den knapper werdenden Spenden merkt Sabine Hartmann noch nichts, sie sagt: „Für Biene gab es immer was, und wenn die Biene einen Sonderwunsch hatte, wurde der auch immer erfüllt.“
Tiertafel-Vorstand Simone Schmidt ist aber trotz der abnehmenden Spenden zuversichtlich: „Jeder spart, trotzdem gibt es viele solidarische Menschen, die spenden.“ Und bis jetzt sei die Tiertafel „immer gut durchgekommen“. Sie freut sich erst einmal auf den kommenden Samstag, 17. September, denn die Mülheimer Tiertafel lädt ein zum Tag der offenen Tür. Von 14 bis 17 Uhr gibt es Kaffee und Kuchen in der Fünte an der Gracht 209.