Mülheim. Laskáwo prósymo an Mülheims VHS! So heißt Dozentin Iryna Fishchenko Teilnehmende beim Ukrainisch-Kurs willkommen. Warum sie die Sprache lernen.
Sprache ist der Schlüssel fürs Miteinander. Damit sprachliche Integration keine Einbahnstraße bleibt, lernen Mülheimerinnen und Mülheimer an der Volkshochschule in einem Crash-Kurs Ukrainisch. Warum die Teilnehmenden Sandra, Britta und Stefan erste Sätze in der slawischen Sprache können wollen.
„Was heißt denn: Gehen Sie an der nächsten Ampel links“, will Sandra Clemens wissen. Ganz klar: Hier geht’s um praktische Hilfe im Alltag, um Verständigung, die sofort angewendet werden kann. Wenngleich diese Sprache, das Ukrainische, in unseren Ohren ungewohnt klingt, sich unsere Zungen verbiegen müssen, um die Klänge herauszubekommen – das gerollte R oder das kurze, dumpfe I. Ukrainisch zu lernen ist eine Herausforderung, so viel steht schon nach den ersten Minuten im Crash-Kurs fest, der gerade an der Mülheimer Volkshochschule (VHS) läuft. Da erscheinen Konsonanten wild zusammengewürfelt, Vokale kleben aneinander, dass es sich für unsere westeuropäischen Augen kaum lesen lässt.
Kostenloser Ukrainisch-Crash-Kurs läuft gerade an der Mülheimer Volkshochschule
Mit einer flotten Handbewegung wischt Dozentin Iryna Fishchenko alle Bedenken zur Seite: „Hauptsache, man versteht, was ihr sagen wollt. Wenn die Grammatik nicht stimmt, ist das überhaupt nicht schlimm.“ Dass es alles andere als einfach ist, ihre Muttersprache zu lernen, dessen ist sich die Dozentin bewusst: „Mit dem Deklinieren fangen wir gar nicht erst an. Im Ukrainischen gibt es sieben Fälle, dagegen ist das Deutsche ein Kinderspiel.“
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Dennoch haben sich Sprachbegeisterte und Wissbegierige zu diesem kostenlosen Ukrainisch-Crash-Kurs angemeldet, in dem Iryna Fishchenko Grundlagen vermittelt, damit sich jeder Teilnehmende so gut wie möglich mit Menschen aus der Ukraine verständigen kann. Dass sie nun nur noch fünf oder sechs in dem Kurs sind, der vor ein paar Wochen zu elft gestartet war, bringe den Vorteil, dass sie individuell auf die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler eingehen kann, sagt Iryna Fishchenko.
Da ist zum Beispiel Stefan Knopp, der sich übers Centrum für Bürgerschaftliches Engagement (CBE) für Geflüchtete aus der Ukraine engagiert. „Als die ersten Flüchtlinge angekommen sind und ich die Sprache gehört habe, wollte ich den Menschen helfen und sie auch verstehen können“, erzählt Knopp. Mittlerweile, so sagt der Mülheimer, habe er schon ein Gespür fürs Ukrainische entwickelt.
Was ihm dabei hilft, sowohl den Klang der Sprache als auch Vokabeln und Formulierungen zu verinnerlichen, sei es, ukrainische Musik zu hören. Er könne inzwischen beispielsweise einen Kaffee mit Milch bestellen und träumt davon, das Land irgendwann auch mal zu bereisen – wenn es die Situation dort wieder zulässt.
Mülheimerin kann mit ukrainischen Kindern an ihrer Schule kommunizieren
Ganz praktisch setzt auch Britta Niewiera das Frischgelernte schon um. Die Germanistin und Historikerin schreibt gerade ihre Doktorarbeit und arbeitet an einer Schule in Essen. „Da haben wir inzwischen auch Kinder aus der Ukraine“, erzählt Niewiera. Könne sie die Jungen und Mädchen zumindest mit einigen Brocken ihrer Muttersprache begrüßen, sei das Eis schnell gebrochen, lässt die Mülheimerin ihre Kurskolleginnen und -kollegen an ihren ersten Erfolgserlebnissen teilhaben.
