Mülheim. Viele Medl-Kunden können dieser Tage trotz Preissteigerung mit Rückzahlung rechnen, denn der Winter war mild. Der Preis-Schock kommt aber noch.
Wenn Mülheimer Kunden der Medl in den kommenden Tagen ihre Gas-Abrechnung erhalten, dürfte einigen eine freudige Überraschung ins Haus stehen, denn „der Winter war verhältnismäßig mild, viele bekommen deshalb Geld zurückerstattet“, prognostiziert Medl-Geschäftsführer Hendrik Dönnebrink. Und muss gleichzeitig warnen: Die Abschläge deswegen runterzusetzen, wäre eine falsche Reaktion – denn das dicke Kostenende kommt noch. Wenn das Gas aus Russland weiter reduziert wird oder sogar ausbleibt.
Der Medl-Chef rät daher, den bisherigen Abschlag lieber deutlich zu erhöhen, will man für den nächsten Winter auf der sicheren Seite stehen. Dabei will Dönnebrink keine Prognose wagen, wie die Gaspreise künftig ausfallen werden: „Das kann aktuell niemand wissen, wir beobachten aber den Markt genau.“ Ob Russland nach der aktuellen Wartung an Nord Stream 1 das Gas wieder fließen lässt oder weiter reduziert, sei nur ein Faktor.
Medl-Chef schließt Verdreifachung der Gaspreise bei Medl zurzeit aus
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Dönnebrink rechnet damit, dass Präsident Putin mit dem Gashebel politisch spielen wird – mal auf, mal zu. „Wir können zumindest sagen, dass wir die derzeitigen Börsenpreise nicht eins zu eins an unsere Kunden weitergeben werden, da wir bereits in der Vergangenheit Gasmengen zu niedrigeren Preisen eingekauft haben.“ Dieser Effekt kommt unseren Kunden nunmehr zugute. Preise von mehr als 20 Cent pro Kilowattstunde wie derzeit bei Internetportalen angezeigt – das wäre das Dreifache des Centpreises von 2021 – will Dönnebrink daher zurzeit für die Medl ausschließen.
Dass die in Deutschland immens gestiegenen Energiekosten jedoch nicht allein das Ergebnis russischer Schachzüge sind, sondern ebenso ein Effekt von Marktspekulationen, kann Dönnebrink am Verlauf des Gaspreises des vergangenen Jahres zeigen. Denn noch im Mai 2021 habe der Gaspreis beim Einkauf rund 30 Euro pro Megawattstunde netto betragen. Vielen Gasunternehmen war dies aber zu hoch, man rechnete mit einem Preisfall im Sommer. Und kaufte nicht ein, trotz kaum gefüllter Speicher.
Wie Gasunternehmen sich beim Einkauf verspekulierten
Doch damit verspekulierte man sich wohl kräftig, denn der Preis stieg an: im Sommer auf 32, dann auf 40 und sogar 70 Euro und mehr pro Megawattstunde im vierten Quartal. Spätestens dann aber musste eingekauft werden, denn die Speicher waren nahezu aufgebraucht. Zu horrenden Preisen.
Ist die Privatisierung solcher Grundversorgungen vielleicht auch ein Grundfehler? Zumindest wäre Deutschland gut beraten gewesen, gewisse Nationalreserven an Gas anzulegen, meint Dönnebrink, so wie der Staat es beim Öl mache. Diese reichen im Notfall rund dreieinhalb Monate aus. Rund 256 Terawattstunden könnten auch Deutschlands Speicher maximal vorhalten, damit käme man wohl knapp drei kalte Wintermonate hin. „Das hätte damals den Preis vielleicht um einen halben Cent erhöht, die meisten Verbraucher aber hätten es wohl gar nicht groß gemerkt“, so Dönnebrink.
Wird das Gas privater Haushalte gedrosselt?
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Nun aber bangen viele um immense Energiekosten und starke Einschnitte beim Heizen: „Alle werden sparen müssen, damit der Anteil an fehlendem russischen Gas kompensiert werden kann“, prognostiziert der Medl-Chef. Angestrebt wird, diesen Anteil von rund 55 Prozent bis Ende des Jahres auf 30 zu senken. Auch die privaten Haushalte können dazu beitragen. Dönnebrink rechnet jedoch eher mit Gesprächen mit Unternehmen, die enorme Verbrauche und daher einen großen Anteil am gesamtdeutschen Gasverbrauch haben.
Zudem, glaubt der Medl-Chef, werden sich bereits im September schon Spareffekte zeigen. „Viele Haushalte werden erst im Oktober oder wenn es nötig ist, die Heizung anstellen. Wir müssen die Bedarfe dem Angebot anpassen, denn auch Medl hat keine eigene Pipeline nach Moskau oder Norwegen. Wir sitzen daher alle in einem Boot.“