Die Sprache zu lernen, mache ihr richtig Spaß, das Ukrainische habe einen schönen Klang, sagt Britta Niewiera. Die Doktorandin hat sich bereits für den „großen“ Ukrainisch-Kurs an der VHS angemeldet, der im August startet – weiterlernen will sie aber nicht nur zum Vergnügen: „Dann kann ich mich später auf Stellen bewerben, bei denen die Sprache wichtig werden könnte.“
Dozentin aus der Ukraine hält per Whatsapp Kontakt zu ihren Freundinnen
Dass ihre Muttersprache wichtig werden kann, hat auch Iryna Fishchenko erfahren, als die ersten Geflüchteten aus ihrer Heimat nach Deutschland gekommen sind. Eigentlich ist sie Dozentin für Integrationskurse, unterrichtet Deutsch. Dann aber kam die Anfrage von der Mülheimer VHS, ob sie auch Ukrainisch unterrichten könne. Kann sie – und will sie auch. „Dabei habe ich festgestellt, wie komplex das Ukrainische ist“, sagt Fishchenko, die von ihrer Kindheit bei der ukrainischen Großmutter erzählt und etwas von der Kultur ihres Heimatlandes vermittelt – doch im Moment sei traurigerweise alles überschattet vom Krieg.
Nun also steht sie vor den Teilnehmenden des Crash-Kurses und erzählt, dass sie mit ihren Freundinnen in der Heimat Kontakt halte und über Whatsapp schreibt – auf Kyrillisch. Hier, in der Mülheimer VHS, bedient sie sich der lateinischen Schrift, wenn sie etwas an der Tafel festhält.
Teilnehmende lernen Begriffe auf Ukrainisch, die sie in ihrem Alltag brauchen
Bedarfsgerecht will sie ihre Muttersprache vermitteln. Jeder soll aus dem Kurs mitnehmen, was für ihn wichtig ist. So will Doktorandin Britta etwa wissen, wie man danach fragt, was jemand gerne in seiner Freizeit macht, was Kino heißt, Gitarre spielen oder Bücher lesen. Direkt im Alltag anwenden will auch Sandra die Sprache. Sie arbeitet im Anmeldebüro der Mülheimer VHS und „möchte mit den Menschen interagieren können.“
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Eine andere Teilnehmerin habe eine ukrainische Familie bei sich aufgenommen, ein weiterer Kurskollege betreue nun ukrainische Kinder in seinem Fußballverein. Wer den Unterricht verpasst – gerade jetzt zur Urlaubszeit – den versorgt Dozentin Iryna über eine Whatsapp-Gruppe mit den Lektionen. Auf der Zielgeraden des Crash-Kurses schaut sie ins Rund der Teilnehmenden und sagt: „Ich finde es mutig, wenn Leute sich entscheiden, Ukrainisch zu lernen.“ Natürlich will Stefan sofort wissen, wie dieser Satz in ihrer Muttersprache heißt. Und schon schreibt Iryna wieder einen bunten Mix von Konsonanten und Vokalen an die Tafel. Na dann, bazhayu vam uspikhu!
Ukrainisch lernen
Einen Einstiegskurs, in dem die Teilnehmenden Ukrainisch von Anfang an lernen, bietet die VHS Mülheim ab 22. August an. Der Kurs soll Einblicke in Sprache und Kultur vermitteln und zur ersten Verständigung im ukrainischen Umfeld verhelfen. Die Sprachschüler und -schülerinnen lernen erste Wörter und verbinden sie zu Sätzen, so dass sie kurze Dialogen führen können.
Der Kurs findet an 14 Terminen montagabends ab 18 Uhr in der VHS an der Aktienstraße 45 statt, die Teilnahme kostet 115 Euro. Durch diesen Einstiegskurs führt als Dozentin auch Iryna Fishchenko. Fragen rund um die Anmeldung beantworten Sandra Clemens, die als Teilnehmerin des Crash-Kurses ins Ukrainische reingeschnuppert hat, und Ludmila Scherbakov unter 0208 455 43 21 und 0208 455 43 22 oder per Mail: vhs-anmeldung@muelheim-ruhr.de.